Название | Dear Sister 1 - Schattenerwachen |
---|---|
Автор произведения | Maya Shepherd |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738059755 |
„Oh“, sagte Dairine nur, die die Gruppe nun ebenfalls entdeckt hatte. „Wusstest du, dass er hier ist?“
„Nein“, knurrte ich. „Aber ich habe auch nicht gefragt.“
Ich hatte Lucas immer blind vertraut, war aber davon ausgegangen, dass er mit seinen Freunden unterwegs war. Daran, dass Mädchen dabei sein könnten, hatte ich nie gedacht. Es gefiel mir ganz und gar nicht, wie sie sich an ihn hängten und mit ihren Wimpern klimperten.
„Lass uns ein paar Leute nach Eliza fragen und dann wieder abhauen“, schlug Dairine vor und steuerte auf den nächsten Kellner zu. „Kennst du das Mädchen?“, fragte sie direkt und hielt ihm das Foto von Eliza vors Gesicht.
„Klar, das ist doch Eli!“, rief er sofort freudig aus. „Ist sie wieder da?“
Schon wieder eine Sackgasse.
„Leider nicht, aber kannst du mir sagen, mit welchen Leuten sie immer hier war?“, fragte Dairine weiter. Der Kellner verzog nachdenklich sein Gesicht. „Hm, Eli war immer sehr kontaktfreudig.“ Da verriet er mir nichts Neues. „Aber in den letzten Wochen vor ihrem Verschwinden war sie immer mit einem blonden Typen unterwegs, der ist heute Abend auch da.“
Blonder Typ? Sofort tauchten die Bilder aus der Toilette in London wieder vor meinem inneren Auge auf. „Wo ist er?“, stieß ich sofort aus.
Der Kellner deutete auf eine Treppe, die auf die Tribüne im oberen Stockwerk führte. „Er hat den VIP-Bereich gemietet. Da dürft ihr nur rein, wenn er euch einlädt.“
Dairine schenkte ihm ein breites Lächeln. „Vielen Dank, du warst uns eine große Hilfe!“ Dann nahm sie mich bei der Hand und zog mich quer über die Tanzfläche zu dem abgesperrten VIP-Aufgang. Ein weiterer Türsteher blockierte den Eingang.
„Kannst du dem Gastgeber bitte sagen, dass Eliza hier ist?“, raunte Dairine ihm ins Ohr. Der Türsteher runzelte die Stirn, zog aber ein Walkie-Talkie aus seinem Gürtel, in das er etwas sprach, während er uns den Rücken zuwendete.
„Clever“, lobte ich Dairine grinsend. Auf die Idee wäre ich nicht gekommen.
Es dauerte nicht einmal eine Minute, da kam auch schon ein Mann die Treppen heruntergeeilt. Sobald ich sein Gesicht und seine Haare sah, erstarrte ich. Es war wie eine Art Flashback. Das war der Typ, den ich in der Toilette mit Eliza hatte streiten sehen! Er wirkte jedoch enttäuscht, uns und nicht meine Schwester bei dem Türsteher vorzufinden.
„Was soll das? Keine von euch beiden ist Eliza. Soll das ein schlechter Scherz sein?!“, fuhr er uns wütend an und wandte sich bereits zum Gehen.
„Eliza ist meine Schwester!“, rief ich verzweifelt aus. „Bitte, ich suche nach ihr!“
Der Mann hielt sofort inne und wandte sich erneut zu uns um. Er musterte neugierig mein Gesicht. „Du siehst ihr nicht ähnlich“, stellte er verblüfft fest. Verlegen strich ich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatte. Eliza und ich waren wie Feuer und Wasser, völlig verschieden. Sowohl charakterlich als auch äußerlich. Während die meisten meine Schwester als hübsch und aufreizend beschrieben, entsprach ich eher dem Typ Mädchen von Nebenan. Doch plötzlich setzte der Mann ein Lächeln auf, bei dem seine strahlend weißen und perfekten Zähne entblößt wurden. „Du bist hübscher.“
Ich glaubte ihm kein Wort, dennoch war ich dankbar für die Dunkelheit, die meine glühenden Wangen versteckte. „Wie lange ist es her, dass du sie gesehen hast?“, fragte ich ihn und ignorierte sein Kompliment.
„Wollt ihr nicht mit rauf kommen und dort mit mir weiterreden?“, fragte er freundlich und reichte mir seine Hand. In dem Moment ertönte eine bekannte Stimme hinter mir. „Winter? Was machst du denn hier?“
Lucas! Erschrocken fuhr ich herum. Hatte er das Gespräch mitbekommen?
„Ich … ich …“, begann ich auf der Suche nach einer Ausrede zu stottern.
„Amüsieren, was denn sonst?!“, kam mir Dairine zur Hilfe.
„Es ist schon nach Mitternacht, machen sich deine Eltern denn keine Sorgen?“, fragte Lucas fürsorglich wie immer. Er sah von mir zu dem Mann, der uns gerade in seinen VIP-Bereich eingeladen hatte. „Kennt ihr euch?“, wollte Lucas misstrauisch wissen.
Ich schüttelte schnell den Kopf, worauf Lucas erwiderte: „Kommt, ich fahr euch nach Hause.“ Ganz untypisch für ihn, warf er dem Mann einen feindseligen Blick zu. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Sonst war er immer die Ruhe in Person und zu jedem freundlich. Konnte es sein, dass Lucas eifersüchtig war? Allein der Gedanke erfüllte mich mit Stolz und ich nahm dankbar seine Hand. Dairine sagte zu dem Mann mit den hellblonden Haaren: „Vielleicht ein anderes Mal.“
Wir holten unsere Jacken an der Garderobe ab und stiegen danach zu dritt in Lucas‘ Pick-up. So vernünftig wie er war, hatte er keinen Alkohol getrunken, um später noch nach Hause fahren zu können. Eben ganz mein Lucas.
Wir setzten Dairine vor ihrem Haus ab, bevor wir über die unebene Landstraße weiter nach Slades Castle fuhren. Da es auf diesem Weg keine Straßenlaternen gab, war Lucas sehr vorsichtig und drosselte das Tempo. Ich sah ihm gerne beim Fahren zu. Dabei hatte er immer diesen konzentrieren Ausdruck im Gesicht.
„Was wollte eigentlich dieser Typ von euch?“, fragte Lucas unerwartet.
„Er hat uns in seinen VIP-Bereich eingeladen“, sagte ich ehrlich.
„Warum?“, hakte Lucas weiter nach, so, als wäre es völlig unmöglich, dass ein anderer Mann sich für mich interessierte.
„Vielleicht stand er auf Dairine“, erwiderte ich ausweichend und dachte an die leuchtenden Augen des Mannes und wie er mich damit angesehen hatte. Sobald ich erwähnt hatte, dass Eliza meine Schwester war, galt seine Aufmerksamkeit nur noch mir. Er hatte Dairine nicht mehr mit einem Blick gewürdigt.
„Du hast ihn nach Eliza gefragt“, stellte Lucas fest. Also hatte er es doch gehört. „Warum?“
Ich schob meine Hände tief in meine Jackentasche und spürte sofort etwas knistern. Ein Papier. War es zuvor auch schon da gewesen? „Der Kellner hatte gesagt, dass er Eliza vor ihrem Verschwinden öfters mit dem Typen gesehen hat.“
„Du hast den Kellner auch nach Eliza gefragt?“
„Ja“, erwiderte ich knapp.
Lucas sah mich nachdenklich von der Seite an. In seinem Gesicht lag ein weicher, liebevoller Ausdruck. „Ich vermisse sie auch.“
Ich verkniff mir ein Augenrollen und sagte lieber nichts. Es war besser, Lucas in dem Glauben zu lassen, dass meine ältere Schwester mir fehlte, als ihm die Wahrheit zu sagen.
„Ich finde trotzdem, du solltest es der Polizei überlassen, nach ihr zu suchen. Immerhin wissen wir jetzt, dass sie am Leben ist. Wenn es gar nicht anders geht, wird sie sich bei euren Eltern melden, damit sie ihr Geld schicken, um von Amerika zurückfliegen zu können.“
Ich nickte eilig, um das Thema so schnell wie möglich zu beenden. „Willst du heute bei mir schlafen?“, fragte ich Lucas, jedoch mit wenig Hoffnung auf eine positive Antwort.
„Es ist schon spät und ich möchte mich nicht wie ein Einbrecher in euer Haus schleichen“, erwiderte Lucas ausweichend. Das war mir schon vorher klar gewesen. Wir hielten vor dem Haus seiner Familie und stiegen aus. Lucas brachte mich selbstverständlich bis zur Haustür, obwohl sie in Sichtweite seiner eigenen war. Er küsste mich erst auf die Stirn und dann auf den Mund. „Schlaf gut.“
Erst als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte,