Eingeäschert. Doug Johnstone

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Название Eingeäschert
Автор произведения Doug Johnstone
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948392437



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Hand hob sich zu seinen Haaren, eine nervöse Geste, kontrollierte den Scheitel, strich mit den Fingern über seine Kopfhaut.

      »Wie geht es ihnen?«

      »Sie sind krank vor Sorge, tun aber so, als wäre nichts.«

      Hannah nickte, als ihre Getränke kamen. Für sie grünen Tee, für ihn Kräutertee, der nach Beeren und Heu duftete.

      Vic lächelte das Mädchen mit einem verschwörerischen Blick an, Kollegen unter sich, dann wandte er sich Hannah zu.

      »Erzähl mir, was du weißt.« Sein Akzent hatte diesen näselnden Dundee-Tonfall, den Mel nicht hatte. Es war schon merkwürdig, wie Leute in ein und derselben Familie aufwachsen und sich doch völlig anders anhören konnten.

      Sie erzählte ihm, was seit Mels Verschwinden passiert war. Die Unterhaltung mit der Polizei, das Gespräch mit Xander. Von Mum hatte sie bislang nichts zu Bradley Barker gehört.

      Vics Stirnrunzeln wurde tiefer, und seine Hand wanderte wieder zu seinen Haaren. Sie beobachtete das Spiel seiner Armmuskeln.

      »Was hältst du von diesem Xander-Kid?«, fragte er.

      Er war nur drei Jahre älter als Mel, wirkte aber reif genug, dass Studenten für ihn Kids waren.

      Hannah zuckte mit den Achseln. »Bin nicht sicher. Als ich hereinkam, hat er gerade mit einem Mädchen geflirtet, aber wenn jeder Typ, der flirtet, gleich schuldig ist, na ja …«

      Vic nickte. Er hatte nie mit Hannah geflirtet, wusste aber auch von Anfang an, dass sie lesbisch war, was einen Unterschied machte. Vielleicht war er selbst ja auch schwul, obwohl Hannah das eigentlich nicht glaubte, so wie er die Kellnerin erst vor einer Minute angesehen hatte.

      Vic beugte sich vor, als wäre er Teil einer Verschwörung. »Hat sie jemals sonst jemanden erwähnt?«

      »Wie meinst du das?«

      »Einen anderen Typen.«

      Hannah kaute auf ihrer Lippe, trank einen Schluck Tee, der nicht bitter genug war. »Ich hätte es gewusst, wenn sie mit jemandem zusammen gewesen wäre.«

      »Bist du sicher?«

      »Hat sie dir gegenüber irgendwas von einem anderen festen Freund erzählt?«

      »Hat sie nicht, aber ich hatte so ein Gefühl.«

      »Warum?«

      »Wir haben letzte Woche zusammen zu Mittag gegessen, und da hat sie erwähnt, am Abend zuvor in einer Hotelbar gewesen zu sein. Ich fand das komisch, Studenten können sich keine Drinks in Hotelbars leisten. Ich habe nachgefragt, aber sie hat ausweichend geantwortet, sagte, sie habe ein Date gehabt, und wechselte das Thema.«

      »Das klingt so gar nicht nach Mel.«

      Vic zuckte mit den Achseln. »Wie gut kennen wir uns schon? Mum und Dad kennen Mel überhaupt nicht, ihnen gefällt die Vorstellung nicht, dass sie überhaupt mit einem Typen zusammen ist, geschweige denn mit mehr als einem. Es gibt eine ganze Menge Sachen, von denen sie überhaupt nichts wissen.«

      »Wie meinst du das?«

      Vic seufzte und lehnte sich zurück. »Sie war auf der Schule ziemlich wild.«

      Hannah musste bei der Vorstellung lachen. »Komm schon.«

      Der Ausdruck auf Vics Gesicht beendete jedoch ihr Lachen.

      »Sie wollte nicht, dass ihre Freunde auf der Uni davon erfuhren«, sagte er. »Sie hat sich sehr verändert, seit sie hergekommen ist. Irgendwie wesentlich ruhiger.«

      »Wovon genau sprichst du?«

      »Sie hatte einfach keinen Ausschalter. Jede Menge Alkohol, Koks und Ketamin. Jungs. Und Männer, ältere Männer. In manchen Clubs in Dundee hatte sie einen ziemlichen Ruf.«

      »Woher kam das?«

      Vic schüttelte den Kopf, als wären die Motivationen jedes Menschen ein Mysterium. »Vielleicht hat sie deshalb das mit diesem anderen Typen nicht hinausposaunt.«

      »Aber dir hätte sie doch was gesagt, oder?«

      »Nicht, wenn sie keinen guten Grund dafür gehabt hätte.«

      Hannah spielte mit dem Teelöffel auf ihrer Untertasse. »Verheiratet.«

      Vic öffnete die Hände. »Vielleicht hat das nichts zu bedeuten.«

      Irgendwer ließ in der Küche einen Teller fallen, das Gepolter von Keramik auf Fliesen, ein gemurmeltes Schimpfwort. Am Nebentisch sah sich eine Touristen-Familie aus dem Mittelmeerraum Fotos auf dem Handy ihrer Tochter an. Hannah roch pochierte Eier, und das machte sie hungrig.

      »Aber während wir aßen, hat sie mehrere SMS erhalten«, sagte Vic. »Bei der ersten hat sie gelächelt. Ich habe sie damit aufgezogen, aber sie hat sich nicht provozieren lassen. Dann kam noch eine, und da hat sie nicht mehr so glücklich ausgesehen. Dann ein paar Minuten später noch eine, was zur Folge hatte, dass sie das Handy stummgestellt hat. Ich habe sie danach gefragt, aber sie wollte nicht darüber reden.«

      »Wann war das?«

      Vic trank einen Schluck Tee, dachte kurz nach. »Letzten Dienstagmittag.«

      Hannah zog Mels Handy aus der Tasche und rief ihre Nachrichten auf, blätterte sie mit dem Daumen durch.

      Vic kniff die Augen zusammen. »Was machst du da?«

      »Ich sehe auf ihrem Telefon nach, von wem die Nachrichten gekommen sein könnten.«

      Vic schüttelte den Kopf. »Das ist nicht ihr Handy.«

      Hannah hob es hoch. »Doch, ist es.«

      »Tja, es ist jedenfalls nicht das Telefon, das sie letzte Woche benutzt hat.«

      Hannah starrte Vic an, dann die Schlange vor dem Taxistand draußen vor dem Fenster.

      »Scheiße«, sagte sie. »Sie hat ein zweites Telefon.«

       14

       DOROTHY

      Dorothy sah zu, wie Abi zu Sleater-Kinney auf das Schlagzeug eindrosch. Das Mädchen besaß ein rohes Talent, hatte aber noch keine Kontrolle darüber. Na und? Welches dreizehnjährige Mädchen hat schon Kontrolle über irgendeinen Aspekt seines Lebens? Was Dorothy mit Mädchen dieses Alters machte, war, ihnen Arten des Schlagzeugspiels zu zeigen, bei denen es nicht darauf ankam, einen Schwanz zu haben. Janet Weiss war ein gutes Vorbild, kraftvoll, wenn sie es sein musste, ja, sogar ursprünglich, aber nie so großkotzig wie männliche Schlagzeuger, holte sich nie bei einem Song einen runter.

      Abi erreichte die Middle Eight und versuchte es mit einer ausgefallenen Einlage an den Toms, schaffte es aber nicht ganz rechtzeitig zurück. Sleater-Kinney waren auch gut, um die Arbeit an den Toms zu üben, was den zusätzlichen Effekt hatte, Abi von ihrer Besessenheit von den Hi-Hats abzulenken. Der Pferdeschwanz des Mädchens schwang hin und her, als sie sich mit geschlossenen Augen konzentrierte, nur ganz leicht mit dem Kopf wippte, als sie durch die letzte Strophe zum Refrain powerte. Sie ging völlig in ihrem Spiel auf. Dorothy kannte das Gefühl gut, wenn man sich in einer größeren Sache verlor, wenn man Teil der Musik wurde und die Musik wurde zu einem Teil von einem selbst. Rhythmus ist so urgewaltig, führt uns zurück zu den Anfängen der Menschheit in das afrikanische Flachland, zapft etwas Unbeschreibliches an.

      Dorothy sah aus dem Fenster. Sie waren im zweiten Stock des Hauses, im Studio, kleine Fenster und Schalldämmung, aber mit einem besseren Ausblick als unten in der Küche. Die zerklüfteten Zähne der Burg fielen zum Durcheinander der Old Town hin ab, die in der Sonne funkelnden Glasflächen der Quartermile vorne und die nahe liegende Viewforth Church ragten über die Baumgrenze des Parks auf.

      Abi übertrieb es wieder, veranlasste Dorothy, sich umzudrehen. Das Mädchen wirkte verlegen, erkannte, was es getan hatte, und das war schon die halbe Miete. Ein Junge in ihrem Alter wäre einfach weiter durchgestolpert