Ein Dom und sein Krieger. Xenia Melzer

Читать онлайн.
Название Ein Dom und sein Krieger
Автор произведения Xenia Melzer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960894797



Скачать книгу

ist los, Ojisan?“ Leeland griff automatisch auf die japanische Anrede für seinen Onkel zurück.

      „Wie du weißt, habe ich ein wohltätiges Projekt gestartet, Hinode.“

      Leeland nickte, auch wenn Misaki das nicht sehen konnte. Er liebte dieses Projekt, das Kindern ohne Geld die Möglichkeit gab, in Misakis Studio zu trainieren, wodurch sie weg von der Straße waren und keinen Ärger bekommen konnten. Seine Eltern, beide Polizisten, halfen, wo sie konnten.

      „Gibt es Probleme mit dem Projekt?“

      „Nein, aber dennoch.“

      Leeland holte tief Luft. „Ojisan, bitte sag mir, was los ist.“

      Sein Onkel seufzte. Obwohl er ihn nicht sehen konnte, konnte Leeland praktisch spüren, wie sein Oji sich wand.

      „Vor ungefähr sechs Monaten habe ich ein Angebot bekommen, das es mir gestattete, das Projekt zu erweitern. Eine europäische Firma, die einen Energiedrink namens Smash! produziert, will auf den US-Markt. Sie versuchen, ein gewisses Image zu propagieren und haben mich angesprochen, gefragt, ob ich jemanden trainieren könnte, der an offiziellen Kämpfen in der UFC teilnehmen kann. Ich hatte einen vielversprechenden Kandidaten, den ich dorthin schicken wollte und dank der finanziellen Hilfe von Smash! war bis vor zwei Tagen alles wunderbar. Dann hatte mein Mann einen Autounfall. Sein Bein ist gebrochen und wie du dir vorstellen kannst, fällt er für diese Saison aus. Vielleicht auch noch für die nächste, je nachdem wie der Heilungsprozess und die Reha laufen. Der Vertrag mit der UFC ist bereits unterzeichnet, aber sie sind bereit, einen Ersatz anzunehmen. Smash! hat bereits alles für diese Saison vorbereitet, so weit, dass sich zurückzuziehen sie mehr Geld kosten würde, als mit einem Kandidaten anzutreten, der wahrscheinlich nichts gewinnen wird.“ Misaki machte eine Pause und Leeland wusste, was kommen würde. „Was mich zu dir bringt.“

      „Du willst, dass ich kämpfe?“ Leeland konnte es nicht glauben.

      „Ich weiß, dass es viel verlangt ist. Und du musst nicht. Denk bitte nur darüber nach. Ich brauche das Geld für das Projekt und ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob die Leute von Smash! mich behalten werden, wenn ich keinen Ersatz finden kann. Sie wollen in die UFC und sie wollen es sofort.“

      So zog man die Daumenschrauben an. Leeland wusste, dass Misaki ihn nicht absichtlich in die Enge trieb, aber er machte es ganz sicher schwer, nein zu sagen. Während er noch versuchte, diese Bitte, die sein Onkel gerade gestellt hatte, zu begreifen, erinnerte Leeland sich an etwas Wichtiges.

      „Ich bin out und proud, Ojisan. Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war die MMA-Welt nicht sonderlich offen gegenüber Schwulen und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich das nicht geändert hat, ganz egal, was Dana White vor den Kameras sagt. Es ist immer noch kein schwuler Mann in der UFC geoutet und du und ich, wir wissen beide warum. Ich werde mich nicht wieder verstecken, nicht einmal für dich. Ich glaube nicht, dass ich das an diesem Punkt noch kann. Wenn man bedenkt, wie ich lebe, würde es ohnehin jemand herausfinden. Weiß dein Sponsor, dass du einen schwulen Mann fragst?“

      Misaki seufzte erneut, dieses Mal mit mehr Nachdruck.

      „Ja. Wie ich schon sagte, sie haben keine große Wahl und wie Samantha Jones, die PR-Dame für Smash! es so schön gesagt hat, es gibt nichts Schlimmeres als gar keine PR. Einen schwulen Kämpfer zu sponsern mag nicht ihr ursprünglicher Plan gewesen sein, aber das wird ihnen ganz gewisse eine Menge Aufmerksamkeit einbringen.“

      „Du meinst, sie wollen mich in einen schwulen Poster-Boy verwandeln?“ Leeland versuchte nicht einmal, die Wut aus seiner Stimme herauszuhalten. Wenn es eine Sache gab, die er noch mehr hasste, als zu verstecken, wer er war, dann war es, wegen dem, was er war, ausgenutzt zu werden. Warum konnten die Leute ihn nicht einfach in Ruhe lassen?

      „Nein, natürlich nicht. Du solltest mich besser kennen, Lee-kun. Ich habe Samantha bereits gesagt, dass du mit Publicity nicht glücklich bist, was sie unglücklich gemacht hat. Wir haben uns schließlich darauf geeinigt, den schwulen Aspekt nicht zu verstecken, ihn aber auch nicht zu bewerben. Je nachdem, wie erfolgreich du bist, werden die Leute ohnehin anfangen zu graben, aber mit etwas Glück werden sie den großen Fund erst gegen Ende der Saison machen.“

      „Schön. Ich werde also vielleicht oder vielleicht auch nicht der erste geoutete schwule UFC-Kämpfer sein. Wie wunderbar.“ Leeland fühlte sich so aus dem Konzept gebracht, dass er nicht einmal versuchte, den Sarkasmus aus seiner Stimme zu halten, obwohl er seinem Onkel gegenüber normalerweise nicht so respektlos war. Dass Misaki ihm das ohne weiteren Kommentar durchgehen ließ, wühlte Leeland noch mehr auf, weil es zeigte, wie verzweifelt er sein musste. „Was ist mit meinem Studium? Ich habe nur noch ein Jahr und ich kann nicht einfach so ein Freisemester beantragen.“

      Misaki klang schuldbewusst, als er antwortete. „Ich habe mich bereits bei der Miami Dade erkundigt. Die Aussicht, einen professionellen MMA-Athleten auf der Liste ihrer Studenten zu haben, hat ausgereicht, um sie sehr umgänglich zu machen. Sie werden dein Stipendium pausieren und Smash! wird dich für die Zeit bezahlen, in der du nicht studieren kannst, sodass du deswegen kein Geld verlierst.“

      Leeland war wie vom Donner gerührt. Er wusste nicht, ob er genervt oder amüsiert sein sollte, und entschied sich, seine Reaktion auf später zu verschieben.

      „Du scheinst dir ziemlich sicher zu sein, dass ich es machen werde.“

      „Um ehrlich zu sein, ja. Du weißt, dass ich dich nicht bitten würde, wenn ich eine andere Wahl hätte, aber die habe ich nicht. Außerdem bist du ein unglaublich talentierter Kämpfer, du hast bereits Wettkampferfahrung und ich weiß, dass du immer noch regelmäßig trainierst. Dich in Wettkampfform zu bringen, mag eine Herausforderung sein, je nachdem wie bald dein erster Kampf angesetzt wird, aber ich bin überzeugt, dass wir es schaffen können. Ich sehe sogar eine Chance, dass du ein paar der Kämpfe gewinnst.“

      Leeland schnaubte. „Schmeicheleien werden dir meine Kooperation nicht sichern, Ojisan. Ich werde nicht lügen, ich bin in Versuchung. Aber ich muss erst mit Jonathan reden. Wir wohnen jetzt zusammen und er hat ein Stimmrecht bei dieser Angelegenheit. So etwas Schwerwiegendes wird unser beider Leben tief beeinflussen und ich will, dass er weiß, worauf er sich einlässt und eine informierte Entscheidung trifft. Ich werde heute Abend mit ihm reden und dich morgen zurückrufen. Das ist alles, was ich im Moment versprechen kann.“

      „Und es ist mehr, als du tun musst, Lee-kun. Danke.“ Misaki legte auf und die aufrichtige Erleichterung in der Stimme seines Onkels traf Leeland tief. Misaki war ein Teil seiner Familie, genau wie seine Eltern und Jonathan und Dean und all die anderen Männer im Whisper, mit denen er Freundschaften gebildet hatte. Dem Mann nicht zu helfen, der geholfen hatte, ihn aufzuziehen, ging gegen alles, woran Leeland zu glauben gelernt hatte. Es stimmte jedoch, dass ein Profi zu werden, auch wenn es nur für eine Saison war und nicht mit dem Ziel, irgendetwas zu gewinnen – etwas, womit Leeland sich auch nicht wohlfühlte; wenn er kämpfte, dann kämpfte er, um zu siegen – ihr Leben zutiefst verändern würde. Leeland hoffte nur, dass er Jonathan alles auf eine Art erklären konnte, die es seinem Master ermöglichte, eine wohldurchdachte Entscheidung zu treffen.

      Traurig schaute Leeland auf die Soße, die auf dem Herd köchelte. Eine cremige Köstlichkeit wie diese würde unter den vielen Dingen sein, die er aufgeben musste, wenn er zustimmte, seinem Onkel zu helfen.

      Kapitel 6

      Jonathan betrat das Apartment und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Wo er normalerweise von einer entspannten Atmosphäre willkommen geheißen wurde, nahm er jetzt nervöse Energie wahr. Leeland näherte sich ihm im Flur aus Richtung der Küche, sah unruhig und unglücklich aus.

      „Boy.“ Jonathan öffnete einfach seine Arme, gestattete es Leeland, sich in seine Umarmung zu werfen. Weil Leeland so selbstständig war, kam es selten zu einer Zurschaustellung von Verletzlichkeit. Jonathan fragte sich, was seinen Boy so aufgewühlt hatte.

      „Jonathan.“ Leeland klang sowohl erleichtert als auch beunruhigt, was für Jonathan keinen Sinn ergab.

      „Was ist passiert? Ist etwas mit einem deiner Freunde? Oder auf dem College?“