Название | Mit Gottvertrauen im Gepäck |
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Автор произведения | Helene Arnet |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783039199716 |
Die Krankheit des Vaters brachte es mit sich, dass die Kinder noch mehr im Betrieb eingespannt wurden. Der älteste Sohn, Albert, erst 15-jährig, musste die Schule unterbrechen und zusammen mit der Mutter die Verantwortung für den Hof übernehmen. Die 14-jährige Annemarie half noch mehr im Haushalt. Sr. Gaudentia, die damals neun Jahre alt war, fügt an: «Wir haben uns als Kinder oft selbst organisiert.»
José sagt in Richtung seiner beiden älteren Schwestern: «Heute tut es mir leid, dass ihr so viel für uns Kleinen arbeiten musstet.» Sr. Gaudentia sagt: «Vor allem Annemarie, ich weniger. Sie ersetzte euch manchmal richtiggehend die Mutter.» Dafür habe er ihr jeweils das Bett aufwärmen müssen, erzählt José. «Ich schlüpfte in ihr kaltes Bett, schlief ein und wärmte es auf. Später kam sie und trug mich in mein eigenes Bett.» Annemarie lacht und sagt nur: «Es sind ja alle gut herausgekommen.» Das Einzige, was sie bis heute bedauere, sie zuweilen auch plage, sei, dass sie die Bezirksschule nicht habe besuchen dürfen – obwohl der Lehrer dreimal die Eltern besucht habe, um sie zu überreden, die älteste Tochter in die höhere Schule zu schicken. «Das nützte nichts, ich wurde zu Hause im Haushalt gebraucht.» Sie arbeitete nach der Sekundarschule, wie ihr Bruder Alfons, von morgens um 5 bis 13 Uhr in der Strohfabrik in Wohlen, und danach ging sie der Mutter daheim beim Haushalt zur Hand. «Wenn ich waschen musste, war ich froh, wenn der Vater den Ofen bereits eingeheizt hatte.»
Bitter wirkt Annemarie nicht, wenn sie das erzählt. Auch habe sie keinerlei Groll verspürt, als dann die Jüngere, Margrith, die Sekundarschule habe besuchen dürfen. «Die Umstände liessen es bei ihr einfach zu.» Abends sei dann aber auch noch Zeit gewesen, «uf d’Gass z’gha», wie sie, zu ihrem Bruder Alfons schauend, erzählt. Sie sei oft mit Alfons unterwegs gewesen, im Ausgang in Bremgarten. Und wenn sie zu spät nach Hause kamen, liess der Onkel sie bei sich in die Kammer schlüpfen, damit es die Eltern nicht bemerkten. Manchmal sei sie auch mit einer Freundin am Samstag die fast dreissig Kilometer mit dem Fahrrad nach Zürich gefahren, um im Kleiderladen Feldpausch einzukaufen. 1960 heiratete Annemarie, zog nach Luzern und bekam vier Kinder. Später führte sie zusammen mit ihrem Mann ein Elektrogeschäft in Dottikon.
Ich frage: «Nach wem kommt denn Sr. Gaudentia?» Wie aus der Pistole geschossen, antworten alle: «Nach der Mutter.» Beide hätten gerne bestimmt, wo es langging, sagt Annemarie, die von sich selbst sagt, sie sei eher der Vater. «Die Mutter mochte es gar nicht, wenn man ihr widersprach. Und Margrith hatte schon immer ihren eigenen Kopf.» Deshalb war ihre Beziehung zur Mutter früher nicht unbedingt eng. «Wir sind uns aber später, als ich im Spital arbeitete, sehr nahegekommen», sagt Sr. Gaudentia. «Sie hat sich stark für meine Erlebnisse in Papua-Neuguinea interessiert. Einmal, als ich ihr erzählte, wie bescheiden, oft ärmlich, die Menschen dort leben, hat sie nachdenklich gesagt, das sei bei ihr früher gar nicht so anders gewesen.» Anna Sennrich hatte ihre Mutter früh verloren und wurde danach in verschiedenen Familien untergebracht. Nicht überall war man gut zu ihr.
Man könne die acht Geschwister leicht in zwei Gruppen einteilen, sagt José: in Vater-Kinder und in Mutter-Kinder. «Die Mutter-Kinder kamen besser mit dem Vater aus, die Vater-Kinder mit der Mutter.» Annemarie nickt.
Im Laufe dieses Gesprächs in Hertenstein entsteht das Bild einer Kindheit und Jugend, in der es in erster Linie darum ging, dass die Gemeinschaft, eben die Familie, über die Runden kam. Individuelle Bedürfnisse fanden nur dann Platz, wenn sie dieses Gefüge nicht störten. So war das Leben damals wohl in vielen Bauernfamilien. «Wir haben viel voneinander gelernt», sagt Sr. Gaudentia zum Schluss. Alfons fügt hinzu: «Aber wir mussten uns immer nach oben orientieren, um mit den anderen mithalten zu können.»
«Ich werde Krankenschwester»
Sr. Gaudentia erzählt: «Als ich 14- oder 15-jährig war, dachte ich immerfort darüber nach, was ich nach der Schule machen sollte. Das plagte mich, ich wusste einfach nicht, was aus mir werden sollte. Dann, im letzten Schuljahr, hatte ich eine Blinddarmentzündung und musste ins Spital. Da besuchte mich meine Handarbeitslehrerin, und als sie so bei mir am Bett sass, sagte sie plötzlich: ‹Du würdest eigentlich eine gute Krankenschwester abgeben.› Von da an war für mich absolut klar, dass ich Krankenschwester werden wollte. Ich arbeitete danach noch in einer Bäckerei im Nachbardorf, was mir durchaus zusagte. Ich backe heute noch gern. Und dort interessierte sich auch ein junger Mann für mich, der sympathisch war. Aber das alles war für mich zweitrangig. Ich wich keinen Augenblick von meinem Ziel ab: Ich will Krankenschwester werden.»
Allerdings musste man damals 19 Jahre alt sein, um die Ausbildung zur Krankenpflegerin beginnen zu können. Deshalb ging sie, wie das damals häufig der Fall war, für ein Jahr ins Welschland, um Französisch zu lernen. Sie fand eine Anstellung in einem Kinderheim, etwas ausserhalb von Genf. Gut Französisch habe sie aber nicht gelernt, weil sie sich mit einem Mädchen aus Zürich angefreundet habe. «Es hat mir trotzdem sehr gut gefallen», sagt sie. Nach einem Jahr hätte sie eigentlich heimkehren sollen, damit ihre ältere Schwester ihr Welschlandjahr hätte antreten können. Weil diese nicht wollte, beschloss sie auf eigene Faust, noch ein Jahr anzuhängen. Annemarie war ihr dabei behilflich, eine neue Stelle zu suchen. Sie wurden schnell fündig: In einem Inserat in der Glückspost suchte eine «Madame» mit zwei erwachsenen Kindern eine junge Frau, die ihr im Haushalt helfen würde.
«Als ich am neuen Ort ankam, sagte sie mir kurz, was ich zu tun hatte, und verschwand dann. Ich war den lieben, langen Tag allein, wusch, bügelte Wäsche und putzte. Ich sah keine Menschenseele. Abends musste ich auch alleine zu Abend essen. Mir war sofort klar, dass ich das nicht wollte. Als die Madame mich nach meinem Heimatschein fragte, um mich anzumelden, gab ich ihr eine ausweichende Antwort. Bereits am nächsten Tag sah ich eine offene Stelle in einer Bäckerei in der Nähe des Bahnhofs Genf. Ich ging hin, die Bäckersfrau war einverstanden, und ich sagte, ich würde gleich morgen beginnen. Dann rief ich Annemarie an und fragte, wie ich mich verhalten solle. Sie riet mir, einen Zettel mit dem Hinweis, ich sei verreist und man solle mich nicht suchen, zu hinterlassen, wenn die Madame aus dem Haus sei. Genau so machte ich es, ich warf den Schlüssel in den Briefkasten und ging. Der neuen Madame in der Bäckerei erzählte ich, dass ich am alten Ort weggelaufen sei. Sie störte das nicht. Und von der ersten Madame hörte ich nichts mehr.»
Die Arbeit in der Bäckerei gefiel ihr, hier hatte sie Kontakt mit Menschen, und die «Herrschaft» war nett und grosszügig. Wenn jeweils am Sonntagnachmittag etwas übrig blieb, durfte sie es mitnehmen. «Ich habe das dann gut verpackt am Sonntagabend mit der Bahnpost heimgeschickt.» Diese Pakete aus Genf waren in Waltenschwil sehr willkommen – auch später, als sie schon im Spital arbeitete, seien vor allem auf der Nachtwache oft Lebensmittel übrig gewesen. «Ich machte, wenn immer möglich, Fresspäckli für José, der damals im Internat in Nuolen war.»
1958 war es dann so weit. Sie konnte mit der Lehre als Krankenpflegerin beginnen. Sie entschied sich für die Pflegerinnenschule in Sursee. Dort unterrichteten Baldegger Schwestern.
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