Название | Herzschweißen |
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Автор произведения | Conny Bischofberger |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990014639 |
Montag, 23. Dezember, 15:53 Uhr
Was löst die Verwunderung aus? Ich bin nicht so bewandert auf diesem Gebiet …
Von: Isabella Mahler
An: Christoph Regner
Montag, 23. Dezember, 16:45 Uhr
Pragmatisch, pflichtbewusst, perfektionistisch, neigt zu Prüderie …
Von: Christoph Regner
An: Isabella Mahler
Montag, 23. Dezember, 17:07 Uhr
Prüderie ist nicht gerade meine Stärke. Anstrengend, so würde ich mich beschreiben. Im positiven wie auch im problematischen Sinn. Perfekt bin ich schon gar nicht.
Ich bin schon so gespannt auf unsere Begegnung …
Christoph
Von: Isabella Mahler
An: Christoph Regner
Montag, 23. Dezember, 17:18 Uhr
»Anstrengend« gefällt mir, so werde ich auch oft charakterisiert. Noch immer 28 Tage. Ich wünschte, ich hätte, wie man in Wien sagt, eine »schiache« Zahl gewählt …
Von: Christoph Regner
An: Isabella Mahler
Montag, 23. Dezember, 17:25 Uhr
Ihre Zahlenleidenschaft sollten Sie sich nicht nehmen lassen,
das hat so einen ganz eigenen, verspielten Charme. Das strahlt so eine Leichtigkeit, Fröhlichkeit aus. Das Kind in Ihnen wird da spürbar … für mich, und es macht Sie trotz Entfernung sehr liebenswert.
Unser Pingpong, einfach so entstanden …
Hab‘ ich noch nie in dieser Form gehabt.
Mein erstes Mal …
11
Pingpong. Wie leicht und fröhlich das klang. Seit drei Wochen bestimmte dieses Spiel nun schon Isabellas Alltag. Wie kleine Bälle flogen E-Mails zwischen ihr und Regner hin und her, mal in atemberaubendem Tempo, da ging es um Minuten und Sekunden, dann wieder gönnten sie sich Pausen. Spielregeln gab es bei ihrem Pingpong keine. Ihr Austausch basierte auf Freude, Fantasie und Freiwilligkeit.
Als kleines Mädchen waren die Abenteuer eines Tischtennisballs namens »Pong« der Inhalt ihres Lieblingsbuchs gewesen, sie hatte es Jahrzehnte später in einem Antiquariat entdeckt und nachgekauft. Der kleine Tennisball hatte ein Gesicht, ein Smiley, wie es viele Jahre später hieß. Er hüpfte auf Dächer, schwamm auf Flüssen, versteckte sich im Gras und fuhr als blinder Eisenbahn-Passagier in fremde Städte. Seine Reisen lösten bei Bella Sehnsucht nach der Ferne aus. Und nun fühlte sie beim Gedanken an »Pong« wieder etwas Abenteuerliches in ihr.
Ein Tischtennis-Weltmeister, der in China wie ein Gott verehrt wurde und mit dem sie ein Interview geführt hatte, vertraute ihr in dem Gespräch an, dass er als Kind Pingpong üben musste. Stundenlang Pingpong, jeden Tag. Er wurde dazu gezwungen. Mit seelischer und körperlicher Gewalt. Diese Passage strich sie aus dem Originaltext, aus Rücksicht auf den Vater, der damals noch gelebt hatte. Der Spitzensportler war ihr dafür sehr dankbar gewesen. Obwohl sie dafür bezahlt wurde, das zu veröffentlichen, was sie erfuhr, war es manchmal richtig, Dinge nicht zu schreiben. Isabella hatte den Tischtennis-Spieler schließlich gefragt, ob das Leben ein Pingpong-Spiel sei. Seine Antwort: »Ich weiß nur, dass Pingpong mein Leben ist.«
Dieses Gefühl hatte Isabella auch. Pingpong war jetzt zumindest Teil ihres Lebens. Sie freute sich über jeden Ball, jede Nachricht, jedes neue Detail, das sie über Regner erfuhr, und empfand es stets aufs Neue als großes Geschenk. Die kleinen Missverständnisse, ihre Zahlenspiele, das Atmosphärische, das zwischen den Zeilen spürbar wurde, zu erleben – auch für sie »das erste Mal« – war ein schönes, nie gekanntes Gefühl. Es gab ihrem Leben das gewisse Etwas, aber eigentlich das gewisse Alles.
Es flößte ihr aber auch Angst ein. Jedes Spiel endete einmal. Konnten sie es dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen? Ein zweites Mal so leicht und fröhlich drauflosspielen? Wurde es irgendwann langweilig? Verlor es seinen Charme? Blieb einer von ihnen nach dem letzten Ping zurück und wartete vergeblich auf das Pong? Sie wollte sich das gar nicht vorstellen.
Außerdem hatte sie an diesem Freitag noch ein Rendezvous mit dem ranghöchsten Politiker des Landes. Die Journalistin Isabella Mahler wurde in dessen Amtssitz, der Hofburg, erwartet, durfte über den roten Teppich des Leopoldinischen Traktes schreiten. Im ehemaligen Schlafgemach von Kaiserin Maria Theresia würde sich die legendäre Tapetentür öffnen, der Bundespräsident heraustreten und sie freundlich empfangen. Das Zeremoniell war ihr bereits vertraut, der Mensch hinter dem Amtsträger ebenso. Sie hatte den Präsidenten schon interviewt, als er noch barfuß an seinem Froschteich im Südburgenland saß – als Bundessprecher der »Grünen«.
Auch seinem Vorgänger in der Hofburg war Isabella Mahler oft gegenübergesessen. In dessen Sommersitz auf der Hohen Wand, einem beliebten Wiener Ausflugsziel, blickten sie an einem Augustmorgen auf die Berge, das Gespräch hatte durch das private Ambiente eine sehr persönliche Note angenommen. Der Ort, an dem ein Interview stattfindet, beeinflusst nicht nur die Atmosphäre, er bestimmt oft auch den Inhalt wesentlich mit.
Isabellas Söhne waren damals noch im Volksschulalter, weshalb sie im Sommer, wenn keine Schule war, zu ihrer Interviewserie »Politiker im Urlaub« oft mit einem von ihnen anreiste. Ihr Herausgeber hatte nichts dagegen, »wir sind eine Familie«, sagte er oft, und deshalb war es selbstverständlich, dass man seine Kinder in die Arbeit mitnehmen konnte, oder, wenn die Interviewpartner einverstanden waren, zu den Terminen. Die Anwesenheit eines Kindes lockerte die Stimmung von Beginn an auf. Wie es auch die Anwesenheit von Katzen oder Hunden vermag. Und es kam dabei immer zu lustigen Situationen.
Als der Bundespräsident Isabellas Sohn ganz stolz sein damals neuestes Nokia-Handy mit Foto-Funktion zeigte, zog der Kleine sein Telefon aus der Hosentasche und sagte: »Cool! Aber mein Handy kann filmen!«
Irgendwie kamen sie an jenem Vormittag auf Ameisen zu sprechen. Der Bundespräsident zeigte Isabella und ihrem Sohn seinen Ameisenhaufen, er bewunderte diese Tiere über alles. Ihre Geschäftigkeit, ihre Gabe, immer auf dem kürzesten Weg ans Ziel zu kommen, ihre dezentrale Organisationsform, die Schwarmintelligenz. »Ein Mensch ist intelligent, aber niemand ist so dumm wie alle Menschen zusammen« – diese Regel galt nicht für Ameisen. Außerdem, erklärte der Präsident, könne man durch das Verhalten dieser Tiere das Wetter voraussagen. »Im Moment laufen sie emsig und nervös herum, das heißt, es könnte heute noch regnen.«
»Ich habe zuhause drei Meerschweinchen«, sagte Isabellas Sohn, der aufmerksam zugehört hatte, schließlich.
»Da kannst du vielleicht ein bisschen Heu brauchen«, meinte der Präsident und ging mit dem Kind in einen Schuppen. Dort stopften sie gemeinsam Heu in einen Jutesack.
»Und was mach ich dann mit dem Sack?«, fragte das Kind. »Den bringst du mir in die Hofburg«, lachte der Präsident und so war es auch.
Auf gemeinsame Erinnerungen aufbauen zu können war jedenfalls eine optimale Voraussetzung für das Gelingen eines Gesprächs. Die vertrauensvolle Atmosphäre war bereits da, Isabella musste sich darum gar nicht mehr bemühen. Das war auch bei ihrem Feiertagsinterview ein großer Startvorteil gewesen.
Als sie eineinhalb Stunden später die Hofburg verließ und in der Ferne das weihnachtlich geschmückte Burgtheater und Rathaus sah, war sie dankbar und auch ein bisschen stolz. Sie konnte jetzt die Früchte jahrzehntelanger Arbeit ernten. All die Anstrengungen, das Festhalten an Prinzipien, das Ringen um Qualität, die eiserne Disziplin hatten sich bezahlt gemacht.
Sing us a song, you’re the piano man.
Sing us a song tonight.
Wie sie dieses Lied von Billy Joel liebte. Isabella hatte die AirPods angesteckt und bewegte sich zu den Takten der Musik Richtung Burgring. Dort stieg sie in die Straßenbahn, Linie eins, Richtung Prater Hauptallee.
Well,