Название | Herzschweißen |
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Автор произведения | Conny Bischofberger |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990014639 |
»Ach Süße«, seufzte Kathi und bestellte die Rechnung.
Als Isabella vom Opernring in Richtung dritter Bezirk fuhr, konnte sie ihre Angst ganz deutlich spüren, aber auch etwas anderes. Eine seltsame Mischung aus Mut und Freude.
In diesem Moment begann es am Abendhimmel von Wien sanft zu schneien.
5
Von: Isabella Mahler
An: Christoph Regner
Montag, 2. Dezember, 13:12 Uhr
Sehr geehrter Herr Regner,
ich habe Sie am Freitag in »Guten Morgen Österreich« gesehen.
Bitte nicht falsch verstehen, wenn ich Ihnen das jetzt schreibe. Die Geschichte mit den zwei Jugendlichen aus Guinea hat mich sehr berührt, noch mehr aber die Art, wie Sie sie erzählt haben.
Liebe Grüße
Isabella Mahler
Von: Christoph Regner
An: Isabella Mahler
Montag, 2. Dezember, 14:56 Uhr
Sehr geehrte Frau Mahler,
so eine herzliche Rückmeldung von Ihnen zu erhalten, das hätte ich nie erwartet. Tut der Seele echt gut …
Danke dafür und jetzt ganz ehrlich: Ich finde Ihre Interviews auch berührend, von Menschlichkeit und Respekt getragen, dennoch hinterfragen Sie stets kritisch. So finden Ihre GesprächspartnerInnen auch das Zutrauen, ihre Alltagsmaske abzulegen und sich ein Stück weit zu zeigen.
Alles Liebe
Christoph Regner
Von: Isabella Mahler
An: Christoph Regner
Dienstag, 3. Dezember, 12:03 Uhr
Sehr geehrter Herr Regner,
danke, dass Sie mir so lieb zurückschreiben. Ich musste an Kreisky denken, der gesagt haben soll: Sie wissen gar nicht, wie viel Lob ich vertragen kann!
Nein, im Ernst: Die »Welt der Schmerzen«, wie Sie es genannt haben, so zu erklären, dass sie fühlbar wird, ist schon eine Gabe.
Vielleicht ergibt sich ja einmal die Gelegenheit, dass wir einander begegnen. Ich würde mich sehr darüber freuen.
Liebe Grüße
Isabella Mahler
Von: Christoph Regner
An: Isabella Mahler
Dienstag, 3. Dezember, 17:17 Uhr
Sehr geehrte Frau Mahler,
vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, das haben
Sie sehr behutsam formuliert.
Ich würde mich auch freuen, Sie »analog« kennenzulernen. Leben ist Begegnung …
Haben Sie ein Lieblingscafé?
Mit lieben Grüßen
Christoph Regner
Von: Isabella Mahler
An: Christoph Regner
Mittwoch, 4. Dezember, 22:07 Uhr
Sehr geehrter Herr Regner,
mein Lieblingscafé ist eigentlich das Les Deux Magots in Paris. In Wien mag ich das Café Rathaus und das Westend. In der »Blu Style« im Hotel Radisson Blu werde ich übernächsten Donnerstagnachmittag bei der Feuerstelle Paulo Coelho interviewen. Spricht Sie da was an?
Isabella Mahler
Von: Christoph Regner
An: Isabella Mahler
Donnerstag, 5. Dezember, 10:48 Uhr
Sehr geehrte Frau Mahler,
ich hab mir oft gewünscht, das Amnesty-Haupthaus wäre in Paris, nicht in London.
Das Les Deux Magots kenne ich nur aus der Literatur. Coelho war Mitglied der antikapitalistischen »Alternativen Gesellschaft«, das spricht mich an.
Also werden wir einander auch bei der Feuerstelle im »Blu Style« begegnen? Bleibt nur noch die Frage, wann. Vor Weihnachten ginge bei mir noch der 12.12.
Sonst im neuen Jahr?
Mit lieben Grüßen
Christoph R.
Von: Isabella Mahler
An: Christoph Regner
Donnerstag, 5. Dezember, 12:41 Uhr
Sehr geehrter Herr Regner,
der 12.12. hätte mir gut gefallen, weil ich schöne Zahlen sehr mag. Aber an diesem Abend ist die Weihnachtsfeier unserer Redaktion. Am zweitschönsten nach dem 01.01.2020 finde ich eigentlich den 12.01.2020 – 120-120-20 – das ist ein Sonntag. Der 20.01.2020 gefällt mir auch gut. Ich lasse Ihnen den Vortritt.
Liebe Grüße
Isabella Mahler
Von: Christoph Regner
An: Isabella Mahler
Freitag, 6. Dezember, 00:08 Uhr
Liebe Frau Mahler,
20.01.2020 passt, um 20:01 Uhr dann wohl.
Ich wünsche Ihnen besinnliche, friedvolle Weihnachten.
Alles Liebe
Christoph Regner
6
Isabella spürte etwas Feuchtes an ihrer Wange. Sie öffnete langsam ihre Augen und wusste nicht, wer und wo sie war. In dieser ersten Sekunde nach dem Aufwachen gab es keine Zeit und keinen Raum, sie schwebte noch in der Traumwelt, es war ein Moment größter Verletzlichkeit. Prinzessin hatte sie angestupst und aufgeweckt, wie jeden Morgen. Schlaftrunken streichelte Isabella ihr zartes Fell, während die Tigerkatze sich wohlig an ihren Körper schmiegte und laut schnurrte. In der »Zeit« hatte sie gelesen, dass eine schnurrende Katze sich nicht immer wohlfühlt. Dass Schnurren oft eine Methode sei, mit der sich Katzen in stressigen Situationen selbst beruhigen. So selig, wie Prinzessin neben ihr lag, und ihr noch ein paar Minuten Dösen vor dem Füttern gönnte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie gerade Stress abbaute. »Ich steh ja schon auf«, murmelte Isabella, als Prinzessin erneut die feuchte Nase an ihre Stirn rieb. Mogli streckte sich, er wusste, das Katzenfrühstück war nah.
Irgendetwas war anders an diesem Morgen. Geträumt hatte sie nicht, das machte den Start in den Tag schon mal leichter. Wenn sie geträumt hatte, versuchte sie immer, der Bedeutung des Traumes sofort auf den Grund zu gehen. Das beschäftigte sie oft den halben Vormittag, mitunter ohne Erfolg. Auf dem Weg in die Wohnküche horchte Isabella in sich hinein. Sie spürte eine leise Aufregung, eine undefinierbare Erwartung, als sie zum Kühlschrank ging, um Topfen zu holen. In einem tiefen Teller zerquetschte sie eine Banane mit der Gabel, mischte den Topfen, Honig und geschrotete Leinsamen dazu und gähnte. Während die elektrische Kaffeemühle surrte, fiel ihr das E-Mail ein, das um 0.08 Uhr in ihrem Posteingang aufschien. Christoph Regner. Sie hatte ein Rendezvous, das war es!
Nach dem ersten Kaffee wurde ihr das Ausmaß der nächtlichen Vereinbarung so richtig bewusst. Der Mann, der sie mit seinem Fernsehauftritt aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen hatte, wollte sie treffen. Seine E-Mails hatten von Anfang an eine sehr persönliche Note gehabt. Es schwang in ihnen noch etwas anderes mit als bloßes Interesse. Etwas, das sie sehr nervös machte. Auch wenn es noch eine Ewigkeit war bis zum 20. Januar, fühlte Isabella jetzt schon Panik. Wozu das Ganze? Sie suchte keinen Mann, sie hatte eigentlich für so etwas gar keine Zeit. Sogar wenn sie sich mit Bekannten treffen wollte, kam meistens etwas dazwischen. Deshalb war es kompliziert, mit ihr befreundet zu sein. Außerdem hatte sie Angst.
Isabella schlüpfte in ihre Jogging-Pants, schnappte sich ein weißes Thermoshirt und suchte ihre Laufschuhe. Bewegung würde ihr guttun. Sie rannte hinunter zum