Geist & Leben 4/2018. Echter

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Название Geist & Leben 4/2018
Автор произведения Echter
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783429063764



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mit ihrer Bildsprache vom Hirten und König, von Schönheit und Geruch, von Stimme und Berührung des Geliebten, gerade nicht eine Allegorie oder ein Bild für die Gottesliebe. Sie beschreiben die Gottesliebe, wie Franz Rosenzweig ausführt, weil sie auf den realen Ort verweisen, wo die Beziehung mit Gott erfahrbar wird.11

      Aus der christlichen Mystik des Mittelalters ist die Tradition des Hohenliedes und seiner Fortschreibung nicht wegzudenken. Es sei nur an die umfangreichen Predigten zum Hohelied des Bernhard von Clairvaux erinnert, worin er zum Beispiel Küsse spirituell deutet. Auch Johannes vom Kreuz hat spanische Liebeslyrik vom Schönsten hervorgebracht, sei es in seiner (Nach-)Dichtung des Hohelieds oder in seinen geistigen Liebesliedern. Teresa von Avila wiederum beschreibt ihre mystische Verlobung und Vermählung in unüberhörbar sexuell klingenden Bildern. Brautmystik ist aber vor allem in Frauenklöstern des Spätmittelalters anzutreffen. Ihre Texte sprechen von einer Beziehung mit Gott oder Christus, deren Beschreibung wörtlich auf menschliche Beziehungen übertragen werden könnte. Die intime Beziehung von Maria Magdalena zu Jesus und die Johannes-Minne, die sich auf den Jünger beruft, den Jesus liebte und der beim Abendmahl an seiner Brust lag, sind zwei weitere Topoi, um die spirituelle Beziehung zu Christus in erotischer Weise auszudrücken. Schließlich ist der Liebeshymnus von Paulus aus dem Korintherbrief zu nennen, der heute oft in Brautmessen vorgetragen wird. (1Kor 13) Paulus selbst war bekanntlich nicht verheiratet und auf eine sexuelle Beziehung verzichtete er. (1 Kor 7,7) In seinem Hymnus aber schaut er Lieben, Erkennen und Erkannt-Werden zusammen und bindet sie in einen Wachstumsprozess ein. Damit steht er in altbiblischer Tradition. Seine eigene Liebe zu Christus, von der ihn niemand trennen kann (vgl. Röm 8,35), ist von einer existenziell-erotischen Mystik getragen. Die Liebe Christi hat ihn mit allen Sinnen und in seiner ganzen Leiblichkeit erfasst.

      Um zusammenfassend zu schließen: Viele Mystiker(innen) sind grosse Erotiker(innen). Sie sind durch die vitale, sexuelle Kraft über sich hinaus auf die absolute Liebe hin getrieben und von ihr überwältigt. Das Gefühl, Raum und Zeit zu überschreiten, in einem sinnerfüllten Augenblick geborgen und von wahrnehmbarer Liebe bejaht zu sein, ist der sexuellen wie der mystischen Erfahrung eigen. In beiden geht es um ein schmerzvoll-trostreiches Erleben von Hingabe, Tod und Leben zugleich. Dass sich auf dem Meditationsweg und in der Suche nach mystischer Erfahrung die sexuell-erotische Kraft besonders zeigt, ist jedem/jeder bekannt, der/die Menschen auf dem inneren Weg begleitet. Die Grenzen zwischen geistig-geistlicher, erotisch-körperlicher, emotionaler und sexueller Strebekraft sind fließend. Ihr Zusammenspiel variiert in einzelnen Biographien und Lebensphasen enorm. Vergleicht man mystische Texte von Gotteserfahrungen mit der Sehnsucht nach der absoluten Liebe in Paarbeziehungen, wie dies der Paartherapeut Jürg Willi getan hat, sind die Analogien offensichtlich.12 Nicht wenige der Männer und Frauen, die als herausragende Mystiker und Mystikerinnen gelten, hatten denn auch sexuelle Erfahrungen oder intensive Freundschaften.13 Andere lebten aus ihrer erotischen Liebesbeziehung mit Gott, die sie in sexualitätsaffine Bilder und Sprache brachten. Für sie ist die geistig-geistliche Beziehung und Vereinigung mit Gott prägende Realität, die ihren Körper bis in die tiefste, emotionale Erregung durchdrungen hat. Sie alle stimmten dem berühmten Augustinuswort zu: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Dir.“14

      1 C. Rutishauser, Sexualität und spirituelles Wachstum, in: Leidfaden. Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer (2/2018), 4-10.

      2 Hier zitiert nach dem Katechismus der röm.-kath. Kirche, Nr. 1015.

      3 Viertes Hochgebet der röm.-kath. Kirche.

      4 C. Rutishauser, Das Fest der Beschneidung Jesu. Ein Plädoyer für dessen Rückgewinnung, in: Ders., Christlichen Glauben denken. Im Dialog mit der jüdischen Tradition (Forum Christen und Juden, Bd. 15). Münster – Wien – Zürich 2016, 233–248.

      5 Vgl. G. Toussaint, Das Passional der Kunigunde von Böhmen. Bildrhetorik und Spiritualität. Paderborn – München – Wien – Zürich 2003, 181–185.

      6 S. dazu E. Drewermann, Die Tobit-Legende: Eros, Repression und Befreiung, in: H. A. Kick (Hrsg.), Eros und Grenzsituation. Von der Verliebtheit zur Beziehungskultur (Affekt-Emotion-Ethik, Bd. 4). Münster 2006,127-152.

      7 Auch wenn Joh 4,7–26 heute als einheitlicher Text mit biblischen intertextuellen Verweisen gelesen wird, fehlt die hier vorgelegte therapeutisch-spirituelle Sichtweise fast gänzlich. Vgl. J. Beutler, Das Johannesevangelium. Kommentar. Freiburg – Basel – Wien 22016, 155–163.

      8 Gaudium et Spes Nr. 50; CIC 1055 §1.

      9 Vgl. das hilfreiche Schema von William R. Stayton, vorgestellt in: J. H. Timmerman, Sexuality and Spiritual Growth. New York 1992, 56 ff.

      10 Mishna Yadaim, 3,5.

      11 F. Rosenzweig, Der Stern der Erlösung. Frankfurt a. M. 1990, 221–228.

      12 „liebeskrank” – Die Sehnsucht nach der absoluten Liebe. Audio CD. Auditorium Netzwerk 2004.

      13 E. Pahud de Mortanges, Unheilige Paare? Liebesgeschichten, die keine sein durften. München 2011; s. auch: H. Wohlgschaft, Unsterbliche Paare. Eine Kulturgeschichte der Liebe. Von der Antike bis zur Renaissance. Bd. 1. Würzburg 2015.

      14 Augustinus, Bekenntnisse. Buch I, 1.1.

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