Geist & Leben 4/2018. Echter

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Название Geist & Leben 4/2018
Автор произведения Echter
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783429063764



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die zwar noch nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber sehnlich den Empfang der Sakramente wünschen, von sich aus da rum bitten und den Glauben bezeugen, den die katholische Kirche in diesen Sakramenten bekennt“ (Nr.16). Hier wird die kirchenrechtlich vorgesehene Situation einer schweren Notlage weitergeführt im Blick auf eine geistliche Notlage, die durch den Begriff eines inneren desiderium ausgedrückt wird. Entscheidend für die Kommuniongemeinschaft ist nicht eine äußere Notsituation, sondern eine innere Sehnsucht des Herzens, verbunden mit dem Glauben an diese Sakramente.2 Der Begriff der Sehnsucht ist dabei nicht auf eine psychologische „Befindlichkeit“ zu reduzieren, sondern spannt einen Bogen, der vom Dürsten des biblischen Betenden (Ps 63) und dem Seufzen der gesamten Kreatur (Röm8) über Augustinus’ Formel vom unruhigen Herzen, das in Gott Ruhe findet (Bekenntnisse I,1), bis hin zum naturhaften Sehnen nach der Gottesschau bei Thomas von Aquin (desiderium naturale) reicht. Zugleich gibt die Orientierungshilfe der Sehnsucht nach eucharistischer Gemeinschaft einen sakramententheologischen und ekklesiologischen Ort. Weil die Eheleute durch die Taufe und das Sakrament der Ehe miteinander verbunden sind, bilden sie „eine Art Hauskirche“ (LG 11). „Keine Kirche kann aber ohne Eucharistie sein. Wie die Kirche aus der Eucharistie lebt, so ist – wie Amoris laetitia betont – für die christliche Ehe die ‚Nahrung der Eucharistie‘ (…) Kraft und Anreiz, den Ehebund jeden Tag als ‚Hauskirche‘ zu leben (AL 318, unter Verweis auf LG 11)“ (Nr. 29). Kann die Sehnsucht nach eucharistischer Gemeinschaft auch über den Fall einer konfessionsverbindenden Ehe hinaus Kommuniongemeinschaft ermöglichen? Klaus Mertes SJ hat im Blick auf die Gedenkstätten der ökumenischen Märtyrer des 20. Jh. von „Löseorten“ gesprochen, an denen eine im Blut bezeugte Einheit des christlichen Bekenntnisses verwirklicht ist, die eine Trennung im eucharistischen Sakrament nicht mehr zulässt. Ähnliches könnte meiner Meinung nach für die von Jean Vanier gegründete Gemeinschaft der Arche und ihre tiefe Lebens- und Glaubensgemeinschaft gelten, aber auch für christliche Gemeinden und Gemeinschaften, die gemeinsam einen intensiven ökumenischen Weg gehen. Die Einheit im Sakrament der Taufe, welche die Christgläubigen bereits auch ekklesiologisch zu einem Leib Christi verbindet, drängt auf die Gemeinschaft im Abendmahl: „Die Kirchengemeinschaft gründet in der Taufe. (…) Sie ist ‚ein sakramentales Band der Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind. Dennoch ist die Taufe nur ein Anfang und Ausgangspunkt, da sie ihrem ganzen Wesen nach hinzielt auf die Erlangung der Fülle des Lebens in Christus. Daher ist die Taufe hingeordnet auf das vollständige Bekenntnis des Glaubens, auf die völlige Eingliederung in die Heilsveranstaltung, wie Christus sie gewollt hat, schließlich auf die vollständige Einfügung in die eucharistische Gemeinschaft (UR 22)“ (Nr. 13). Damit ist an der vollen Einheit der Kirchen als Ziel festgehalten, ohne auszuschließen, dass es Orte geben kann, an denen eine eucharistische Gemeinschaft möglich ist, wo Gläubige zu dem dargereichten „Leib Christi“ und zur Kirche als dem „Leib Christi“ ein Amen sprechen zu können.

      1 Mit Christus gehen – Der Einheit auf der Spur. Konfessionsverbindende Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie. Orientierungshilfe (20. Februar 2018), URL: https://www.dbk.de/fileadmm/redakti-on/diverse_downloads/dossiers_2018/08-Orientierungshilfe-Kommunion.pdf (Stand: 24.07.2018).

      2 Vgl. W. Kasper, Eine Lösung ist möglich, in: HK 7 (2018), 13–14.

      Antonio Allende SJ | Madrid

      Bildungsbeauftragter der Jesuiten in Spanien

       Ignatianische Spiritualität in der Familie

       Fünf Regeln1

      Ist es verfehlt, den Begriff „Ignatianische Familie“ zu verwenden, wenn man sinngemäß das zusammenfassen will, was der heilige Ignatius über die Familie gesagt hat? Einerseits leben viele ihr Familienleben auf Basis der ignatianischen Spiritualität. Anderseits ist das Thema nicht etwas, wofür der heilige Ignatius sehr berühmt gewesen wäre. Dazu kommt, dass profunde, ernsthaftere Studien, die den Reichtum der ignatianischen Spiritualität für das Leben in der Familie zeigen, fehlen.

      Das Anliegen dieses Beitrags ist darum sehr schlicht: Wir fragen uns, welche ignatianischen Weisheiten helfen können, das Evangelium in unseren Familien zu leben. Es wird sich zeigen, dass es nicht sehr viele Unterschiede zu anderen Ansätzen von christlichem Familienleben gibt, wenn man auf Basis des Evangeliums lebt. Aber es ist einen Versuch wert, das, was wir in diesen 500 Jahren Gutes über eine gesunde Familie gelernt haben, zu reflektieren und mit der ignatianischen Spiritualität ins Gespräch zu bringen.

       „Regeln“

      Wenn im Folgenden von „Regeln“ gesprochen wird, sind diese als Fährten zu verstehen. Sie helfen, sich im Spiel des Lebens zurechtzufinden, es zu genießen, die zukünftigen „Spielzüge“ zu planen sowie die Gegenwart zu verstehen. Die ignatianischen „Regeln“ geben uns Leitlinien, um zu wählen, aber sie sind keine in sich geschlossenen Wege.2 Eine Eigenschaft der ignatianischen Spiritualität ist die Flexibilität. Der heilige Ignatius stellte in der Ordensgründung klare Regeln für das alltägliche Leben der Jesuiten auf. Ebenso gab er sehr konkrete Anweisungen in seinen Briefen, wie jemand seine bestimmte Mission erfüllen sollte. Gleichzeitig lässt er aber auch jedem Menschen Raum, um selbst zu entscheiden, was es an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Lebenslage braucht.

      Dasselbe passiert auch in unseren Familien. Wir alle wissen, was wir für unsere Kinder wollen, was gut für sie ist, aber manchmal müssen wir auch realistisch sein und dem im Moment Wichtigen Raum geben. Nochmals: Diese Regeln dienen als Landkarte, als Koordinaten, um zu wissen, wo wir uns befinden und wo wir hin sollen, begünstigt durch gute Winde oder manchmal auch Wirbelstürme.

      Noch eine letzte Vorbemerkung: Die Idee der christlich-ignatianischen Familie, die uns vorschwebt, weist Gemeinsamkeiten zum Konzept der „Haus-Kirche“ auf. Dieses Konzept umfasst wesentliche Punkte der sog. traditionellen Familie und öffnet diese zugleich für die Bedürfnisse einer größeren Welt. Familien sollten sich nicht in kleinen Kreisen nur sich selbst liebend verschließen, sondern in guter Verbindung zu anderen Familien und der größeren Gesellschaft stehen: „Wir brauchen Großfamilien einer neuen Art. Damit Kernfamilien überleben können, müssen sie sich in einen größeren generationsübergreifenden familiären Zusammenhalt einfügen, in dem die Großmütter und Großväter eine wichtige Funktion entwickeln, in interfamiliären Kreisen von Nachbarn und Freunden, wo die Kinder auch in Abwesenheit der Eltern einen Zufluchtsort haben, und die alleinstehenden Alten, die Geschiedenen und alleinstehenden Eltern eine Form von Zuhause finden. Die spirituellen Gemeinschaften stellen oft einen Raum und ein spirituelles Klima für die familiären Gemeinschaften bereit. Anzeichen einer ‚Haus-Kirche‘ sind auch Gebetsgruppen, katechetische oder ökumenische Bibelgruppen.“3

       Regel 1: Vor der Frage, ob man dies oder das tun soll, ist zu klären, wer Gott für mich ist.

      Wer über eine beliebige menschliche Situation nachdenkt, um sie im Licht des Evangeliums zu deuten, sollte mit dieser Frage beginnen, oder, ignatianisch formuliert, mit dem Gründungswort des Jesuitenordens: curet primo deum. Blicken wir also zuerst auf unser Fundament, nämlich die Gewissheit, in Gottes Händen zu sein, und was es ist, das unserem Leben Sinn gibt. Von dorther haben wir eine Vertrauensbasis im Leben und die Gewissheit, dass alles Erschaffene gut ist, zu unserem Wohl und für das Gemeinwohl der ganzen Menschheit bestimmt ist. Darin verbirgt sich eine Sicherheit, zu der wir nur gelangen, wenn wir uns entscheiden, diesen Vertrauenssprung zu wagen, um dann im Glauben voranzugehen, dass das, woran wir glauben, auch möglich wird.

      In diesem Sinn bedeutet Glaube zuerst tatsächlich zu glauben – das Sehen folgt danach. Zwei Menschen mit der starken Überzeugung, ein lebendiges gemeinsames Projekt realisieren zu können, schließen sich zusammen. Zugleich sind sie neuem Leben gegenüber offen. Das passiert nicht nur am Beginn des gemeinsamen Lebens, sondern in ihrem gesamten weiteren Leben, wenn