Название | Geist & Leben 4/2018 |
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Автор произведения | Echter |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783429063764 |
1 Mit Christus gehen – Der Einheit auf der Spur. Konfessionsverbindende Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie. Orientierungshilfe (20. Februar 2018), URL: https://www.dbk.de/fileadmm/redakti-on/diverse_downloads/dossiers_2018/08-Orientierungshilfe-Kommunion.pdf (Stand: 24.07.2018).
2 Vgl. W. Kasper, Eine Lösung ist möglich, in: HK 7 (2018), 13–14.
Antonio Allende SJ | Madrid
Bildungsbeauftragter der Jesuiten in Spanien
Ignatianische Spiritualität in der Familie
Fünf Regeln1
Ist es verfehlt, den Begriff „Ignatianische Familie“ zu verwenden, wenn man sinngemäß das zusammenfassen will, was der heilige Ignatius über die Familie gesagt hat? Einerseits leben viele ihr Familienleben auf Basis der ignatianischen Spiritualität. Anderseits ist das Thema nicht etwas, wofür der heilige Ignatius sehr berühmt gewesen wäre. Dazu kommt, dass profunde, ernsthaftere Studien, die den Reichtum der ignatianischen Spiritualität für das Leben in der Familie zeigen, fehlen.
Das Anliegen dieses Beitrags ist darum sehr schlicht: Wir fragen uns, welche ignatianischen Weisheiten helfen können, das Evangelium in unseren Familien zu leben. Es wird sich zeigen, dass es nicht sehr viele Unterschiede zu anderen Ansätzen von christlichem Familienleben gibt, wenn man auf Basis des Evangeliums lebt. Aber es ist einen Versuch wert, das, was wir in diesen 500 Jahren Gutes über eine gesunde Familie gelernt haben, zu reflektieren und mit der ignatianischen Spiritualität ins Gespräch zu bringen.
„Regeln“
Wenn im Folgenden von „Regeln“ gesprochen wird, sind diese als Fährten zu verstehen. Sie helfen, sich im Spiel des Lebens zurechtzufinden, es zu genießen, die zukünftigen „Spielzüge“ zu planen sowie die Gegenwart zu verstehen. Die ignatianischen „Regeln“ geben uns Leitlinien, um zu wählen, aber sie sind keine in sich geschlossenen Wege.2 Eine Eigenschaft der ignatianischen Spiritualität ist die Flexibilität. Der heilige Ignatius stellte in der Ordensgründung klare Regeln für das alltägliche Leben der Jesuiten auf. Ebenso gab er sehr konkrete Anweisungen in seinen Briefen, wie jemand seine bestimmte Mission erfüllen sollte. Gleichzeitig lässt er aber auch jedem Menschen Raum, um selbst zu entscheiden, was es an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Lebenslage braucht.
Dasselbe passiert auch in unseren Familien. Wir alle wissen, was wir für unsere Kinder wollen, was gut für sie ist, aber manchmal müssen wir auch realistisch sein und dem im Moment Wichtigen Raum geben. Nochmals: Diese Regeln dienen als Landkarte, als Koordinaten, um zu wissen, wo wir uns befinden und wo wir hin sollen, begünstigt durch gute Winde oder manchmal auch Wirbelstürme.
Noch eine letzte Vorbemerkung: Die Idee der christlich-ignatianischen Familie, die uns vorschwebt, weist Gemeinsamkeiten zum Konzept der „Haus-Kirche“ auf. Dieses Konzept umfasst wesentliche Punkte der sog. traditionellen Familie und öffnet diese zugleich für die Bedürfnisse einer größeren Welt. Familien sollten sich nicht in kleinen Kreisen nur sich selbst liebend verschließen, sondern in guter Verbindung zu anderen Familien und der größeren Gesellschaft stehen: „Wir brauchen Großfamilien einer neuen Art. Damit Kernfamilien überleben können, müssen sie sich in einen größeren generationsübergreifenden familiären Zusammenhalt einfügen, in dem die Großmütter und Großväter eine wichtige Funktion entwickeln, in interfamiliären Kreisen von Nachbarn und Freunden, wo die Kinder auch in Abwesenheit der Eltern einen Zufluchtsort haben, und die alleinstehenden Alten, die Geschiedenen und alleinstehenden Eltern eine Form von Zuhause finden. Die spirituellen Gemeinschaften stellen oft einen Raum und ein spirituelles Klima für die familiären Gemeinschaften bereit. Anzeichen einer ‚Haus-Kirche‘ sind auch Gebetsgruppen, katechetische oder ökumenische Bibelgruppen.“3
Regel 1: Vor der Frage, ob man dies oder das tun soll, ist zu klären, wer Gott für mich ist.
Wer über eine beliebige menschliche Situation nachdenkt, um sie im Licht des Evangeliums zu deuten, sollte mit dieser Frage beginnen, oder, ignatianisch formuliert, mit dem Gründungswort des Jesuitenordens: curet primo deum. Blicken wir also zuerst auf unser Fundament, nämlich die Gewissheit, in Gottes Händen zu sein, und was es ist, das unserem Leben Sinn gibt. Von dorther haben wir eine Vertrauensbasis im Leben und die Gewissheit, dass alles Erschaffene gut ist, zu unserem Wohl und für das Gemeinwohl der ganzen Menschheit bestimmt ist. Darin verbirgt sich eine Sicherheit, zu der wir nur gelangen, wenn wir uns entscheiden, diesen Vertrauenssprung zu wagen, um dann im Glauben voranzugehen, dass das, woran wir glauben, auch möglich wird.
In diesem Sinn bedeutet Glaube zuerst tatsächlich zu glauben – das Sehen folgt danach. Zwei Menschen mit der starken Überzeugung, ein lebendiges gemeinsames Projekt realisieren zu können, schließen sich zusammen. Zugleich sind sie neuem Leben gegenüber offen. Das passiert nicht nur am Beginn des gemeinsamen Lebens, sondern in ihrem gesamten weiteren Leben, wenn