Geist & Leben 4/2018. Echter

Читать онлайн.
Название Geist & Leben 4/2018
Автор произведения Echter
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783429063764



Скачать книгу

Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,

       Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt,

       nicht einmal in euren Träumen.

       Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu

       machen.

       Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.

       Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.

       Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,

       und er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.

       Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;

       Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.“

      Dieser Text lädt ein, den eigenen Platz in der Mission der Erziehung unserer Kinder zu finden. Kinder sind zuallererst Kinder Gottes, also mit Respekt zu behandeln. Sie benötigen ein Nest, wo sie sich geschützt, verstanden und geliebt fühlen, aber auch einen Ort, von dem aus sie fliegen lernen, andere beschützen, das Leid anderer verstehen und mit anderen in Gemeinschaft leben. Leben in einer Partnerschaft, das Familienleben ist auch gegenseitiges persönliches Wachstum, wenn man die/den andere(n) als Geschenk, Gabe und Aufgabe sieht.

      Wäre es nicht möglich, als eine Ebene von Kommunikation in einer Partnerschaft das geistliche Gespräch hinzuzufügen? Dabei ist die Art und Weise, wie je- de(r) ihr/sein Leben im Geiste lebt, im Zentrum. Hier tauscht man aus und teilt, was Gott jeder/jedem von uns sagt. Jedes Paar wird es auf seine Art und Weise unterschiedlich machen. Das ergibt eine tiefe und qualitätsvolle Kommunikation.

       Regel 5: Gott schauen, um die Welt zu verstehen; in die Welt schauen, um Gott zu verstehen.

      Heute eine Familie zu gründen, ist nicht einfach. Wir leben in einer Zeit kulturellen Umbruchs. Darin würde sich Ignatius nicht fremd fühlen, da er selbst auch zwischen Mittelalter, Renaissance und dem Beginn der Neuzeit lebte. Die Antwort auf viele Fragen war seine Spiritualität, die das Evangelium im Fokus hat. Für diese Antwort genügt es nicht, das zu tun, was wir immer tun, auch nicht das erste, das uns gerade in den Sinn kommt.

      Nur diejenige Antwort hat Gültigkeit, die tatsächlich auf die Bedürfnisse derer, die in Familien leben, eingeht. Für Ignatius reicht es nicht, sich nur voll und ganz hinzugeben. Man muss wissen: Was ist das Beste, das man hier und jetzt tun kann? Und was die beste Art und Weise, es zu tun? P. Adolfo Nicolas verweist diesbezüglich auf zwei Betrachtungen der Geistlichen Übungen: jene zur Menschwerdung (101 ff.) und jene zur Erlangung der Liebe (230 ff.), in der das Wissen nicht nur darauf gerichtet ist, die Welt zu verstehen, um sie durch Technik zu verändern, sondern sie zu genießen, zu fühlen und zu schmecken, eine Welt, in der sich die Liebe Gottes entfaltet.

      Unsere Erfahrung im Bildungsbereich zeigt, dass viele Eltern keinen passenden Umgang mit ihren Kindern haben und oft nicht bereit für die Erziehung sind. Sie glauben, dass die Zuneigung, der gute Wille, die Wiederholung dessen, was mit ihnen gemacht wurde, heutzutage ausreichen. Nicht wenige sind deshalb sehr unsicher und mit einem Schuldgefühl behaftet. Erziehen ist keine Frage, die sich mit dem guten Willen oder einfachen Menschenverstand klären lässt. Erziehung erfordert stetes Lernen und das Erlernen einiger „Techniken“ sowie Kompetenzen in Entwicklungspsychologie, Kommunikation, Soziologie und Informationstechnologien. Vor allem ist es wichtig, ein gemeinsames Modell von Erziehung zu haben, zu wissen, was man dem Kind über die Welt, Beziehungen und Werte vermitteln will. Einige Autor(inn)en bezeichnen dies als „Die Fächer des Lebens“. Indem Eltern immer wieder auf Erziehung reflektieren, wird die Wahl der Methoden für den „Unterricht in diesen Fächern“ für sie erkennbar.

       Regel 6: Erfolg ist kein Name Gottes. Aber Scheitern auch nicht.

      Im Grunde sollte diese Regel am Anfang stehen, da sie sich direkt auf die ignatianische „Indifferenz“ bezieht. In unserer Vorstellung, unseren Wünschen und in unseren Projekten für unsere Familie ist das zu unterscheiden, was uns Freiheit nimmt, von dem, was uns Freiheit gibt. Um diese Regel anwenden zu können, muss man frei werden, die Dinge als das zu sehen, was sie sind, nämlich als Geschenk. Das Gegenteil wäre, von den Dingen so zu denken, was und wie sie sein sollten, also geprägt von eigenen Illusionen oder Ängsten. Als Beispiele führt Ignatius die Gegensätze Gesundheit – Krankheit, Armut – Reichtum, Ehre – Schande und kurzes Leben – langes Leben an. Paulus drückte es so aus: „weder Tod noch Leben, weder Höhe noch Tiefe.“ (vgl. Röm 8,38–39) Im Grunde geht es darum, unsere letzte Stunde sowie die Vorrangstellung der Liebe Gottes über allen Dingen in unserem Leben vor Augen zu haben. Bezogen auf die Familie: Die Liebe steht über Reichtum oder Armut, über Gesundheit oder Krankheit. Von dieser Frei heit handelt die ignatianische Indifferenz. Es ist ein Wissen (und kein Vergessen), was das Wichtigste im Leben ist, um sich innerlich zu ordnen. Dadurch gewinnt man Freiheit und eine gewisse Ordnung.

      Kinder sind keine Weihnachtsbäume, die wir mit verschiedenen Fähigkeiten und Fertigkeiten (Englisch, Klavier, Tennis …) schmücken sollen. Auch sollen sie nicht unsere unerreichten Träume bzw. das, was man gerade für Glück hält, erfüllen müssen. Der Sinn des Lebens ist ein anderer. Nicht Ergebnisse, die man erhält, machen ein erfülltes christliches Leben aus, sondern wie man sein Leben lebt und zu welcher Lebensgestalt man sich formen lässt.

      Wie bei Jesus von Nazareth, dem wir folgen: Nicht seine erreichten Erfolge zählen, sondern wie er seinen Weg gelebt hat. Greg Boyle meint dazu: „Jesus war zu sehr damit beschäftigt, dem Willen seines Vaters zu folgen, als dass er sich um Erfolg gekümmert hätte. Ich bin auch nicht gegen Erfolg. Erfolg ist dann gut, wenn er aus unserer Treue zu Gott resultiert. Wenn unsere Hauptsorge Erfolge sind, werden wir nur mit jenen arbeiten, die uns gute Resultate bringen.“8 So wären wir weder als Christ(inn)en noch als solche, die sich ignatianischer Spiritualität verpflichtet wissen, am rechten Weg.

      1 Ursprünglich erschienen in Manresa. Revista De Espiritualidad Ignaciana 88 (2016), Nr. 347, 155–165. Übersetzung: Barbara Karner, Bearbeitung: Christoph Benke.

      2 Noch weniger sollen sie Richtlinien sein, um eine ideale Vergangenheit wiederherzustellen, die es nie gegeben hat. Wie W. Kasper sagt: „Wenn wir von der Familie und ihrer Schönheit sprechen, dürfen wir nicht von einem irrealen romantischen Bild ausgehen. Wir müssen auch die harten Realitäten sehen und an den Traurigkeiten, den Sorgen, den Tränen in vielen Familien teilhaben (…). Wir dürfen uns nicht der Versuchung beugen, die Vergangenheit zu idealisieren und dann, wie es leider an einigen Orten Mode ist, die Gegenwart wie eine reine Geschichte des Verfalls zu sehen. Das Herbeisehnen der guten alten Zeiten und das Jammern über jüngere Generationen gibt es, seitdem es eine frühere Generation gibt“, in: ders., ElEvangelio de familia. Santander 2014, 11.

      3 Ebd., 51.

      4 S. Muldoon / T. Muldoon, Six Sacred Rules for Families. Notre Dame 2013, 2.

      5 Ebd., 6.

      6 K. Rahner, Espiritualidad antigua y actual, en: Escritos de Teología VII. Madrid 1969, 28.

      7 J. A. García, Ventanas que dan a Dios. Santander 2011, 243.

      8 G. Boyle, Tatuajes del corazón. Nueva York 2010, 191.

       Christian M. Rutishauser SJ | Zürich

      geb. 1965, Dr. theol., Provinzial der Schweizer Jesuiten, Studienleitung der Lehrgänge zu christlicher Spiritualität und zur Exerzitienleiterausbildung des Lassalle-Hauses in Bad Schönbrunn (CH)

       [email protected]

       Erotik, Sexualität und die Beziehung zu Gott

      Der Mensch ist nach den Texten