Mostkost. Klaus Ranzenberger

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Название Mostkost
Автор произведения Klaus Ranzenberger
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783702580834



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Nun öffnet sich auch die Haustür, heraus kommt der Haslinger Alois. Eigentlich hatte er ja die Hoffnung gehabt, die verschwundene Birnbacher Karin ablichten zu können, aber was sich dem Albert da jetzt auf dem Display seines Smartphones zeigt, ist auch nicht ohne. Er wechselt in den Kamera-Modus. Auch der Onkel Franz unterbricht kurz seine Jause und dreht an der Schärfeneinstellung des Fernglases.

      Wenn sie auch erst vor ein paar Tagen – damals unfreiwillig – einen halbwegs heftigen Streit beobachtet haben, was ihnen jetzt geboten wird, übertrifft das bei Weitem. Nachdem der Besucher gestikulierend auf den Haslinger eingeredet hat, geht der zurück ins Haus, um kurz darauf mit einem braunen Papiersackerl wieder herauszukommen. Übergibt es dem Mann, der öffnet es, schaut hinein. Augenscheinlich ist er aber mit dem Inhalt nicht zufrieden. Er schreit den anderen an, spuckt vor ihm auf den Boden. Was er sagt, ist auf die Entfernung nicht zu verstehen, einen gewissen Akzent glaubt der Albert aber zu erkennen. Während er noch versucht diesen einzuordnen, eskaliert die Situation. Der Mann mit der Lederjacke hat plötzlich ein Messer in der Hand, fuchtelt damit dem Haslinger vorm Gesicht herum. Dabei stößt er heftige Drohungen aus. Kurz darauf steigt er – mit dem Messer in der einen, dem Packerl in der anderen Hand – in sein Auto und braust davon. Zurück bleiben ein wie versteinert dastehender Alois Haslinger vor seinem Haus und zwei nicht minder geschockte heimliche Beobachter im Unterholz.

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      Warum, denkt sich der Onkel Franz, hab ich die Tasche gestern nicht noch selbst ausgeräumt, Herrschaftszeiten noch einmal! Als er am Vorabend heimgekommen ist von seinem unfreiwilligen Detektiveinsatz, ist der Onkel nämlich – nachdem er sich auf den Schreck noch schnell ein Betthupferl-Weißbier genehmigt hat – gleich schlafen gegangen. Seine lederne Tasche hat er, ganz entgegen seiner Gewohnheiten, einfach in der Küche stehen lassen und so hat es seine Frau übernommen, den Inhalt zu inspizieren. Nicht ungewöhnlich im ehelichen Umgang der beiden miteinander. Der ist nämlich zuallererst geprägt von gegenseitigem Vertrauen. Der Onkel hat noch nie etwas zu verbergen gehabt vor seiner Frau, umgekehrt verhält es sich genauso. Drum ist es für die Tante nun auch ganz selbstverständlich, beim morgendlichen Aufräumen die Tasche zu öffnen. Könnt ja was drinnen sein, das in den Kühlschrank gehört oder gewaschen werden muss, was auch immer. Doch was sie heute daraus zu Tage fördert, gibt Anlass zu der einen oder anderen Frage.

      „Sag, seit wann haben wir ein Fernglas, Franzl?“

      „G’hört dem Albert“, antwortet der Onkel wahrheitsgemäß.

      „Und was hast jetzt mit dem vor?“

      Angelogen hat er sie noch nie, seine Frau. Wieso auch. Aber ihr jetzt von der gestrigen Aktion zu erzählen kommt für ihn dennoch nicht in Frage. Würde sie nur beunruhigen, ihm ist ja selbst noch nicht klar, was er von der ganzen Geschichte halten soll. Bleibt als Ausweg also nur noch die kleine Schwester der Lüge, die Schwindelei.

      „Vögel“, sagt er, weil ihm nichts Besseres einfällt, „Vögel beobachten. Seltene.“

      „Aha“, die Tante schüttelt den Kopf, „Vögel, soso.“

      „Ja, weil du doch eh immer sagst, ich bräucht ein Hobby.“

      Recht gut kann sie ihn sich nicht vorstellen, ihren Mann, wie er in den Inn-Auen als Hobby-Ornithologe umherstreift. Aber die Tante ist eine kluge Frau, sie lässt es vorerst dabei bewenden. Außerdem taucht aus den Tiefen der Tasche bereits ein weiteres Objekt auf, das Fragen aufwirft.

      „Jägermeister? Du? Seit wann?“

      „Ach, Schmarrn“, antwortet der Onkel Franz, froh, dass er hier bei der Wahrheit bleiben kann, „das ist ein Kürbiskernöl, steht eh drauf. Aus’m Innviertel, vom Haslinger-Bauern. Probierflascherl, hat er mir neulich am Wochenmarkt mit’geben.“

      „Da schau her“, die Tante ist anscheinend informiert, „das ist doch der, der sich letztes Jahr zwei Straußen angeschafft hat. Züchten wollt’ er. Hat aber nicht recht funktioniert. Weil’s zwei Weiberl waren.“

      Beide lachen. Als sie kurz darauf weiterredet, klingt ihre Stimme nun aber ein wenig besorgt. „Ganz was anderes Franzl, bist du gestern hing’fallen? Deine Hosen und dein Janker sind hinten ganz schmutzig. Hast dir hoffentlich nicht weh getan?“

      Auweh, das muss am Abend im Wald passiert sein, da wird jetzt wohl oder übel die nächste Schwindelei fällig.

      „Das? Ach so, da war wohl die Bank dreckig. Also die, wo ich mich hingesetzt hab zum Rasten. Auf’m Heimweg. Weißt eh, durchs Buchenweidl, da geht’s a Stückerl bergauf, das ist anstrengend mit’m Radl. Hab ich also a bisserl verschnaufen müssen. Da wird das wohl passiert sein.“

      Der Onkel ist halbwegs stolz auf seine kreative Ausrede. Muss einem erst einmal einfallen, so auf die Schnelle. Seine Frau ist jetzt allerdings erst recht in Sorge.

      „Das kleine Hügerl? Da hast’ doch noch nie Probleme g’habt. Meinst ist was mit’m Herz? Sollst’ vielleicht doch einmal zum Doktor? Zeit wär’s, in deinem Alter.“

      Zefix, das ist jetzt nach hinten losgegangen. Solange er beschwerdefrei war, hat sie seine Abneigung gegen Vorsorgeuntersuchungen immer respektiert. Aber jetzt, da er selbst zugibt – was äußerst unüblich ist beim Onkel – nicht mehr so leistungsfähig zu sein wie gewohnt, da sieht sie sich als Gattin in der Pflicht, auf ihn einzuwirken.

      „Glaub mir’s, Franzl, eine Untersuchung kann nicht schaden. Und vielleicht sollt ich bei deiner Ernährung auch ein bisserl was ändern. Nimmer ganz so fett, öfter einmal einen Fisch, viel Gemüse. Und das mit dem Kürbiskernöl, das ist gar keine so schlechte Idee. Soll gut sein für die Prostata. Na, was meinst?“

      Der Onkel Franz ist entsetzt. Was ihm seine kleine Notlüge da an Konsequenzen einzubringen droht, überfordert ihn für einen Moment. Schnell fängt er sich aber wieder. Wenn die Sorge um ihn auch echt ist, hat er seine Frau nun dennoch im Verdacht, ein wenig dicker aufzutragen als nötig. Er kennt sie, es wär nicht das erste Mal. Innerlich hat sie jetzt womöglich eine diebische Freude an seinem dummen Gesicht. Sie selbst macht dabei aber eine todernste Mine und lässt ihn auch so schnell nicht vom Haken.

      „Ich könnt dir ja auch einmal ein leichtes Weißbier mitbringen vom Einkaufen oder gleich ein alkoholfreies, soll auch nicht anders schmecken.“

      Jetzt ist er sich ganz sicher, dass sie ihn aufzieht. Das kann sie ja nicht ernst meinen. Während er noch überlegt, ob er weiter mitspielen oder ein Machtwort sprechen soll, wechselt seine Frau das Thema. Sie hat nämlich die Tupper-Dose entdeckt, die, in der der Onkel die Observations-Essigwurscht transportiert hat. Nach einem Geschmacks- und Geruchstests ist ihr schnell klar, welchen Inhalt das Plastik-Geschirr gehabt haben muss.

      „Essigwurscht, aha. Aber nicht von mir?“

      Keine Frage, eine Feststellung. Und auch ein gewisser Vorwurf.

      „Vom Metzger“, antwortet der Onkel Franz, „vom Radlinger.“

      „Eine fertige? Sowas isst du?“

      „A woher fertig. Hausg’macht.“

      „Aber fertig.“

      „Ja, schon, aber ganz frisch. Vom selben Tag. Schmeckt wie d…“

      Er verstummt augenblicklich. Gefährliches Terrain. Ja nicht vergleichen. Schlechte Idee.

      „Was wolltest sagen?“

      „Dass, … dass der Radlinger schon ein guter Metzger …, also von der Qualität her. Aber kein Vergleich zu deiner Essigwurscht. War halt eine Notlösung. Zum Mitnehmen. Zum Ding, … zum Vögelbeobachten, weißt’?“

      Fast wär er ins Stottern gekommen, der Onkel Franz, er glaubt sich selbst kein Wort. Die Tante erklärt das Verhör für beendet, indem sie ihm den Rücken zudreht und zur Küchenzeile geht. Wohl um das Gschirrl in der Abwasch zu versorgen. Oder damit ihr Mann das leichte Schmunzeln in ihrem Gesicht nicht sieht.

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