Mostkost. Klaus Ranzenberger

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Название Mostkost
Автор произведения Klaus Ranzenberger
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783702580834



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Und außerdem weißt du ganz genau, dass ich keinen Alkohol trink.“

      Der Onkel Franz spielt hier auf die Tatsache an, dass er kaum bis nie Schnaps und Ähnliches zu sich nimmt. Weil er, wie er selber sagt, es nicht so hat mit dem Alkohol. Der bei ihm per eigener Definition erst jenseits der fünfzehn Volumens-Prozent beginnt. Somit fallen Bier mit seinen meist unter fünf, Most mit nicht vielmehr als acht und Wein, der auch selten über vierzehn Prozent Alkoholgehalt aufweist, nicht in die Gruppe der alkoholischen Getränke. So sieht es zumindest der Onkel. Diese Zusammenhänge erläutert er oft und gern am Stammtisch und er tut es auch jetzt wieder.

      Als der Albert ihn dabei unterbricht – er kennt die Geschichte – und fragt, warum er dann bitte jetzt einen Jägermeister ausgepackt hat, merkt der Onkel Franz, dass er das Flascherl verkehrt herum hingestellt hat, sodass sein Freund das Etikett nicht sehen kann, das der Haslinger draufgepappt hat. Er dreht es um und der Albert studiert die Aufschrift.

      „Ach so. Kürbiskernöl. Innviertler, aha. Vom Haslinger Alois? Da schau her, hat wieder eine neue Spintisiererei.“

      Der Onkel erzählt daraufhin, wie er zu dem Flascherl gekommen ist und fragt seinerseits den Albert, wie er denn den letzten Satz gemeint habe. Von wegen neuer Spintisiererei. Und erhält ergiebig Auskunft. Der Albert kennt den Haslinger anscheinend etwas näher als er selbst. Überhaupt ist sein Freund immer bestens informiert über das, was die lieben Mitmenschen im Ort so treiben. Eine angeborene Neugier und ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis zeichnen ihn schon von jeher aus. Wobei der Albert diese Eigenschaften immer seiner Frau zuschreibt und behauptet, nur wiederzugeben, was er von ihr hört. Reine Schutzbehauptung, da ist sich der Onkel Franz sicher. Trotzdem hört er aufmerksam zu, ein wenig neugierig ist er selbst in Wirklichkeit ja auch.

      „Also, von Anfang an. Die kleine Landwirtschaft von dem Haslinger, halbwegs heruntergekommen mittlerweile. War nicht immer so. Sind zwar nur ein paar Hektar, aber dem Lois seine Eltern haben damals mit ihren hundert Schweindln ganz ordentlich gewirtschaftet. Dem Alois war das immer zu viel Arbeit. Und zu viel Dreck. Saustall ausmisten und so. Drum hat er auch, nachdem der alte Haslinger gestorben und die Mutter ins Heim gekommen ist, gleich alle Viecher verkauft und den Hof umgestellt. Und zwar alle ein, zwei Jahre auf was anderes. Ich weiß gar nicht mehr, in welcher Reihenfolge, aber da war auf jeden Fall die Idee von einer Straußenfarm dabei, legalen Hanfanbau hat er auch probiert, Biogas, Photovoltaik und was weiß ich nicht noch alles. Alles erfolglos. Die Ersparnisse von seinen Eltern waren da bald einmal dahin und dann hat er auch noch gemeint, er steigt in den Aktienmarkt ein, kann ja nicht so schwer sein. War’s aber dann doch, weil das ist angeblich auch total danebengegangen. Und jetzt also Kürbiskernöl. Na viel Vergnügen.“

      Der Albert hat fast ohne Punkt und Beistrich durchgeredet und dabei ganz auf sein Bier und die Zeit vergessen. Nach einem Blick auf die Kirchturmuhr – die zeigt dreiviertel Zwölf – wird er nämlich leicht hektisch, ruft die Kellnerin zum Zahlen und trinkt sein Glas in einem Zug leer. „Auweh, jetzt wird’s eng. Weil heut gibt’s Palatschinken, da versteht meine Frau keinen Spaß!“

      „Geh, stell dich nicht so an“, lacht ihn der Onkel Franz aus, „wird dir schon nicht den Kopf abreißen wegen fünf Minuten Verspätung, oder?“

      „Hast du eine Ahnung. Gegessen wird um Punkt Zwölf, eiserne Regel.“

      „Na, dann schau, dass d’ weiterkommst. Ich trink noch gemütlich mein Bier aus und das deine zahl ich mit. Nicht, dass wir noch eine Ehekrise riskieren.“

      „Ja, spott’ du nur. Aber danke und servus, bis bald.“ Mit diesen Worten schwingt sich der Albert auf sein Radl und entschwindet.

      Der Onkel Franz winkt ihm noch lachend nach, bis er außer Sichtweite ist. Worauf die nur gespielte Gemütlichkeit augenblicklich von ihm abfällt. Auch er leert jetzt schnell sein Glas und winkt der Kellnerin. Wenn er auch derartige Amerikanismen nicht benutzt, der Onkel hat geblufft. In Wirklichkeit verhält es sich nämlich so, dass seine Frau ähnlich unangenehm werden kann, wenn er nicht pünktlich zum Mittagessen daheim ist.

       2

      „Wenn du mir noch einmal mit deinem Giftzeug an meiner Grundgrenz’ herumsprühst, dann kannst’ was erleben! Hast du mich verstanden?“ Der Birnbacher Josef hat einen hochroten Schädel, als er seinen Nachbarn anschreit. Die beiden haben schon länger Streit, mal mehr, mal weniger. Meist ignorieren sie sich, gehen sich aus dem Weg. Aber manchmal lässt es sich halt nicht vermeiden, dass man dort, wo die Obstwiese vom Birnbacher an den Kürbisacker vom Haslinger grenzt, aneinandergerät. So wie jetzt, wo der eine den Zustand seiner Mostobstbäume kontrolliert, während der andere gerade irgendein Insektenschutzmittel über seinen Kürbissen ausbringt. Und weil der Wind auch noch ungünstig steht, kommt es natürlich zum Streit.

      „Das werden s’ schon noch aushalten, deine sauren Birn’! Außerdem ist es bio, mein Spritzmittel.“

      „Bio, dass ich nicht lach! Ich sag’s dir noch einmal, schleich dich mit deinem Gift, sonst vergess ich mich!“

      „Vergessen? Ja, das kannst du gut. Aber merk dir eins, ich vergess nie etwas!“ Mit diesen Worten packt der Haslinger Alois seinen Spritzapparat zusammen und lässt seinen Nachbarn stehen.

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      „Jetzt reg dich halt nicht so auf, Sepp.“ Karin Birnbacher versucht, ihren Mann zu beruhigen. Die beiden sitzen am Ofentisch in ihrer kleinen Mostschänke. Heute ist Ruhetag und die Wirtin hat sich die Buchhaltung vorgenommen, während ihr Mann den Heurigen verkostet und sich dabei Notizen macht. Demnächst hat er vor, verschiedene Cuvéetierungen auszuprobieren.

      „Schau, bei uns läuft’s nicht so schlecht“, dabei deutet sie auf das Kassajournal vor sich, „und dem Alois steht sicher wieder mal das Wasser bis zum Hals.“

      „Du weißt genau, dass es einen ganz anderen Grund hat, warum mich der Depp hasst!“

      „Ach, bin ich jetzt wieder schuld?“

      Damit spricht Karin Birnbacher die Tatsache an, dass sie vor gut zehn Jahren noch auf dem heruntergekommenen Nachbarhof daheim war. Und damals noch Karin Haslinger geheißen hat. Der Alois hat ihr bis heute nicht verziehen, dass sie, wie er sich ausdrückt, „die Seiten gewechselt hat und dem Geld nachgelaufen ist“. Damit hat sie sich abgefunden. Aber dass bei ihrem jetzigen Mann immer ein leicht vorwurfsvoller Ton in der Stimme mitschwingt, wenn es um den eigentlichen Grund für die Feindschaft zwischen den beiden Bauern geht, das kränkt sie schon. Trotzdem setzt sie jetzt ein Lächeln auf und legt ihrem Mann die Hand auf den Unterarm.

      „Komm, ich räum jetzt das Bürozeug weg und mach uns eine Jause. Dazu trinken wir ein Glaserl von dem neuen Most und du erklärst mir, warum der heuer so besonders gut geworden ist, gell? Damit ich ihn dann morgen unseren Gästen auch g’scheit servieren kann.“

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      Die Woche darauf, Dienstagabend. Stammtisch beim Egger-Wirt, wie immer. Der Onkel Franz ist da, der Albert sowieso, der Hans auch und natürlich der alte Egger. Der ist, könnte man sagen, ein Hybrid. Einerseits Wirt, der Seniorchef, um genau zu sein, andererseits aber auch Stammtisch-Vollmitglied. Die Leitung des Wirtshauses hat er schon vor ein paar Jahren an seinen Sohn übergeben, nachdem der von seiner letzten Saison am Arlberg zurückgekommen ist. Und der tritt nun eben gerade an den Tisch mit einem Tablett voller Bier. Die erste Bestellung des Abends, die übernimmt der junge Egger gern selbst, bevor er an die Kellnerin, die Resi, übergibt. Um die „Honneurs“ zu machen, wie er sagt. Das Wort hat er am Arlberg in irgend so einem Fünf-Sterne-Bunker gelernt und er benutzt es gern. Überhaupt zeigt der als Innviertler Bauern- und Wirtsbub aufgewachsene Junggastronom, seit er in Lech war, ab und zu Verhaltensauffälligkeiten. Vor allem in der Sprache. Da springt er. Vom breiten Dialekt seiner Heimat urplötzlich in ein leicht nasales Schönbrunnerdeutsch, gespickt mit allerhand Küchenfranzösisch. So wie jetzt.

      „Ein frisch gezapftes Jahrgangs-Märzen für den Herrn Franz sowie