Mostkost. Klaus Ranzenberger

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Название Mostkost
Автор произведения Klaus Ranzenberger
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783702580834



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Dort, wo zu viel Fraulichkeit ist, kaschiert es, wo diese Attribute kaum vorhanden sind, werden sie geschickt vorgetäuscht. Die Resi gehört, wie schon bemerkt, zweiterer Gruppe an. Dazu ein resches, bestimmendes Wesen, erworben in jahrzehntelanger Serviertätigkeit. Ehe- und kinderlos geblieben, hat sie sich immer behaupten müssen unter ihren meist männlichen Gästen. Denn es herrscht ein liebevoll rauer Ton an den Innviertler Stammtischen.

      „Drei Most, ein Speckbrot, zweimal Jause. Prost Mahlzeit, die Herren!“, kommentiert sie das Servierte und rauscht mit dem leeren Tablett zurück zur Schank, wo der Birnbacher die nächsten Bestellungen vorbereitet. Der Gastgarten der Mostschänke ist an ihrem ersten Arbeitstag brechend voll. Beim Egger-Wirt ist ja urlaubsbedingt zu, und es hat sich auch schon herumgesprochen im Ort, dass die Resi arbeitsmäßig fremdgeht. Das will man sich anschauen. Außerdem ist strahlend schönes Wetter.

      Wie schon mit seiner Frau praktiziert der Wirt nun auch mit der Aushilfskellnerin die gewohnte Arbeitsteilung. Er schenkt ein und richtet die Speisen, die Resi bringt alles an die Tische, räumt ab und kassiert. Nur ab und zu, dann, wenn ein Tablett mit vollen Gläsern und Tellern bereits auf Abholung wartet, die Kellnerin aber noch draußen zu tun hat, bringt es der Birnbacher selbst hinaus. So wie gerade eben. Kredenzt den Gästen das Gewünschte und wechselt ein paar Sätze mit ihnen. Die neue Servierkraft wird gelobt, genauso Most und Jause. Josef Birnbachers Laune hat sich seit der Ankunft der Resi langsam, aber stetig gebessert. Entgegen seiner Befürchtung, dass die Neue erst eingearbeitet werden muss, bis der Ablauf halbwegs hinhaut, funktioniert der Betrieb von Anfang an wie geschmiert. Auch der Andrang an Gästen ist erfreulich, die Kasse klingelt.

      Vom Nebentisch ruft man ihm nun eine Bestellung zu und der Wirt will diese sogleich an die Resi weitergeben. Er blickt sich um, kann sie aber nirgends im Garten entdecken. Wird wohl schon wieder nach drinnen gegangen sein. Stimmt, erinnert sich der Birnbacher, als ich raus bin, ist sie ja mit einer ganzen Batterie leerer Mostkrüge an mir vorbei. Schnell geht er ins Haus. Die leeren Krüge stehen auf der Schank, aber von der Resi ist nichts zu sehen. Allerdings steht der Schlüsselkasten an der Wand offen, der Schlüssel zum Mostkeller fehlt. Auch die Tür, hinter der die Kellerstiege beginnt, ist offen, im Abgang brennt Licht. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend stürmt der Birnbacher die Stiege hinunter, fast wäre er gestolpert.

      Die Resi ist gerade dabei, die alte, schmiedeeiserne Tür zum Mostkeller aufzusperren. Als sie den Schlüssel im Schloss drehen will, drängt sich der Wirt an ihr vorbei, und nimmt sie unsanft beim Handgelenk.

      „Was wird das?“, herrscht er sie an, „wer hat dir gesagt, dass du in den Keller gehen sollst? Da herunten hat keiner außer mir was verloren!“

      „Na, na, na, nicht so grob!“, schnappt die Resi, „einen Most wollt ich holen, weil oben alles leer ist. Hab ja nicht gewusst, dass dein Keller so heilig ist.“

      „Ja, entschuldige“, beruhigt sich der Birnbacher wieder etwas, „da bin ich halt eigen mit meinen Fassln und Flaschen. Am Ende nimmst die falschen, das ist alles genau sortiert. Geh wieder rauf, ich bring gleich Nachschub.“

      Er sperrt auf und wartet noch, bis die Resi oben kopfschüttelnd die Tür hinter sich zugemacht hat. Erst dann öffnet er den Eingang zu seinem Allerheiligsten und schlüpft hinein.

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      Der Rachbauer Kevin schaut den Onkel Franz zweifelnd an.

      „Einen Film? Mit dem Handy? Du, Opa?“

      Der Bub nennt ihn immer Opa, Großonkel ist ihm zu kompliziert.

      „Aber geh, nein“, erklärt der Albert, „den hab ich gemacht, das ist mein Telefon. Und das war auch meine Idee, dass du uns vielleicht helfen könntest. Wo du doch jetzt in die HTL gehst.“

      Sie stehen im Kellerstüberl der Rachbauers, das ist vollgestopft mit allerhand Computern und Bildschirmen. Auf einer Art Werkbank häufen sich diverse Elektronikbauteile und Kabel, auch einen Lötkolben gibt es. Der Kevin war schon immer ein Bastler, und seit er die höhere Lehranstalt für Elektronik und Informationstechnologie besucht, hat er sich ganz dem Digitalen verschrieben. Drum auch der Vorschlag vom Albert, den Buben zu fragen, ob er das Handy-Video, dass er vom Haslinger und dem Kirov gemacht hat, etwas bearbeiten könnte. Und zwar so, dass man vielleicht zumindest Teile dessen, was da gesprochen wurde, verstehen könne.

      Der Onkel Franz war zuerst dagegen. Er hegte nämlich die Befürchtung, dass die Mutter des kleinen Elektronik-Genies davon Wind bekommen könnte und die es wiederum ihrer Tante auf die Nase binden würde. Und mit der ist er nun einmal verheiratet. Und was seine Frau dazu sagen würde, wenn sie erführe, welche Vögel er und der Albert in Wirklichkeit beobachtet haben, mag er sich gar nicht vorstellen. Als ihm aber dann eingefallen ist, dass der Bub momentan Schlüsselkind ist, weil seine Mutter gerade irgendwo auf Fortbildung unterwegs ist, und der Albert keine Ruhe geben wollte, hat er schließlich zugestimmt.

      Und so sitzen sie nun also nebeneinander auf der alten Couch, auf die sie der Kevin verbannt hat. Am Anfang haben die beiden nämlich noch bei jedem Handgriff, den der Bub getätigt hat, allerhand Zwischenfragen gestellt. Ob’s schon funktioniert, was er grad macht, wie lang es noch dauert und Ähnliches. Bis er sie höflich gebeten hat, ihn in Ruhe zu lassen, sonst werde das nix. Dem Albert fällt das Stillsitzen besonders schwer, immer wieder reckt er den Hals, um dem Fachschüler über die Schulter zu schauen. Der hat das Mobiltelefon mit seinem Rechner verbunden und die Video-Datei in ein dementsprechendes Programm geladen. Auf dem Bildschirm sind jetzt verschiedenfarbige Tonspuren zu sehen, in die der Bub die Aufnahme zerlegt hat.

      „Was machst jetzt?“, kann sich der Albert nicht zurückhalten.

      „Geht’s? Hört man was?“

      „Ich bitte um Ruhe“, murmelt der Kevin, „hab’s gleich. Muss nur noch schauen, ob ich das komische Geräusch da rausfiltern kann. Was ist denn das? Wart, ich dreh’s einmal lauter.“

      Aus den Lautsprechern tönt jetzt ein langgezogenes „Tschagummtschagumm“, so eine Art Schmatzgeräusch.

      „Auweh“, sagt der Onkel Franz, „ich fürcht’, das bin ich. Also ich und meine Essigwurscht.“

      Der Albert wirft ihm einen tadelnden Blick zu.

      „Ich hab’s ja g’sagt. Was musst’ auch immer essen. Jetzt hast womöglich die ganze Aufnahme ruiniert.“

      „Nein, nein, geht schon“, beruhigt ihn der Bub, „das krieg ich raus. So, jetzt. Jetzt versteht man was.“

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      Bevor sie gegangen sind, hat der Onkel Franz dem Rachbauer Kevin noch das Versprechen abgenommen, niemandem von der Sache zu erzählen. Er steckt dem Großneffen auch sonst öfter mal etwas Taschengeld zu, diesmal ist es ein bisserl mehr geworden. Elektronik ist teuer. Und Gott sei Dank auch das Einzige, was den Buben interessiert. Trotz des halbwegs brisanten Bild- und Tonmaterials, das er für die beiden Hobby-Detektive bearbeitet hat, stellte er keinerlei Fragen über Herkunft und Sinn des Ganzen. Scheinbar interessiert ihn tatsächlich nur die technische Seite daran, die Tatsache, dass er in der Lage gewesen ist, die ihm gestellte Aufgabe zu lösen. Das sowie das Bestechungsgeld des Onkels lassen also hoffen, dass der Bub die Sache für sich behalten wird.

      Im Gastgarten vom Bürgerbräu auf dem Stadtplatz, wo sich die beiden nun auf ein Bier niedergelassen haben, ist gerade nichts los. So können sie die Aufnahme mit dem jetzt gefilterten Ton noch einmal in Ruhe und unbeobachtet analysieren. Der Kevin hat ganze Arbeit geleistet, man versteht nun beinahe jedes Wort. Und was sich daraus offenbart, ist durchaus interessant. Der Kirov Wickerl, vulgo Boris, fordert in einem seltsamen, pseudorussischen Akzent Geld, das ihm der Haslinger noch schulden würde. Aus irgendwelchen gemeinsamen Anlagegeschäften, die wohl schiefgegangen sind. Das, was ihm der dann übergibt, ist anscheinend viel zu wenig. Daraufhin zieht Kirov sein Messer, droht es zu benutzen und beschimpft den Bauern. Der beteuert, nicht mehr aufbringen zu können. Dann müsse er eben jetzt endlich Hof und Grund an die Russen verkaufen, schreit ihn der andere an, dann könne er auch seine Schulden bezahlen. „An die