Wenn Beteigeuze explodiert. Stephan Berndt

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Название Wenn Beteigeuze explodiert
Автор произведения Stephan Berndt
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783946959915



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Lehrer, Beschützer! Nun, der Müllhaufen soll dir symbolisch sagen, dass ein ganz großer Haufen von schlechten und primitiven Menschen sich in diesem Lande angesammelt hat.

      Da sind erstens die heimatlichen Demokratiemissbraucher, welche die Ordnung der Demokratie unterhöhlen und gefährden. Dann sind da viele Verfolgte, Freiheit und Lebensmöglichkeit suchende Menschen – Menschen, die gut sind, aber auch viele [davon°], die dumm und manipulierbar sind.

      Sie sind sich dessen gar nicht bewusst, dass sie gesteuert werden, um die Demokratie in diesem Lande zum Einsturz zu bringen. Dann gehört noch dazu eine große Zahl von Mördern, Sadisten, vielerart Gewalttätern, wie auch Fanatiker; eingeschleuste Falschspieler, die als Verfolgte kommen, jedoch geheime Kämpfer sind; ferner Links-, Rechts- und Religionsradikale.

      Alle diese Delikte [!°] werden von Menschen ausgeführt, die primitiv sind und sich zu jeder Untat verführen oder drängen lassen. Sie gelten als Unwissende, Bedeutungslose, Schwachsinnige, Chaoten und andere, die nicht genügend beachtet werden, weil sie in der Minderheit sind. Doch alle zusammen sind – wie die Ameisen da im Untergrund […].

      Und ich kann dir sagen, dass viele der Falschspieler ihre Wühlarbeit [irgendwann°] unterlassen, weil sie schließlich doch auch leben wollen.“

      Aus paraprognostischer Sicht ist diese Vision von 1985 äußerst interessant. Im Jahre 1985 war Masseneinwanderung nämlich noch gar kein Thema. In den drei Jahren zuvor (1982–1984) gab es sogar eine Nettoabwanderung aus Deutschland! Erst im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der UdSSR und dem Zerfall des Warschauer Paktes setzte dann eine Welle der Zuwanderung nach Deutschland ein. Selbst wenn der Text nicht hellseherisch inspiriert wäre, bliebe Edward Korkowskis Voraussage der Flüchtlings- oder Einwanderungskrise in der Fülle der teilweise oder vollständig zutreffend vorausgesagten Details bestechend. Das wird umso deutlicher, sieht man sich die einzelnen Aspekte genauer an.

      Edward Korkowski zur Ursache der Flüchtlingsströme

      Ein Schlüsselelement beim Thema Flüchtlinge ist natürlich die eigentliche, die wahre Ursache. Korkowskis „kosmischer Führer“ meint, die Flüchtlinge dienten letztlich einer dritten Macht als Werkzeug, um Deutschland zu zerstören (»dass sie gesteuert werden«). Dass Flüchtlinge von Politikern und Militärs als Druckmittel in der Außenpolitik eingesetzt werden können, ist aus zahllosen Kriegen und Konflikten bekannt. Im Jahre 2016 ist zu dem Phänomen von der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin Kelly M. Greenhill das Buch ›Massenmigration als Waffe: Vertreibung, Erpressung und Außenpolitik‹ erschienen. Das englischsprachige Original ist von 2011 und wurde von der International Studies Association (ISA) als bestes Buch des Jahres 2011 ausgezeichnet.

      Gegnerische Staaten lassen sich destabilisieren, indem man das Land des Gegners mit Flüchtlingen flutet, und damit in dem betreffenden Land Kämpfe um Ressourcen zwischen Einheimischen und Hinzugekommenen provoziert.

      Ein gegnerisches Land mit Flüchtlingen zu destabilisieren bedeutet jedoch noch lange nicht, dass man das betreffende Land auch gleich regelrecht zerstört. Edward Korkowski jedoch spricht in dem Zusammenhang davon, dass in Deutschland »die Demokratie […] zum Einsturz« gebracht – also offenbar eine Diktatur errichtet oder eine Anarchie ausgelöst werden soll. Er befürchtet, es würde »alles einstürzen, [und°] in sich zusammenfallen«. Demnach ginge es nicht nur darum, Deutschland zu destabilisieren, auszutricksen oder abzuzocken – nein, Deutschland in seiner heutigen Form soll, so Edward Korkowski, zum Einsturz gebracht werden.

      Das wiederum wirft die Frage auf: Hat denn Deutschland heutzutage überhaupt noch solch erbitterte Feinde? Wer bitte sollte das denn sein? Das ist das eigentlich Ungeheuerliche an Edward Korkowskis Text: Der Gedanke, dass Deutschland einen Todfeind hat, von dem es im Prinzip noch nicht einmal etwas ahnt.

      Wie bitte wäre das möglich? Wie könnten die Deutschen einen so hinterhältigen Feind haben, aber nichts von ihm wissen? … Nun, die Antwort ist vielleicht ganz einfach: Der Feind wäre eben ein falscher Freund.

      Damit jedoch wird es besonders ekelhaft. Denn eigentlich wäre Deutschland dann geradezu von falschen Freunden umgeben. Normalerweise müsste Deutschland ja wenigstens ein paar echte Freunde haben, die es auf die große Gefahr hinweisen.

      Und natürlich: Die Deutschen müssten auch zu dumm und zu instinktlos sein bzw. wieder einmal zu gutgläubig. Das am Rande.

      Edward Korkowskis implizierte Verschwörungstheorie vom falschen Freund der Deutschen; ein Feind, der es verrät und in der heutigen Form von innen heraus zerstören will, gehört sicher in die Top Ten der internationalen Verschwörungstheorien; verschwörungstheoretischer geht es kaum. Dumm ist nur: Verrat hat nichts mit politisch rechts oder links zu tun, nichts mit Herkunft oder Religion, Partei, Club oder Bündnis. Verrat gibt es seit jeher, überall, weltweit. Fragen Sie einmal Kriemhild, Hagen und Siegfried, fragen Sie Judas und Jesus, Brutus und Julius Caesar, fragen Sie Graf von Stauffenberg und Adolf Hitler, Günter Guillaume und Willy Brandt, Donald Trump … und wer weiß, wen sonst noch alles? Verrat gibt es schon immer, und schon immer überall.

      Weiter behauptet der Seher, der ausländische Feind würde sich verräterischer Gruppierungen aus Deutschland bedienen. Konkret spricht er von »heimatlichen Demokratiemissbrauchern, welche die Ordnung der Demokratie unterhöhlen und gefährden«. Diese Demokratiemissbraucher nennt Korkowski im selben Atemzug mit »Verfolgte(n), Freiheit und Lebensmöglichkeit suchende(n) Menschen«, woraus sich schlussfolgern ließe, die Demokratiemissbraucher instrumentalisierten die Zuzügler und Flüchtlinge lediglich für ihre politischen Interessen.

      Wie auch immer, bereits 1985 bzw. 1990 liefert Edward Korkowski eine ziemlich interessante Skizze der politischen Rahmenbedingungen einer kommenden Zuwanderungskrise; sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Ähnlich verblüffend ist seine Beschreibung der Flüchtlinge. Er teilt sie grob in drei Kategorien:

       Menschen, die gut sind – viele Verfolgte, Freiheit und Lebensmöglichkeit suchende Menschen

       Menschen, die gut sind – [aber davon°] viele, die dumm und manipulierbar sind. Sie sind sich dessen gar nicht bewusst, dass sie gesteuert werden, um die Demokratie in diesem Lande zum Einsturz zu bringen.

       schlechte und primitive Menschen – eine große Zahl von Mördern, Sadisten, vielerart Gewalttätern, wie auch Fanatiker; eingeschleuste Falschspieler

      Wir sehen: Edward Korkowski differenziert. Keinesfalls kann man ihm pauschal Ausländerfeindlichkeit unterstellen. Sicher, über gewisse Nuancen ließe sich streiten, doch dass ein Teil der Einwanderer „Gefährder“ sind, geben ja selbst staatliche Stellen zu. So teilte im Oktober 2020 die Anti-Terror-Zentralstelle der Justiz in Nordrhein-Westfalen mit, dass man in diesem Bundesland aktuell 200 Gefährder beobachte, die man dem Islamischen Staat zurechne.18 NRW hat 18 Mio. Einwohner, umgerechnet auf 83 Mio. Einwohner in ganz Deutschland wären das rund 920 Gefährder. Und natürlich kommt noch ein gewisser Prozentsatz hinzu, denn es fragt sich, ab wann jemand als gefährlich genug gilt, um als Gefährder in die Kartei aufgenommen zu werden? Die Gefährlichkeit des tunesischstämmigen Terroristen Anis Amri beispielsweise, der am 19. Dezember 2016 mit einem Sattelschlepper auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz in Berlin elf Menschen tötete und 55 weitere verletzte, wurde offenkundig nicht hoch genug eingeschätzt.

      Man wird Edward Korkowski also kaum einen Strick daraus drehen können, wenn er von einer »große(n) Zahl von Mördern, Sadisten, vielerart Gewalttätern, wie auch Fanatiker …« spricht, und schon offizielle Zahlen umgerechnet auf 900 »Gefährder im Bereich islamistischer Terrorismus« kommen – Dunkelziffer nicht mitgezählt.

      Nicht zutreffend ist Korkowskis Bild mit den Ameisen, die sich durch alles hindurchfressen. Das machen keine Ameisen, sondern Termiten. Was das erklärtermaßen symbolische Bild der Ameisen betrifft, so sei angemerkt, dass Ameisen in den etablierten Massenmedien eine recht lange Tradition als Sinnbild für den ostasiatischen Kollektiv-Menschen haben. So findet sich beispielsweise nach ganz kurzer Google-Recherche ein SPIEGEL-Artikel von 2011, in dem die Rede ist von chinesischen »Arbeitsameisen«.19 Letztlich sind die Ameisen aber auch gar nicht entscheidend,