Eva sieht rot. Liza Cody

Читать онлайн.
Название Eva sieht rot
Автор произведения Liza Cody
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783867548861



Скачать книгу

vermöbelt«, sagte Crystal. »Man lernt, was man machen kann, dass man selber nicht vermöbelt wird.«

      »Hätte nie gedacht, dass du ein kesser Vater bist, Crystal«, sagt der Wirt. »Dafür sind deine Beine nicht haarig genug, und außerdem bist du viel zu klein.«

      »Also, ich finde die Idee gut«, sagte die Wirtin. »Nach allem, was hier passiert ist. Als Frau ist man seines Lebens nicht mehr sicher, wenn man sich bloß eine Zeitung holen geht. Ich melde mich auch für ein paar Stunden an, Crystal.«

      »Wozu willst du Selbstverteidigung lernen?«, sagte der Wirt. »Du hast doch mich.«

      »Aber immer bist du auch nicht da«, sagte sie. »Und außerdem, wer beschützt mich vor dir, wenn du ausrastest?«

      »Das reicht!«, sagte der Wirt. Er zeigte auf Bella, Mandy und Stef, die an ihrem Tisch saßen und auf die Drinks warteten. »Es kommt nicht in Frage, dass du zusammen mit diesem Gesocks einen Kurs machst. Meine Frau gibt sich nicht mit der Sorte Frauen ab. Vielleicht wäre es ja tatsächlich gut, wenn sie lernen, auf sich aufzupassen, was weiß ich. Es ist mir auch egal. Ich bin für sie nicht verantwortlich. Aber für meine Frau. Und ich lasse mir doch durch dich und deine Schnapsideen nicht meinen guten Ruf ruinieren.«

      Das Komische an der Sache war, ich hätte ihn am Schlafittchen packen, über die Theke ziehen, ihm ein paar leichte Schläge auf das Knubbelkinn geben, einen Schluck Bier trinken, seiner Frau eins über den Schädel geben und seine Kasse ausrauben können, ohne dafür länger zu brauchen als er für seine kotzblöde Rede. Der Typ? Der hätte nicht mal ’ne Ente vor einer trockenen Brotrinde beschützen können! Seinen guten Ruf konnte er sich meinetwegen sonst wohin schieben.

      »Eva!«, sagte Crystal. »Bring die Gläser rüber und halt die Klappe.«

      Der Mickerling von Wirt konnte von Glück sagen, dass ich Selbstbeherrschung und mentale Disziplin geübt habe.

      Ich brachte die Gläser an unseren Tisch, aber die Klappe hielt ich nicht. »Was du von mir hältst, ist mir scheißegal«, sagte ich zu Bella. »Euer Beruf ist mir scheißegal, und ihr seid mir scheißegal. Aber wenn ihr lernen wollt, euch zu verteidigen, und wenn die Kohle stimmt, dann zeige ich euch, was Sache ist. Ja oder nein, ihr müsst euch entscheiden.«

      Wir gingen und standen erst mal draußen vor dem Full Moon, auf dem Gehsteig rum. Die Kneipe lag an einer vielbefahrenen Straße, durch die sich stöhnend und ächzend der Verkehr schob.

      »Was sollte das übrigens heißen, dass ich kein Einstein werden kann?«, fragte ich Crystal. »Ich kann alles werden, was ich will. Wer ist denn dieser Einstein überhaupt?«

      »Niemand«, sagte Crystal. »Ich meinte bloß, dass sich manche Sachen nun mal nicht ändern lassen. Du könntest zum Beispiel nie Schuhgröße 35 tragen, und wenn du dir noch so viel Mühe gibst.«

      »Ach so«, sagte ich. Ich hatte schon gedacht, sie wollte mich beleidigen. Dabei war das gar nicht ihre Absicht gewesen.

      »Genau«, sagte Bella. »Einstein war ein Kerl mit kleinen Füßen und einem großen …«

      »Klappe!«, sagte Crystal.

      »Ist mir doch egal, wie groß dem sein Gehänge war«, sagte ich. »Was stehen wir hier eigentlich an der Ecke rum wie die Zeitungsverkäufer?«

      »Weil es eine gute Ecke ist«, sagte Mandy. »Die Wagen müssen bremsen, wegen der Ampel da vorne. Wenn man hier steht, können einen die Fahrer schon mal beliebäugeln, und weil sie nicht so viel Tempo draufhaben, können sie halten und einen anquatschen, wenn ihnen danach ist.«

      »Das ist eure Masche?«, sagte ich. »Hier rumstehen und auf Autofahrer warten?« Was für eine Art, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen!

      »Manchmal«, sagte Mandy. »Manchmal lernt man die Kerle auch im Pub kennen oder beim Auf- und Abgehen.«

      »Ist das die Stelle, wo sie Dawn allegemacht haben?«, fragte ich.

      »Kannst du nicht ein bisschen Rücksicht nehmen?«, sagte Bella. »Denkst du eigentlich nie nach, bevor du die Klappe aufreißt?«

      »Ist schon gut«, sagte Crystal. »Sie hat es nicht so gemeint. Nein, Eva, das war nicht hier. Ich zeig’s dir.«

      »Ich zeig’s ihr schon«, sagte Bella zu Crystal. »Du brauchst nicht mitkommen.«

      »Ist schon okay«, sagte Crystal. »Ich will die Stelle ja auch sehen.«

      »Also dann«, sagte Bella. »Es läuft so. Du sitzt in der Kneipe. Ein Kerl kommt an deinen Tisch, du stehst auf, und normalerweise folgt er dir dann nach draußen.« Sie ging los, wir trotteten hinterher.

      »Dann kommt ihr zu dieser Gasse neben der Kneipe«, sagte sie.

      Sie bog in die Gasse ein. Es war ein enger Schlauch. Auf der einen Seite war die Kneipe, auf der anderen Geschäfte. Soweit ich sehen konnte, gab es keine Beleuchtung.

      »Manchmal können sie es gar nicht abwarten«, sagte Bella, »und wollen es gleich hier im Stehen erledigen. Sonst …«, sie ging etwa zwanzig Schritte weiter, »… sonst gehen wir hier durch, auf den Parkplatz.«

      Ich sagte: »Und das ist die Stelle?«

      »Ja«, sagte Bella.

      Die Gasse führte an dem Durchbruch in der Mauer vorbei. Sogar bei Tag war es dunkel. Es sah wirklich unheimlich aus. Auch wenn ich nicht gewusst hätte, dass Dawn hier umgebracht worden war, hätte es mich gegruselt. Diese Gasse war gerade breit genug für zwei Personen, dabei stießen sie aber schon mit den Armen und Schultern aneinander. Wir waren im Gänsemarsch gegangen – zuerst Bella, dann Crystal, dann ich und hinter mir Mandy und Stef.

      Auf dem ganzen Weg hatte ich Crystals Nacken vor mir gehabt, den kleinen Äffchenkopf auf dem schmalen Hals, und ich konnte mir gut vorstellen, wie ihr jemand den Arm um den dünnen Stängel legte und ihr den Kopf nach hinten drehte. Knacks. Sie hätte nicht die leiseste Chance.

      »Aber normalerweise«, sagte Stef, »gehen wir hier durch.«

      Hinter dem Mauerdurchbruch kam man auf eine Art Parkplatz. Drei kleinere und ein großer Lastwagen wurden an den Liefereingängen der Geschäfte entladen. Auch einige Pkws standen dort.

      »Tagsüber ist es ein Privatparkplatz und eine Lieferzone«, sagte Stef. »Aber nachts kommen alle möglichen Typen her.«

      »Wenn man vor der Kneipe zu einem Freier in den Wagen steigt«, sagte Mandy, »erklärt man ihm meistens den Weg hierher. Weil es hier so schön ruhig ist.«

      »Es kommt fast nie ein Bulle vorbei«, sagte Stef. »Und man hat nur ein paar Schritte zu laufen, bis man wieder im Full Moon ist«, sagte Mandy.

      »Ich halt’s im Kopf nicht aus«, sagte ich. »Der Parkplatz ist ja schon schlimm genug, aber die Gasse ist tödlich. Ihr könntet keinen riskanteren Arbeitsplatz finden, und wenn ihr ein ganzes Jahr suchen würdet.«

      Ich drehte mich um. Crystal stand immer noch in der Gasse, als ob sie Wurzeln geschlagen hätte. Sie ist aber auch so was von bescheuert. Sie hätte wissen müssen, dass sie es nicht packt.

      »Du fängst doch hoffentlich nicht an zu heulen?«, sagte ich.

      »Halt’s Maul!«, sagte Bella. Sie ging zu Crystal hinüber, nahm ihre Hand und führte sie zurück zur Straße.

      Wir anderen folgten.

      »Du hast ein Herz aus Stein«, sagte Mandy hinter mir.

      Was nur bewies, wie blöd sie war. Ich wollte doch bloß helfen, aber bei manchen Leuten reicht eben der Verstand noch nicht mal dazu aus, dankbar zu sein.

      Trotzdem behagte es mir nicht, dass ich sie im Nacken hatte. Ich habe nicht gern jemand hinter mir, wenn es so eng ist, dass ich die Fäuste nicht fliegen lassen kann.

      Natürlich wäre ich im Notfall mit ihr fertig geworden. Spielend. So ein Fettkloß konnte mir