Название | Eva sieht rot |
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Автор произведения | Liza Cody |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783867548861 |
»Natürlich«, sagte ich. Crystal ist wie ich. Sie hat eine Menge Selbstachtung.
»Aber er hat seine Meinung nicht geändert«, sagte Crystal, »Bis Dawn dann ihren ganzen Mut zusammengenommen hat und zum Arzt gegangen ist. Bis all die Tests gemacht waren, war sie schon fast im fünften Monat, und da wollte es ihr keiner mehr wegmachen. Und dann hat unsere Mum Wind davon gekriegt, und ihr Mann hat Dawn rausgeschmissen.«
»Und du bist wahrscheinlich mitgegangen«, sagte ich. »Um auf sie aufzupassen.« Wenn es meine Schwester gewesen wäre, hätte ich nämlich dasselbe gemacht. Nur dass meine Schwester nie so in die Bredouille geraten würde. Dafür ist sie viel zu klug, und mit Männern hat sie auch nichts am Hut.
»Klar«, sagte Crystal. »Wir sind nach London gegangen und haben auf der Straße gelebt, und eines Nachts kriegte Dawn Schmerzen, und dann kam das Baby, ein kleines Mädchen, ganz grün und blau, als ob sie verprügelt worden wäre, und sie wollte einfach nicht atmen, und deshalb haben wir sie im Garten von einem der Abrisshäuser in der Kipling Street begraben.
Eigentlich war es meine Schuld. Ich hatte den Dreh noch nicht raus und konnte nie so viel zusammenschnorren, dass Dawn genug zu essen bekam. Aber im Grunde war es besser so. Zu dritt hätte ich uns nie durchgebracht, und Dawn wäre bestimmt ins Heim gekommen. Das hätte sie nie ertragen.
Jedenfalls war sie von der Liebe geheilt, und der nächste Kerl, mit dem sie sich einließ, musste blechen. ›Crystal‹, hat sie zu mir gesagt, ›es ist genau dasselbe, wie wenn man es aus Liebe macht, man hat nur etwas mehr zu essen auf dem Tisch.‹
Und weil sie immer noch jung und hübsch war, hat ihr irgendwann ein anderer Kerl das Zimmer in Paddington gegeben. Und er hat auf sie aufgepasst. Und obwohl sie ihm zwei Drittel ihrer Einnahmen abgeben musste, ging es ihr trotzdem viel besser als je zuvor. So gut ist es ihr auch danach nie wieder gegangen.«
»Du wolltest doch nicht flennen«, sagte ich.
»Ich flenn doch gar nicht«, sagte sie. »Ich bin bloß wütend.«
Also lieh ich ihr ein T-Shirt, damit sie sich die Nase putzen konnte.
3
Ich habe gesagt, dass ich gerne Geschichten höre, aber diese gefiel mir nicht besonders. Außerdem habe ich sie schon viel zu oft gehört. Mit anderen Namen und anderen Worten kommt sie dir doch bestimmt auch bekannt vor.
Crystal döste auf meiner Couch ein, also ging ich raus und patrouillierte mit Ramses und Lineker noch ein paarmal durch das Gelände.
»Ein Glück, dass du kein Weibchen bist«, sagte ich zu Lineker. »Du bist genau die Sorte, die sich von einem verheirateten Kerl ein Kind anhängen lassen würde.« Er war schlank, schön und dösig, und wenn er Ramses und mich nicht gehabt hätte, die ihn auf Trab hielten, wäre er von allen nach Strich und Faden ausgenutzt worden.
Als ich noch jung war, habe ich andauernd solche Geschichten gehört. Wenn du viel Zeit in Besserungsanstalten und Heimen verbringst, hörst du so ziemlich alles, was einem Mädchen überhaupt zustoßen kann. Und eines kann ich dir sagen, die Liebe kann ein verdammt tödliches Spiel sein. Was für die Mädchen Liebe ist, ist für die Jungen Gebumse, nur wollen das die Mädchen nicht wahrhaben. Ich bin bloß froh, dass ich mehr Rückgrat habe.
Wetten …? Du denkst jetzt bestimmt, ich habe keinen Schimmer, wovon ich rede. Du wirfst einen Blick auf mich und denkst, auf die war nie einer scharf. Was weiß die schon von Sex? Das beweist mal wieder, wie wenig Ahnung du hast.
Ich habe es einmal probiert, und es hat mir nicht gefallen. Jetzt weißt du’s.
Na ja, eigentlich habe ich es nicht probiert. Sondern jemand hat es mit mir gemacht. Aber gefallen hat es mir trotzdem nicht. Und um die Wahrheit zu sagen, er hatte auch nicht viel davon. Vor allem nicht, nachdem ich seine Hose in den Heizkessel geschmissen hatte. In einem Heizungskeller ist es nämlich passiert – als ich mal wieder im »Heim« war. Ich habe oft den Unterricht geschwänzt und mich im Heizungskeller verkrochen, weil es der wärmste Raum in dem ganzen Bau war, und eines Nachmittags hat mich der Hausmeister erwischt. Er sagte, er würde mich nicht verraten, wenn ich mich von ihm betatschen ließe. Haha. Jedenfalls hat er seine Hose verloren, und ich habe rausgekriegt, wo manche Mädchen ihre Süßigkeiten und Zigaretten herhatten.
Und so was sollte ein »Heim« sein? Dass ich nicht lache!
Was du in diesen Anstalten natürlich nie hörst, sind die Geschichten von den Mädchen, die den todschicken Kerl im großen roten Wagen geheiratet haben. Denn irgendeine muss ihn sich ja schließlich geangelt haben, oder? Sonst hätte er wohl kaum Frau und Kinder gehabt. Und vielleicht glaubte sie, sie wäre sein Ein und Alles. Vielleicht sind sie samstags zusammen losgezogen und haben Tapeten für das Gästezimmer ausgesucht. Vielleicht hat sie nie etwas von der kleinen Dawnie und dem blauen Baby erfahren. Oder sie wusste es doch. Vielleicht hat sie sich von ihm scheiden lassen und ihn ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Oder sie ist immer noch mit ihm zusammen, kocht ihm das Essen und sieht sich mit ihm seine Lieblingssendungen im Fernsehen an, weil sie nicht an seine Kröten rankommt und lieber unglücklich sein will als arm.
Wer die Mäuse hat, hat die Macht, sage ich immer. Deshalb will ich auch so viel Kohle wie möglich machen. Und wenn ich dann reich und berühmt bin, muss ich nie mehr irgendwelchen Geldsäcken in den Arsch kriechen.
Als ich keine Lust mehr hatte, Lineker zuzusehen, wie er Ratten jagte, ging ich zurück in den Hänger. Crystal war wieder wach und hatte den Kessel aufgesetzt. Ihr kleines Affengesicht war todtraurig, und ich fand, es wurde langsam Zeit, dass sie nach Hause ging. Sie machte mir Beulen in mein sonniges Gemüt.
Aber sie sagte: »Wenn ich bloß wüsste, was für Schweine das gewesen sind, Eva. Es war nämlich mehr als einer. Die Mädchen haben gesagt, dass Dawn mit zwei Kerlen rausgegangen ist, und ihr Körper war mit Abdrücken von Fäusten und Stiefeln übersät.«
»Falls ich den Selbstverteidigungskurs gebe«, sagte ich, »lautet eine meiner ersten Regeln: ›Nimm dir nie mehr als einen Kunden auf einmal vor.‹ Blöder geht’s doch wirklich nicht.«
»Dawn war nicht sehr helle«, sagte Crystal.
»Na ja, sie war aber auch ziemlich abgefüllt«, sagte ich großmütig. »Vielleicht hat sie doppelt gesehen.«
»Sie hatte kein Geld mehr bei sich«, sagte Crystal. »Die Scheißkerle müssen sie auch noch ausgeraubt haben.«
»Vielleicht hat sie alles versoffen.«
»Nein«, sagte Crystal. »Die Mädchen haben gesagt, ihren letzten Drink hätte sie mit einer Zehnpfundnote bezahlt.«
»Die nächste Regel«, sagte ich. »Immer schön dein Geld bei dir behalten. Ist doch Schwachsinn, mit großen Scheinen zu wedeln und irgendwen auf dumme Gedanken zu bringen.«
»Ich glaube nicht, dass es um das Geld ging«, sagte Crystal. »Es waren doch bloß ein paar Pfund. Und sie hat auch nicht gerade reich ausgesehen. Im letzten Jahr jedenfalls nicht mehr. Da machte sie eher einen abgerissenen Eindruck.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Ich habe sie gesehen.« Wie aus der Gosse gezogen. Keine Selbstachtung.
»Aber mir hat sie trotzdem etwas bedeutet«, sagte Crystal. »Sie war meine Dawnie. Nur konnte ich ihr das Saufen nicht abgewöhnen und das Anschaffengehen auch nicht. Das habe ich nie geschafft. Auch früher nicht, als wir noch jünger waren. Und jetzt gibt kein Schwein mehr einen Pfifferling für sie. Den Bullen ist sie egal. Die suchen noch nicht mal nach dem Mörder. Die sagen, für eine wie Dawn ist so was Berufsrisiko.«
»Typisch«, sagte ich. Es soll keiner behaupten können, dass ich mit der Polizei einer Meinung bin, aber diesmal hatten die Bullen gar nicht so unrecht.
»Also, Eva«, sagte Crystal. »Wenn ich herauskriege, wer es war, hilfst du mir dann, die Kerle umzubringen? Oder mich sonst irgendwie zu rächen?«
Was