Eva sieht rot. Liza Cody

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Название Eva sieht rot
Автор произведения Liza Cody
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783867548861



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kleiner ist oder verletzt. Die knallt alle mit der Nase auf die Bretter, ohne Rücksicht auf Verluste. Und wenn die Londoner Killerqueen ein Herz aus Stein hat, muss Eva Wylie sich genauso abgebrüht geben. Dabei ist sie tief drinnen weich und warm und kuschelig.

      Mach dir nichts vor. Dawn ist mir schnurzpiepegal. Was hat Dawn je für mich getan, außer mich in einer kalten Nacht vor die Tür zu setzen? Wer war damals das herzlose Luder? Sie, mit ihren Pralinen und ihren heizbaren Lockenwicklern. Hat sie sich einen Dreck um mich geschert? Hat sie nicht. Sie war jung und hübsch und so taufrisch, wie man es bei ihrem Leben überhaupt sein kann. Das war ihr Glück. Aber sie hat es nie mit jemandem geteilt, auch nicht mit ihrer kleinen Schwester.

      Jung und hübsch, das war einmal. Gestern hatte sie eher verquollen und schwammig ausgesehen. Ein Fleischklumpen auf dem Bürgersteig. Jetzt war sie ein Fleischklumpen in einem Kühlfach.

      Wenn ich eines Tages abtrete, dann mit einem Knalleffekt.

      Ich will kein Fleischklumpen sein, den jeder ausgenutzt hat und keiner kannte. Wenn ich einmal abtrete, kennt jeder meinen Namen. Ich werde jemand sein. Du wirst schon sehen!

      Also lass mich mit Dawn in Ruhe. Ich will nichts davon wissen.

      Darum habe ich auch nicht nach Crystal gesucht. Was geht mich Crystal an? Ich kannte sie ein bisschen, als es uns beiden dreckig ging – eine Zeit, an die ich mich nicht allzu gern erinnere –, und wir leben beide auf demselben Quadratkilometer Südlondons. Das ist nichts Besonderes. Das tun zwei Millionen andere auch. Denen schulde ich genauso wenig.

      Am Abend kam Crystal mich besuchen. Ich saß auf der Hängertreppe und aß kalte Spaghetti aus der Dose. Lineker scharwenzelte um mich rum, obwohl er weiß, dass ich ihm nichts abgebe. Er wird gefüttert, wenn er seine Arbeit gemacht hat, und keine Minute früher. Wieso sollte er besser behandelt werden als andere Berufstätige? Er ist schließlich kein Schoßhund.

      Plötzlich hörten wir Ramses am Tor.

      »Ro-ro-ro«, machte Ramses. Er bellt wie ein voll aufgedrehter Elektrobass.

      Lineker stellte die Ohren auf, aber das war auch schon alles. Mir ging der Hut hoch.

      »Lineker«, sagte ich. »Du bist ein gefräßiger, fauler Schwachkopf. Wenn ich dich nicht ins Herz geschlossen hätte, wärst du längst zu Katzenfutter verarbeitet worden – zu fünfzig Dosen Katzenfutter, bei deiner Größe.«

      Mein Ton gefiel ihm nicht. Das war an dem Abend das erste Mal, dass bei ihm ein Fünkchen Verstand aufblitzte. Mir war auch wirklich nicht zum Spaßen zumute. Lineker drückt sich gern, wenn es schwierig wird, und das mag ich ganz und gar nicht.

      Er lief los, machte »yak-yak-yak« und fletschte die großen weißen Zähne, als ob er es ernst meinte. Was ist dieser Hund doch für ein Angeber.

      Ich bewaffnete mich mit Schraubenschlüssel und Taschenlampe und ging hinterher. Am Zaun hängt ein Schild, auf dem »Armour Protection« steht. Das Schild ist kaum noch zu lesen, und ich weiß auch nicht, wer Armour Protection war oder ob es die Firma je gegeben hat, aber jetzt nenne ich jedenfalls Ramses, Lineker und mich so. Es ist ein guter Name, klingt irgendwie gefährlich.

      Als ich ans Tor kam, stand Ramses mit hochgezogenen Schultern und vorgeschobenem Kopf vor dem Zaun, und Lineker rannte aufgeregt auf und ab. Er kläffte immer noch, aber Ramses gab nur noch ein tiefes, stählernes Grollen von sich. Das hört sich schön unheimlich an. Wenn du direkt neben ihm stehst, kannst du zwischen ihm und dem Röhren einer 1000er Harley manchmal nicht mehr unterscheiden.

      Ich schlug mit dem Schraubenschlüssel gegen den Zaun und schrie: »Wer ist da?« Ich dachte, es wären Kids, aber es war Crystal.

      Sie sagte: »Eva, ich bin’s. Kannst du mal kurz rauskommen?«

      »Nein«, sagte ich. »Ich bin im Dienst.«

      »Kannst du dann vielleicht irgendwas mit den Hunden machen und mich reinlassen?«

      »Die sind auch im Dienst«, sagte ich. Es war mir peinlich, mich mit jemandem zu unterhalten, dessen Schwester in einem Kühlfach lag, und ich wollte zurück zu meinen Spaghetti. Außerdem war Crystal nicht allein, und wenn du glaubst, ich würde irgendwelche Fremden auf meinen Schrottplatz lassen, bist du noch dümmer, als ich dachte.

      »Hat dir der Typ nichts gesagt?«

      »Was für ein Typ?«

      »Im Fitnessstudio«, sagte sie. »Er sollte dir was ausrichten.«

      »Ach so, im Studio«, sagte ich. »Ich war heute nicht da. Ich habe meine Ma besucht.«

      Was, wie du ganz genau weißt, eine dicke Lüge war. Ich hätte meine Ma besuchen sollen. Ich hatte sogar daran gedacht, sie zu besuchen, aber dann wollte ich mir lieber doch nicht die Ohren von ihr volljammern lassen. Genauso wenig wie von Crystal.

      »Dann weißt du es noch gar nicht?«, sagte Crystal. »Dawn ist tot.«

      »Scheiße«, sagte ich. Ich versuchte, mitfühlend zu klingen. Schließlich ist eine Schwester eine Schwester, auch wenn sie für ein paar miese Kröten ihre Haut zu Markte trägt.

      »Sie haben sie in der Gasse hinter dem Full Moon zusammengeschlagen«, sagte Crystal. Also war Dawn doch nicht ertrunken. Ich weiß selber nicht, wie ich darauf gekommen bin. Vielleicht, weil sie so aufgedunsen ausgesehen hatte.

      »Wir haben sie doch ins Bett gesteckt«, sagte ich. Ich wollte damit nichts zu tun haben. »Als wir gegangen sind, ging es ihr gut.«

      »Sie muss wohl noch Durst gekriegt haben«, sagte Crystal. »Als ich nach Hause kam, war sie jedenfalls weg. Sie ist die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen. Heute Morgen habe ich es dann erfahren. Ich musste sie identifizieren. Eva?«

      »Ja?«

      »Ich hab sie nicht mehr wiedererkannt. So übel war sie zugerichtet.«

      Dazu kannst du nicht viel sagen.

      »Schnauze, Ramses«, knurrte ich. Ramses sah mich mit seinem Ich-bin-ein-Babyfresser-Blick an.

      Die Fremde hatte noch keinen Mucks von sich gegeben, aber jetzt sagte sie: »Ich war gestern Abend im Full Moon. Ich glaube, sie ist mit zwei Kerlen mitgegangen.«

      »Die blöde Kuh«, sagte ich.

      »Sie war betrunken.«

      »Trotzdem.«

      »Crys?«, sagte die Fremde. »Hast du nicht gesagt, sie hätte Mitleid?«

      »Nie im Leben«, sagte Crystal. »Ich habe bloß gesagt, dass sie vielleicht helfen kann. Aber kein Wort von Mitleid.«

      »Worum geht’s hier eigentlich?«, fragte ich.

      »Um ein paar Frauen, die im Full Moon anschaffen gehen«, sagte Crystal. »Sie wollen Karate lernen oder so.«

      »Haha«, sagte ich. »Diese Schlampen?«

      »Haha, ja« sagte die Fremde. »Wir ›Schlampen‹.«

      Crystal sagte: »Dawn war nämlich nicht die Erste in unserer Gegend, die es erwischt hat.«

      »Und sie wird auch nicht die Letzte sein«, sagte die Fremde. »Wenn wir uns nicht organisieren.«

      »Ihr und euch organisieren?« Ich musste lachen. »Was habt ihr vor, wollt ihr eine Nuttenwehr gründen?« Ich konnte mich nicht wieder einkriegen.

      Die Fremde richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, wobei nicht sehr viel herauskam, und sagte: »Für den Anfang sollst du uns erst mal Selbstverteidigung beibringen. Aber wenn du keine Lust hast, tragen wir unser Geld eben woandershin.«

      Ich hörte auf zu lachen. Ich sagte zu Crystal: »Meint die das ernst? Und was hast du damit zu tun?«

      »Eigentlich gar nichts«, sagte Crystal. »Es war nur so, dass ich unbedingt ins Full Moon gehen musste. Die Bullen sagen einem nämlich überhaupt nichts, Eva. Wenn es jemanden wie die arme Dawnie trifft, ist es ihnen ziemlich egal. Sie meinen, so eine hätte es nicht anders verdient. Deshalb musste ich ins Full Moon