Eva sieht rot. Liza Cody

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Название Eva sieht rot
Автор произведения Liza Cody
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783867548861



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Rundgang auf dem Gelände. Eigentlich muss ich die ganze Nacht aufpassen, aber manchmal habe ich noch andere Sachen zu erledigen. Kommt immer darauf an, wer besser zahlt. Aber solange ich rechtzeitig zurück bin, um die Hunde zu füttern und das Tor aufzuschließen, braucht davon keiner was zu erfahren.

      Heute Abend hatte ich eine Verabredung mit der Feindin. Sie hält sich für wahnsinnig clever und cool und lauert bloß darauf, mich eines Tages zu schnappen. Wobei sie mich schnappen will? Solche Leute gibt es eben, und sie haben alle irgendwas mit der Polizei zu tun.

      Du hast’s erfasst, die Feindin ist eine Bullentante. Sie sagt zwar, sie ist nicht mehr bei der Truppe, aber ich sage, einmal Bulle, immer Bulle. Das bleibt kleben wie Scheiße an den Schuhen.

      Auf dem Schild an ihrer Bürotür steht »Lee – Schiller«. Lee ist die Feindin, Schiller ihr Partner. Er ist ein alter Krauter, die Sekretärin ist eine alte Schreckschraube. Die Feindin hat ein richtiges Altenzentrum aufgemacht. Deshalb braucht sie mich. Ich muss die Jobs erledigen, die einer mit Krückstock nicht schafft.

      Ich machte die Tür auf, und es klingelte. Die Schreckschraube saß an ihrem Tisch und schrieb etwas in ein großes Buch.

      Sie sagte: »’n Abend, Eva. Wollten Sie Ihr Geld abholen?«

      »Was dachten Sie denn?«, sagte ich.

      Sie gab mir einen Briefumschlag. Ich riss ihn auf und zählte die Scheinchen. Alles da.

      »Haben Sie einen neuen Auftrag für mich?«, fragte ich.

      »Anna ist im Moment nicht da«, sagte sie. Als ob ich das nicht gewusst hätte. Sonst taucht die Feindin nämlich sofort auf, wenn es an der Tür klingelt. Neugierige Kuh – muss immer wissen, was gespielt wird. Auch wenn es sie nichts angeht. Typisch Bulle.

      »Wenn etwas hereinkommt, weiß sie ja, wo sie Sie finden kann«, sagte die Schreckschraube. Was mich stinksauer machte. Darum kreuze ich ja regelmäßig bei der Feindin auf. Weil es mir nicht besonders gefällt, dass sie weiß, »wo sie mich finden kann«. Wenn es etwas gibt, was du über mich wissen solltest, dann das: Eva Wylie wurde nicht in die Welt gesetzt, um der Polizei das Leben leichter zu machen.

      Und die Feindin machte mir das Leben schwer. Kein Nebenjob, keine Extrakohle. Ach, sie konnte mich mal.

      Am nächsten Tag erfuhr ich, dass Dawn tot war.

      Ich stand wie immer gegen drei Uhr nachmittags auf; ich machte Tee und aß Bananen und ein paar Marmeladenbrote zum Frühstück. Dann ging ich zum Trainieren und Duschen in Sams Fitnessstudio. Da versammelt sich die ganze Truppe von Deeds Promotions. Manche von uns trainieren profimäßig – Harsh und ich zum Beispiel. Die anderen hängen bloß dumm rum, posieren und tratschen. Ich gehe jedenfalls ins Studio, um in Form zu bleiben und zu erfahren, wann ich meinen nächsten Kampf habe. Außerdem hole ich mir da meine Börse ab.

      Es gibt auf dieser Welt nicht viele Leute, die dir die Kohle bar auf die Kralle zahlen, wie es sich gehört. Du machst deine Arbeit, aber auf den Lohn lassen sie dich warten. Das haben sich die Oberbosse fein ausgedacht. Es ist doch so: Wer meinen Kampf sehen will, muss zahlen, sonst kommt er nicht rein. Also ist die Kasse voll. Wieso muss ich dann auf meine Kohle warten? Hä? Weißt du’s vielleicht? Wieso kriegt Mr. Deeds von Deeds Promotions, der bloß den ganzen Tag auf seinem fetten Arsch sitzt, seine Kohle zuerst? Und wieso bin ich, also diejenige, die die ganzen blauen Flecken und Beleidigungen erntet, als Letzte an der Reihe, wenn es ans Löhnen geht?

      »Bitte sehr, zähl ruhig nach«, sagte er, als ob er mir einen Gefallen täte. »Es ist alles da, aber du kannst es ruhig nachzählen. Wie immer.«

      Und ich habe es nachgezählt. Sonst müsste ich auch schön blöd sein. Bei meinem letzten Kampf hatte ich es mit einer gewissen Gypsy Jo zu tun, und als ich sie in der letzten Runde an den Knien runterriss, kriegte sie ein Bein frei und ist mir mit dem Stiefel auf den Ellenbogen getrampelt. Er tut mir seit Tagen weh, und wenn Mr. Deeds meint, ein schlimmer Ellenbogen wäre nicht wenigstens ein paar Scheinchen wert, ist er ein noch größerer Vollidiot, als seine Frau sowieso schon denkt.

      »Du hast da eine Schwellung«, sagte Harsh. Er wurde heute auch ausgezahlt. »Du musst heiße und kalte Umschläge machen. Und den Arm schonen.«

      »Ich trainiere es ab«, sagte ich, weil Mr. Deeds zuhörte.

      »Stehst du auf der Verletztenliste?«, fragte er. Einen Arsch wie ein Elefant, Lauscher wie ein Karnickel und so viel Verstand wie eine Wollmaus.

      »Ich doch nicht«, sagte ich. Wenn ich verletzt bin, gibt er mir keinen Kampf. Kein Kampf, keine Kohle.

      Harsh sagte: »Damit wirst du dir mehr antun, als Gypsy Jo dir angetan hat.«

      Ich wusste nicht, ob ich froh oder sauer sein sollte. Ich finde es schön, wenn Harsh sich für mich interessiert, aber leider gibt er dann meistens etwas von sich, was ich nicht hören will. Er hatte eine graue Jogginghose und ein altes schwarzes, ärmelloses T-Shirt an, und seine Deltamuskeln glänzten schweißnass vom Trainieren.

      »Es hat jemand nach dir gefragt«, sagte er.

      »Wer?«

      »Hat sie nicht gesagt. Ein Mädchen.«

      »Wann?«

      »Vorhin.«

      »Ich will hier keine Fremden haben«, sagte Mr. Deeds. Er meint, wenn die Leute wüssten, wie wir trainieren, würden sie uns im Ring nicht mehr ernst nehmen.

      »Sie war nur am Eingang«, sagte Harsh. »Da habe ich sie getroffen.«

      Harsh hat eine Engelsgeduld. Schließlich gehen Mr. Deeds die Unterhaltungen anderer Leute überhaupt nichts an.

      »Sie hat gefroren«, sagte Harsh. »Also ist sie einen Augenblick reingekommen. Sie hat gesagt: ›Richten Sie Eva aus –‹«

      »Da drüben«, sagte ich und zeigte mit dem Kinn zum Fenster. Harsh mag ein wunderbarer Catcher sein, aber wenn es darum geht, vor jemandem, der mich auf dem Kieker hat, den Mund zu halten, hapert es bei ihm ein bisschen.

      »Was wollte sie?«, fragte ich, als wir allein am Fenster standen.

      »Sie hat gesagt: ›Richten Sie Eva aus, dass Dawn tot ist.‹ Sie will dich sehen.«

      Das war die ganze Botschaft. Mehr wusste Harsh auch nicht. Dawn war tot. Kein Wie, Warum oder Wo. Keine Ahnung, warum Crystal mich sehen wollte.

      Das war das große Rätsel – wieso wollte Crystal mich sehen?

      Daran, dass Dawn tot war, war nichts Rätselhaftes. Ein Blick genügte, und du wusstest, dass es mit ihr böse enden würde. Sie schlief für Geld mit Männern, und sie war nicht wählerisch. Sie war zu jeder Tages- und Nachtzeit besoffen. Sturzbesoffen. Sie konnte nicht auf sich aufpassen. Und wer nicht selbst auf sich aufpassen kann, ist erledigt. So einfach ist das.

      »Tut mir leid, sagte Harsh. »War Dawn eine Freundin von dir?«

      »Um Gottes willen«, sagte ich. »Sie wohnte bloß in derselben Gegend.«

      »Trotzdem«, sagte Harsh.

      »Trotzdem war sie nicht meine Freundin«, sagte ich und ließ ihn stehen.

      Nach dem Aufwärmen ging ich an die Geräte. Ich konnte mir vorstellen, wie Dawn in einem Kühlfach im Krankenhaus lag. Aus irgendeinem Grund dachte ich, sie wäre ertrunken. Was spielte es auch für eine Rolle, wie sie abgetreten war? Sie war schon halb tot, als sie noch am Leben war. Sturzbesoffen, abgestürzt, tot. Ich ging an ein Gerät, mit dem man speziell die innere Oberschenkelmuskulatur trainiert. Du ziehst mit dem Fußgelenk ein Gewicht nach unten, bis das Bein ganz angewinkelt ist. Und so zählte ich die Übungen mit – ausgenutzt, ausgelutscht, abgestürzt, tot, fünf, sechs, sieben, acht. Und so weiter, immer schön im Takt. Dann auf der anderen Seite, alles noch einmal von vorn. Ich wollte meine Beine und Bauchmuskulatur richtig schön durchtrainieren. Und meine Ellenbogen schonen. Wie Harsh gesagt hatte.

      Du hältst mich für ein