Название | Als Luther vom Kirschbaum fiel und in der Gegenwart landete |
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Автор произведения | Albrecht Gralle |
Жанр | Юмористические стихи |
Серия | |
Издательство | Юмористические стихи |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783865068323 |
Wenn er, Luther, nun auf so einer anderen Kugel gelandet war? Wenn die Kraft dieses Blitzes ihn durch den Himmel geschleudert hatte? Oder waren diese bunten Menschen womöglich Engel? Befand er sich im Himmel?
Nein, das konnte nicht sein. Sagte nicht die Heilige Schrift, dass es dort niemals Nacht würde?
Wie komme ich nur wieder zu meiner Käthe zurück? Ihm tat es nachträglich leid, dass er so unwillig gewesen war mit dem Kirschenpflücken.
Jetzt war er einmal um das Haus herumgekommen. Es hatte zumindest ein schräges Dach, so wie die Häuser in Wittenberg.
„Luther“, sagte er zu sich, „du musst jetzt hell denken, sonst wird dir noch dein Arsch g’stohlen, und dann sieht’s bös aus.“
Er fühlte mit einem Mal wieder diese große Müdigkeit und erinnerte sich an die Sitze in der Kutsche ohne Pferde. Wenn er sich dort ein wenig ausruhen könnte, bis es Morgen wurde …
Er ging wieder zu dem Schuppen ohne Wände und probierte an der Kutsche, ob er eine Tür aufbekam, aber die Türgriffe konnte man nicht nach unten drücken. Endlich bewegte sich der eine Griff zu ihm hin, und die Tür ging tatsächlich auf. Es roch nach etwas, das er noch nie gerochen hatte, aber das war ihm jetzt gleichgültig. Er streckte sich auf der Rückbank aus, machte leise die Tür zu und schlief ein.
Die Morgensonne, die schräg in die gepresste Kutsche schien, weckte ihn auf. Ein paar Augenblicke brauchte er, bis er sich wieder zurechtfand und sich daran erinnerte, dass er bei dem Gewitter in eine Art Zauberland versetzt worden war und sich hier zum Schlafen gelegt hatte.
Gedämpft durch die Scheiben hörte er das frühe Gezwitscher der Vögel.
Nun, immerhin etwas, das er kannte.
Er richtete sich gähnend auf und schaute sich um. Durch die Glasscheiben sah er die Hauswand und, weiter vorne, einen Teil des Gartens.
Es dauerte eine Weile, bis er herausgefunden hatte, wie die Tür aufging.
Dann stand er draußen und ging auf die Wiese.
Das Grundstück war von Gebüschen und einem weißen Zaun umgeben, und es gab daneben noch ein Haus. Alles war sehr sauber und ordentlich gebaut.
„Was soll ich tun?“, überlegte Luther. „Am besten, ich klopf an und frag die Leut.“
Er klopfte. Nichts rührte sich.
Gab es vielleicht einen Klingelzug, an dem man ziehen konnte? Nein, den gab es nicht, aber er fand einen Knopf. Darüber stand: Familie Brückner. Als er daraufdrückte, hallte eine Klingel durch das Haus. Beeindruckend. Er klingelte noch einmal, und diesmal etwas länger.
Da hörte er Schritte. Jemand in einer weißen Kutte kam die Treppe herunter. Das konnte er alles durch dieses wunderbare Glas sehen.
Es war eine Frau. Sie hatte die Haare nachlässig nach oben gesteckt, und man konnte ihre nackten Waden sehen. Außerdem war sie sehr groß. Vor der Tür blieb sie stehen und starrte Luther stirnrunzelnd an, was ihr gar nicht stand.
Sie machte die Tür einen kleinen Spalt auf. Luther hörte eine Kette klirren.
„Was wollen Sie denn so früh?“, krächzte sie. „Es ist halb sechs! Und wer sind Sie überhaupt?“
Es kam Luther seltsam vor, dass er wie eine Frau angeredet wurde. Eine seltsame Grammatik. Und müsste es nicht heißen: Was will sie überhaupt? Aber immerhin sprach die Frau eine Art Deutsch. Luther neigte den Kopf und sagte: „Gott zum Gruß. Ich bitt um Verzeihung. Hab wohl früh geklopfet, aber kannst du mir sagen, wo ich mich befind? Martinus Luther werd ich genannt, Doktor der Theologie aus Wittenberg, wohn im schwarzen Kloster.“
Die Frau schloss die Augen, und Luther hörte, wie sie etwas murmelte, das sich wie „als Eimer“ und „Residenz“ anhörte, dann sagte sie laut und langsam: „Aha! Sie sind also der Luther und haben die Bibel übersetzt, was? Die Kutte steht Ihnen immerhin.“
Luther blickte die Frau erstaunt an. Woher wusste sie das mit der Bibelübersetzung? Und er sagte erstaunt: „Ganz recht. Bin grad dabei, die Genesis nochmal durchzupflügen und …“
„Ja, das hab ich mir schon gedacht, dass Sie so was machen, bei dem Namen.“ Sie gähnte. „Dann gehen Sie mal ein paar Häuser weiter, da ist ein großes Haus. Da gibt es extra ein Zimmer für Sie. Vielleicht treffen Sie auf … wie heißen diese Burschen? Calvin und Zwingli.“
Luther musste sie wohl völlig entgeistert angestarrt haben, denn sie entschloss sich jetzt, die Tür ganz aufzumachen. Offensichtlich dachte sie, der Mann sei harmlos.
Sie schlüpfte in ein paar Schuhe, zog die weiße Kutte fester um die Schultern, kam vor die Tür und sagte: „Kommen Sie mal mit. Ich bringe Sie hin.“
Luther war erstaunt, dass Zwingli und Calvin hier gleich in der Nachbarschaft wohnen sollten. Eigenartig. Aber egal. Das war ihm gerade recht. Mit dem Zwingli hatte er noch ein Hühnchen zu rupfen, was das Abendmahl betraf. Diese würdelose Vorstellung, als ob es sich nur um ein bloßes Symbol handelte!
Die Frau wusste wohl über dieses Zauberland Bescheid. Wenn sie sogar Zwingli und Calvin kannte …? Vielleicht hatte der Kurfürst Friedrich ein Treffen anberaumt? Aber was hatte diese Frau damit zu tun? War sie vielleicht eine Gräfin, die sich der Reformation angenommen hatte?
Und nun legte sie auch noch ihren Arm um Luthers Schultern, als sei er ein Kind, das sich verlaufen hatte. Das ging nun doch zu weit. Gerade wollte sich Luther dagegen wehren, da sagte sie: „So, da wären wir.“ Sie deutete auf ein großes, schönes Gebäude, vor dem mindestens zehn dieser kleinen Kutschen parkten.
Der Eingangsbereich war ganz aus Glas, sicher die Residenz eines Fürsten. Luther war beeindruckt.
Die Frau drückte auf einen Knopf, eine Dienstmagd erschien in einem hellblauen Kleid, das sogar die Knie freiließ. Luther trat erschrocken einen Schritt zurück, als die Tür von selbst aufging. Hier wurde anscheinend alles durch Frauen und magische Kräfte geregelt.
„Guten Morgen“, sagte Luthers Begleiterin. „Ich habe Ihnen den Luther vorbeigebracht und ihm versprochen, dass er Zwingli und Calvin treffen kann.“ Sie zwinkerte mit einem Auge.
Die andere Frau nickte und lachte sogar.
„Das wird wohl ein Neuzugang sein. Den hab ich noch gar nicht auf dem Schirm. Na, komm mal mit, Lutherchen. Hast dich wohl verlaufen? Vielen Dank!“
Die andere Frau nickte und beeilte sich, wieder in ihren Palast zu kommen.
Wie durch Geisterhand zischte die Tür zurück, und Luther betrat nun den Palast eines unbekannten Fürsten. Vielleicht Graf von Allzeimer?
„Dann setz dich mal so lange hin“, sagte die Magd. „Hast du Durst? Willst du etwas trinken? Trinken kann nie schaden, weißt du.“
Sie zeigte ihm einen Sessel mit Lehne, in dem er Platz nahm, dann holte sie eine kostbare Flasche, ganz aus Glas, und füllte sie mit einer Flüssigkeit. Luther probierte vorsichtig. Es schmeckte wie Wasser, aber es perlte wie Apfelwein. Jetzt erst merkte er, wie durstig er war, und bat gleich um ein zweites Glas. Staunend sah er, wie die Magd nach einem Stein griff und hineinsprach. Wieder so ein magisches Ding, als ob man mit einem Rohr sprechen könnte!
Luther stellte das Glas ab und merkte, wie seine Augen schwer wurden und zufielen. Der Sessel war so herrlich weich.
Er musste wohl kurz eingenickt sein, denn neben ihm saß plötzlich ein älterer Mann und streichelte seine Hand.
„Guten Morgen“, nickte er. Die Magd kam herüber und sagte laut und langsam zu Luther: „Das ist Pfarrer Andreas Sonnhüter. Er wird sich ein wenig um dich kümmern. Im Augenblick weiß ich nicht, wo wir dich hinstecken können …“
„Frau Degenhard“, sagte der Pfarrer. „Haben Sie ein Zimmer, wo ich mich mit dem Herrn in Ruhe unterhalten kann? Bevor ich die Polizei verständige, möchte ich gerne versuchen, mehr aus ihm herauszubringen.“