Biola und das geheimnis der alten Mühle. Thees Carstens

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Название Biola und das geheimnis der alten Mühle
Автор произведения Thees Carstens
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783865067760



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sich plötzlich Onkel Gorgonzolo, murmelte „Ich hab zu tun“ und ging. Großvater Mascarpone stand ebenfalls auf und sagte: „Entschuldigt mich. Ich muss noch etwas Alufolie oder Schokoladenpapier auftreiben. Die Orden für die Ordensverleihung morgen werden sich nicht von allein basteln.“

      Dann ging er ebenfalls und ließ Ricotta, Tante Halbfettstufe und die beiden Mäusemädchen zurück.

      Nach einer Weile hörte Pecorini auf zu schluchzen. Und Biola fragte ihre Tante, ob sie tatsächlich noch nie Käse gegessen hätte. „Doch, ich habe schon mal ein Stück Käse gekostet“, antwortete sie. „Ein Bauer hatte seine Getreidesäcke gebracht und ein Brot mit Käse gegessen. Ein Stück davon war ihm runtergefallen. Aber das ist schon lange her.“

      Tante Halbfettstufe schwieg traurig. Dann sagte sie: „Weißt du, ich träume davon, dass wir alle, als ganze Familie, irgendwann einmal einträchtig um einen großen Käsewürfel sitzen, den uns der Müller als Tribut gebracht hat, und ihn gemeinsam von allen Seiten anknabbern und genießen. Wäre das nicht wundervoll? Aber es soll wohl nicht sein. Ach, es soll einfach nicht sein.“

      Tante Halbfettstufe begann zu schluchzen.

      „Nie haben wir Käse!“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. Ihre Nase begann zu triefen. „NIE haben wir Käse! Ach … Ich weiß auch nicht, was ich getan habe, dass ich so leiden muss!“

      Jetzt hatte die kleine Pecorini Mitleid mit ihrer Tante. Und gleichzeitig entfaltete sich das wunderbare Bild des Friedens, das Tante Halbfettstufe gerade eben in ihr Herz gepflanzt hatte: Die ganze Familie um ein großes Stück Käse sitzend, einträchtig und friedlich zusammen, ohne Streit! Wenn wir ein großes Stück Käse hätten, dachte Pecorini, dann gäbe es keinen Streit mehr. Dann würden sich alle wieder vertragen. Wie gerne würde Pecorini mit ihrer Familie um so ein Stück Käse sitzen und ihn genießen! Aber sie hatten keinen Käse! Wo bekam man wohl so ein herrliches Stück Käse her? Pecorini dachte an die Geschichte ihres Urahns. In der Küche des Müllers! Ja, genau! In der Küche des Müllers gab es Käse!

      In diesem Moment formte sich ein Plan in Pecorinis Kopf: Sie würde einen Weg finden, ein großes Stück Käse zu besorgen, damit sich alle wieder miteinander versöhnen konnten. Ja, sie beschloss, in die Küche des Müllers zu gehen und ein Stück Käse zu ergattern. So wie es schon der Urahn getan hatte. Denn – war er nicht auch eine junge Maus gewesen, als er seine Heldentat vollbracht hatte? Ja! Genau das war er damals: Eine junge Maus, dachte Pecorini, eine junge Maus – wie ich!

      Pecorini wusste natürlich, dass ihr niemand erlauben würde, in die Küche von Müller Tom zu gehen. Denn mal abgesehen von den Menschen, die immerhin Angst vor den Mäusen hatten, lebte dort auch Remus, der Kater, den man manchmal vom Mäuseschloss aus auf der Wiese herumstromern sah. Und Kater fraßen Mäuse, das wusste jeder! Aber das sollte Pecorini nicht von ihrer kommenden Heldentat abbringen. Sie beschloss, ihren Plan einfach für sich zu behalten und am Ende alle mit einem großen Stück Käse zu überraschen. Die Vorfreude zauberte ein leises Lächeln auf ihr verweintes Gesicht.

       Die Mühlsteine

      „Hallo, Ched“, sagte Biola, als sich alle Bewohner des Mäuseschlosses nach der Knabberstunde in der Eingangshalle trafen.

      „Hi, Biola“, antwortete Ched und lächelte. Dann flüsterte er: „Ich freue mich schon auf unseren Ausflug heute Nacht!“

      „Und ich erst!“, raunte Biola zurück. Sie war guter Laune, wenn sie an den Ausflug dachte. „Das wird aufregend!“, wisperte sie. Dann wurde sie von Großvater Mascarpones lauter Stimme unterbrochen. Er sprach wie immer in getragenem, staatsmännischem Ton zu den versammelten Mäusen: „Bevor wir nach unten gehen, um die Tribute der Menschen einzusammeln, möchte ich die Gelegenheit nutzen und einige Worte sagen: Es ist Sommer, und die Tribute sind zahlreich vorhanden. Wir leben im Überfluss, aber wird das auch immer so bleiben? Nein! Es werden schlechte Zeiten kommen! Zeiten der Not und Entbehrung! Zeiten des Hungers und … und … des Magenknurrens! Darum wollen wir heute für den Winter sammeln. Jeder sammelt nicht nur für heute und morgen. Wir alle wollen gemeinsam unsere Kornkammer füllen für die schlechten Zeiten. Und mehr noch: Wer dabei besonders fleißig ist, den werden wir ehren. Ich werde abzählen, wie viele Körner jeder bringt, und wer das meiste Getreide sammelt, dem verleihen wir morgen den großen Mäuseverdienstorden des Weißen Schlosses mit silbernem Stern aus Schokoladenfolie!“

      „Bravo!“, riefen einige Mäuse. Koriander fühlte die kleine Pfote von Ricotta auf seinem Rücken ruhen und seufzte. Biola und Ched aber hatten gar nicht zugehört. Sie waren abgelenkt. Biola hatte bemerkt, dass Onkel Gorgonzolo bei der Versammlung fehlte. Und jetzt sah sie auch, wo er war.

      „He, Ched! Schau mal. An der Treppe.“

      „Das ist ja dein Onkel! Was trägt er denn da? Eine seiner Erfindungen?“

      „Vielleicht. Scheint wieder eine Maschine zu sein. Aber wofür?“

      „Seltsam“, meinte Ched. „Er verhält sich, als hätte er etwas zu verbergen. Warum wartet er nicht, bis die Versammlung zu Ende ist, mit dem, was er vorhat? Und was hat er eigentlich vor?“

      Mascarpone sprach noch einige Zeit weiter. Endlich aber gab er das Signal zum Aufbruch. Er selbst setzte sich an die Tür des Mäuseschlosses, wo er die Körner zählen wollte, die von den Mäusen nach Hause gebracht wurden. Biola und Ched indessen folgten den Mäusen, die jetzt alle das Schloss verließen. Die meisten sprangen die hölzerne Treppe Stufe für Stufe hinunter zu den Kornsäcken. Man brauchte sich dabei nicht vorsehen. Um diese Zeit war niemand in der Mühle, sodass man ganz ungestört Getreide sammeln konnte: Die Menschen waren schon fort und die Ratten noch nicht da. Die Mühle war ganz still, und alle Räume waren in abendliches Halbdunkel getaucht. Das Mahlwerk schwieg, und die Getreidesäcke standen schattenhaft überall auf dem so genannten „Steinboden“ herum – so bezeichneten die Menschen das Stockwerk, in dem die schweren Mühlsteine ihre Arbeit taten.

      Ched und Biola benutzten nicht die Treppe, um zum Steinboden zu kommen, sondern einen anderen Weg. Die Treppe war ihnen zu langweilig. Sie huschten hinüber zum Aufzug für die Getreidesäcke. Durch ein viereckiges Loch im Boden hingen hier mehrere Seile von der Decke herab – bis hinunter zum Erdgeschoss der Mühle. Mit dem Aufzug transportierten die Menschen die angelieferten Getreidesäcke von unten hinauf zum Steinboden, wo sie in das Mahlwerk entleert wurden. Menschen konnten nicht mit dem Aufzug fahren, dafür war er zu klein. Aber die jungen Mäuse des Weißen Schlosses liebten es, zu dem Aufzugsloch im Boden zu gehen, in den mehrere Stockwerke tief gähnenden Abgrund zu schauen und hinunterzuspucken.

      Die Seile hingen nicht weit von der Kante entfernt, sodass man sie mit einem kleinen Sprung erreichen konnte. Das war zwar gefährlich, aber wie die meisten Mäuse waren auch Ched und Biola sehr geschickt darin, sich an etwas festzuklammern. Zusammen mit den anderen jungen Mäusen des weißen Schlosses liefen die beiden jetzt auf den Aufzugsschacht zu, riefen „Attacke!“ und sprangen an die Seile. Dann ließen sie sich ausgelassen kreischend und piepsend daran herunter. Biola sprang sogar von Seil zu Seil, was sich nur wenige der anderen Mäuse trauten. Dann ließen alle ihre Taue im richtigen Moment los und landeten ein Stockwerk tiefer auf den Getreidesäcken, die man rund um den Aufzug gestapelt hatte.

      „Eines Tages wirst du noch abstürzen!“, rief Ched, als er neben Biola gelandet war.

      Biola lachte nur, sprang auf und rief: „Wer zuerst beim Mühlstein ist!“

      Im Laufen war Ched schneller. Sie huschten über mehrere Säcke, vorbei an ihren Eltern und den anderen Mäusen, die schon damit beschäftigt waren, Getreide zu sammeln, und hinüber zu dem großen runden Kasten, in dem die beiden schweren Mühlsteine aufeinanderlagen. Cheds Pfote schlug zuerst an das Holz. Noch außer Atem sagte er: „Komm, wir sehen uns den Trichter an.“

      Sie kletterten über