Biola und das geheimnis der alten Mühle. Thees Carstens

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Название Biola und das geheimnis der alten Mühle
Автор произведения Thees Carstens
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783865067760



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gerne hören!“

       General Barleys Rache

      „Unser berühmter Vorfahre wurde älter“, fuhr Mascarpone in seinem Bericht über das Schicksal des Urahns Alter Gouda fort. „Und eines Tages wurde er feierlich zu meinem Vorgänger in das Amt des Schlossmäuse-Anführers gewählt. Die feige fette Ratte aber, sie nannte sich General Barley, erklärte sich zur selben Zeit zum Obernager ihres Clans, und während unsere Vorfahren ihren rechtmäßigen und verdienten Platz hier oben im Schloss einnahmen, grub das lichtscheue Rattengesindel Gänge und Höhlen unter der Mühle, um nachts das Korn zu stehlen, das die Menschen nur uns zugedacht hatten. Leider, leider sind die Menschen nicht klug genug, um diesen Betrug zu bemerken.“

      „Und wir“, fügte Onkel Gorgonzolo grimmig hinzu, „sind nicht Maus genug, diesem Rattengewürm entschlossen entgegenzutreten!“

      „Was ist dann mit dem Urahn passiert?“, wollte Pecorini wissen.

      „Etwas sehr Schreckliches!“, sagte Mascarpone. „Etwas, das ich deinen jungen Mäuseohren am liebsten nicht erzählen möchte, damit du nachts weiterhin ruhig schlafen und tagsüber unbeschwert dein Leben genießen kannst. Aber eines Tages musst du es ja doch erfahren! Die Wahrheit ist: General Barley lauerte unserem Urahn auf und schnitt ihm drei Barthaare ab! DREI Barthaare! Nicht zwei. DREI!“

      „Ach so“, sagte Pecorini, „das wusste ich schon.“

      „Eine entsetzliche Tat“, grollte Mascarpone. „Voller Hinterlist. Voller Heimtücke und Gemeinheit!“ Mascarpone ereiferte sich immer mehr, und seine Stimme wurde immer lauter. „Wie konnte er es wagen, unseren Urahn dermaßen zu entstellen und zu demütigen? Aber, und das schwöre ich, es kommt der Tag, an dem ich diese Schandtat ungeschehen machen werde, indem ich dem jetzigen Anführer der Ratten, der weißen Ratte, VIER Schnurrhaare abschneiden werde. Jawohl! So wahr ich Mascarpone heiße. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!“ Mascarpones Stimme hatte sich überschlagen. Jetzt beruhigte er sich wieder etwas. Dann bemerkte er: „Ich weiß nur noch nicht, ob ich ihm auf jeder Seite zwei Haare abschneiden soll oder drei auf der einen und eins auf der anderen. Oder sogar alle vier auf einer Seite.“

      „Die Ratten haben eine weiße Ratte als Anführer?“, fragte Biola.

      „Ja“, sagte Großvater Mascarpone, „und sie ist mindestens so groß wie unser Schloss!“

      „Beim letzten Mal hast du gesagt, sie sei halb so groß wie unser Schloss“, bemerkte Ricotta beiläufig.

      „Na und?“, schnarrte Mascarpone. „Sie ist eben gewachsen seit dem letzten Mal!“

      „Seit vorgestern?“, fragte Biolas Vater. „Vorgestern hast du zum letzten Mal von der weißen Ratte erzählt.

      Nachdem die Kinder eingeschlafen waren. Das Thema scheint dich ja schwer zu beschäftigen in letzter Zeit. Ich finde, man sollte aufhören mit diesen Schnurrhaargeschichten. Erst ging es um zwei Schnurrhaare, dann um drei, jetzt geht es schon um vier. Wohin soll das noch führen?“

      „Ich gebe Koriander recht“, schaltete sich Onkel Gorgonzolo in das Gespräch ein. Sein Ton war ganz ruhig. „Dieses Ausreißen von Schnurrhaaren führt zu nichts. Wir sollten sie alle töten.“

      Pecorini erschrak. Töten?

      „Die Ratten umbringen?“, rief Koriander aufgebracht. „Dann werden sie kommen und uns auch umbringen!“

      „Wenn wir sie zuerst getötet haben, dann werden sie uns danach wohl kaum umbringen können“, antwortete Onkel Gorgonzolo kühl.

      „Was ist denn so schlimm an den Ratten?“, fragte Ricotta. „Sie tun uns doch gar nichts.“

      Tante Halbfettstufe hatte sich bisher nicht am Gespräch beteiligt, aber jetzt piepste sie aufgeregt: „Sie tun uns nichts? Sie stehlen unser Korn! Sie leben in Saus und Braus auf unsere Kosten! Es heißt sogar, dass der Müller ihnen regelmäßig Käse bringt! Wo sonst sollte der ganze Käse bleiben, den es auf der Welt gibt? Hier bei uns ist jedenfalls noch nie ein Stück Käse aufgetaucht. Wenn die Ratten nicht da wären, würden WIR diesen Käse bekommen! Jawohl! Ich will auch Käse haben!“ Ihre Stimme wurde immer höher und quiekender: „In meinem ganzen Leben hatte ich noch keinen einzigen anständigen Käse, und diese Ratten leben wie die Maus im Käsekorb! Das ist eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit. ICH WILL AUCH KÄSE!“

      „Es stimmt ja vielleicht, dass die Ratten vom Getreide nehmen“, sagte Biolas Mutter milde, „aber das ist doch nicht so schlimm. Eine Ratte möchte eben auch mal etwas Korn. Ich finde, wir sollten da großzügig sein.“

      „Ja“, pflichtete Koriander seiner Frau bei. „Es ist genug Korn für alle da! Wo ist das Problem?“

      „Du verstehst das nicht“, sagte Onkel Gorgonzolo. „Das Korn steht seit der Heldentat unseres Urahns UNS zu und niemand anderem. Heute stehlen die Ratten unser Korn. Aber wenn wir uns nicht dagegen wehren, werden sie morgen kommen und uns aus der Mühle verjagen. Dann müssen wir draußen elendig verhungern! Wenn wir unser Zuhause behalten, wenn wir das Erbe unseres Urahns bewahren wollen, dann müssen wir die Ratten vernichten! Und zwar endgültig!“

      „Bei einem Kampf mit den Ratten könnten wir alle getötet werden“, antwortete Koriander aufgebracht. „Auch die Kinder wären in Gefahr! Willst du das riskieren?“

      „Du begreifst das noch immer nicht“, sagte Gorgonzolo entschieden. „Es geht hier um etwas viel Größeres, wofür wir bereit sein müssen, jedes Opfer zu bringen, wenn es denn sein muss! Wir sind im Krieg!“

      Wieder legte Ricotta beschwichtigend ihre kleine Pfote auf Korianders Rücken, aber der wollte sich jetzt, wo es um die Zukunft seiner Kinder ging, nicht mehr beruhigen: „Du hast kein Recht dazu, über das Leben meiner Familie zu entscheiden! Wir könnten ganz in Frieden mit den Ratten leben! Wir müssen es nur wollen!“

      „Wenn du so sprichst“, entgegnete Mascarpone ruhig, „und wenn du Frieden schließen willst mit den Ratten, dann hat unser Urahn umsonst gekämpft. Dann war das Opfer seiner Schnurrhaare vergeblich. Ich bin sehr traurig darüber, dass du schon vergessen hast, was man ihm angetan hat. Obwohl ich die ganze Geschichte gerade eben erst erzählt habe!“

      „Gib dir keine Mühe“, sagte Gorgonzolo abwinkend, „Koriander kann das nicht verstehen. Er wurde am Waldrand geboren, wo die Mäuse nicht wissen, was Ehre bedeutet!“

      „Ich weiß sehr wohl, was Ehre ist!“, rief Koriander zornig. „Und dein abwertendes Gerede über meine Herkunft kannst du dir sparen!“

      Biola und Pecorini erschraken. So aufgebracht hatten sie ihren Vater noch nie erlebt. Koriander aber war noch lange nicht fertig: „Ich wünschte, ich wäre nie zu euch gezogen!“, rief er. „Ich wünschte, ich würde mit Ricotta und den Mädchen bei meiner Sippe am Waldrand wohnen. Lieber würde ich dort Hunger leiden, als mir jeden Tag eure Hetzerei gegen andere Nagetiere anhören zu müssen. Aber eines Tages, eines Tages, wenn wir alle längst nicht mehr sind, dann werden andere Mäuse hier leben. Und die werden klüger sein als ihr und Frieden schließen mit den Ratten. Aber das werden wir wohl leider nicht mehr erleben.“

      „Unglaublich“, murmelte Gorgonzolo. „Koriander kann einfach nicht begreifen, wie es uns hier ergeht. Tür an Tür mit diesen Ratten. Ricotta, du hättest niemals jemanden vom Waldrand heiraten sollen! Vom Waldrand ist noch nie etwas Gutes gekommen!“

      Biola wollte sagen, dass immerhin der Urahn ursprünglich vom Waldrand stammte, aber im selben Moment sprang Koriander auf, rief wütend, dass sie doch alle tun sollten, was sie wollten, und ihm alles egal sei. Dann stürzte er aus dem Schloss und verschwand in der dunklen Mühle.

      Pecorini aber fing in Ricottas Armen bitterlich an zu weinen, und auch Biola hatte einen dicken Kloß im Hals. Die beiden Schwestern konnten es nicht ertragen, wenn sich die erwachsenen Mäuse stritten. Und so schlimm wie