Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch

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Название Das süße Gift des Geldes
Автор произведения Bhavya Heubisch
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783862223756



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eigentlich, wer du bist?“ Sie sprang auf und trat dem Louis dabei auf die Pfoten. Der winselte schrill und verbiss sich, völlig durcheinander, im Hosenbein des Livrierten. Der Mann gab dem Mops einen Tritt, jaulend fiel er der Kathi vor die Füße.

      Sie plärrte: „Du Hundstöter, du elendiger!“

      Im oberen Stockwerk ging eine Tür auf, Adele trat an die Balustrade. „Kathi, schön, dass du da bist. Komm rauf.“

      Die Kathi packte ihren Louis und zischte hin zu dem Livrierten: „Da hast es, du Depp.“ Schritt, so würdevoll es ihre gichtigen Füße zuließen, die Treppe hinauf.

      Adele führte sie in den Salon. „Jetzt trinkst erst einmal einen Kaffee. Und wenn du willst, kannst meine Hunde gleich heute ausführen.“

      Kathi, jetzt doch eingeschüchtert, nippte am Kaffee. Nobel war es hier. Mit der gelben Seidentapete, dem riesigen Kronleuchter und dem Klavier in der Ecke. Aber der Verhau! Zerknitterte Kleider flackten auf dem Boden, dazwischen Schuhe, Strümpfe und ein Seidenunterrock. So was hätte es bei ihr daheim nicht gegeben. Die Kaffeetasse war auch nicht ganz sauber mit den eingebackenen Bröseln am Rand.

      „Noch mal ‚Vergelt’s Gott‘ wegen dem Veterinär. Ich werd mich gut um Ihre Tiere kümmern.“ Zögernd schob sie nach: „Und wenn’s Ihnen recht wär, könnt ich auch ein bisserl aufräumen.“

      „Aber ich hab schon zwei Zugeherinnen.“

      „Fleißig sind die aber nicht.“

      „Wenn dir noch Zeit übrig bleibt, kannst es ja probieren.“

      Bald führte die Kathi ein strenges Regiment, schaute den Zugeherinnen unbarmherzig auf die Finger. Jetzt lag das Silber blank poliert im Kasten, die Kristallgläser glänzten, die Kleider hingen frisch gebügelt im Schrank. Überall hatte sie ihre Augen. Schimpfte die Köchin, wenn die das Fleisch nicht gründlich vom Knochen löste, die Knödel nicht fest genug drehte. Nicht einmal vor ihrer Herrin machte sie Halt. Die geldgefüllten Schachteln hinterm Vorhang und unterm Bett – wo gab’s denn so was!

      „Schließen Sie es endlich weg, das Geld.“

      „Wo soll ich’s denn hintun?“

      „In den großen Wandschrank im Flur. Da lassens ein Schloss anbringen und räumen alles hinein.“

      Seitdem lag das Geld weggesperrt im Wandschrank.

      Bei den Bediensteten hatte die Kathi ausgeschissen. Weil die Büglerin an allen Türen lauschte, rumtratschte, was die alte Vettel so anrichtete. Aus war’s mit den Gulden, die sie tief versteckt in ihren Hosen- und Schürzentaschen aus dem Haus schafften. Sagen traute sich keiner was. Weil die Spitzederin nichts auf die Kathi kommen ließ.

       Locken

      „So ein bigottes Weib, so ein bigottes!“ Wütend schnarrte Jakob Kramer die Spitze seines Regenschirms übers Kopfsteinpflaster. „Unchristlich bist!“, hatte ihn die Agnes geschimpft. „Immer denkst nur ans Geld.“ Die scheinheilige Matz, die scheinheilige. Das Essen, für das er das Geld heimbrachte, fraß sie trotzdem.

      Dass ihm sein Herbergshaus nicht noch mehr einbrachte, wurmte ihn zusätzlich. Zu seinem Verdruss war die Elsbeth gesund geworden. Draußen haben wollte er sie trotzdem, einer Taglöhnerin mit ihren vier Kindern die Kammer zu einem höheren Preis vermieten.

      „Mich auf die Straße setzen, jetzt, wo du deinen Mietzins bekommen hast?“, hatte sich die Elsbeth gewehrt.

      Die Bedienungen aus dem unteren Stockwerk waren ihr zu Hilfe geeilt. Die Marei war besonders renitent.

      „Kramer, wenn du die Elsbeth nicht weiter hier wohnen lasst, erzähl ich überall herum, was du für einer bist.“ Mit bösen Augen hatte sie ihn angefunkelt. „Und dem Baurat Gruber sag ich, was für einen Wucher du mit uns treibst.“

      Ärger mit den Behörden hätte ihm gerade noch gefehlt. Mehr Geld musste trotzdem her.

      Schwarze Wolken verhüllten die Türme der Theatinerkirche, Regentropfen prasselten herab. Er spannte den Schirm auf und hastete die Ludwigstraße entlang. Bog ein in die Schönfeldstraße und suchte die Häuser ab. An der Ecke zur Kaulbachstraße fand er das blank polierte Messingschild, von dem sein Spezl Hartl ihm erzählt hatte.

      Im ersten Stock klapperte ein Fensterladen. Zu sehen war niemand. Schussergroße Regentropfen trommelten auf seinen Schirm, das Wasser rann ihm hinten in den Nacken hinein. Durch knöcheltiefe Wasserlachen ging er auf die andere Straßenseite, zog die Eichentür auf und betrat die Wirtschaft „Wilhelm Tell“. Feuchtmiefiger Lodengeruch und Tabakqualm durchzogen den Gastraum. Auf den Bänken drängten sich Arbeiter in zerlöcherten Joppen, Kutscher in abgewetzten Lederwesten und sonstige Mannerleut. An einem runden Tisch ratschten ein paar Frauen.

      „Servus miteinander. Habts noch Platz?“

      Die Leute rutschten zusammen. Kramer schob sich auf die Bank und rief der Bedienung nach einem Bier.

      Der neben ihm kaute an einem Rettichzipfel und rülpste: „Willst auch dein Geld anlegen?“

      „Bloß erkundigen wollt ich mich. Hab gehört, die Spitzeder leiht sich Geld und zahlt zwanzig Prozent Zins im Monat. Wird ein schöner Schwindel sein.“

      Der mit dem Rettich belferte: „Ich sag dir was, du Zehnmalgscheiter. Mit zwanzig Gulden hab ich angefangen. Jeden Monat die Zinsen gekriegt, genau, wie sie’s gesagt hat. Dann hab ich mir vom Schwager fünfzig Gulden geliehen und die auch angelegt. Kannst es dir ausrechnen. Jeden Monat zehn Gulden geschenkt.“

      Kramer rechnete. Zehn Gulden. Das war mehr, als er an jedem Bett in seinem Herbergshaus verdiente. Obwohl er die Betten doppelt vermietete. An einen Arbeiter mit Früh- und an einen mit Spätschicht, damit sie sich abwechseln konnten beim Schlafen.

      „Wird auch keine Heilige sein.“ Er zog sein Schnäuztuch heraus und trocknete sich den Nacken. „Wo will sie denn das Geld für die zwanzig Prozent herhaben? Wo’s sogar bei der Sparkass nur zwei Prozent gibt. Und das im Jahr.“

      Der ihm gegenüber schlug mit der Faust auf den Tisch. „Pass auf, was du über das Fräulein sagst. Beleidigen lass ich sie fei nicht. Geh halt selber hin und schau’s dir an. Schon in Allerherrgottsfrüh stehn die Leut an, damit sie noch hineinkommen, bevor Schluss ist um zwei.“

      Alle redeten durcheinander vom Reichsein, vom nicht mehr Hunger haben. Der Regen knallte gegen die Scheiben, immer mehr suchten Zuflucht im „Wilhelm Tell“.

      Kramer, das Bierseidel in der Hand, riss die Augen auf. Sakra, sakra, kam da ein Weib herein. Schwarze Locken fielen ihr ins Gesicht, nass pappte ihr die Bluse am Busen. Er schmiss die Kreuzer fürs Bier auf den Tisch, rumpelte auf und wanzte sich heran an die Schöne. „Gnädiges Fräulein, wenn Sie nur Zuflucht vor dem Regen gesucht haben, könnte ich Ihnen meinen Schirm anbieten.“

      Die Schöne mit einem verführerischen Augenaufschlag: „Da hätt ich aber ein Glück!“

      „Schauts den an“, spöttelten die Männer leise. „Schöne Augen tät er ihr machen, der Afra. Wär nicht der Erste, der sich an der die Finger verbrennt.“

      „Könnts euch noch an den Loibl Toni erinnern?“, fragte einer der Männer. „Wochenlang ist er ihr nachgestiegen. Hat ihr alles bezahlt, was sie haben wollt. Wie sie alles gehabt hat, hat’s ihn sitzenlassen.“

      „Ja, ja, die Afra“, lachte ein anderer. „Die kenn ich schon von klein auf. Die weiß, wie man sich einen Vorteil verschafft.“

      Der Kramer ließ nicht locker. „Ich könnt Sie sogar nach Hause begleiten.“

      Die Afra lachte. „Ja, wenn’s so ist, dann gehen wir gleich.“

      Mit einer Verbeugung öffnete Kramer die Tür und führte sie hinaus.

      Zwei Tage nach dem Besuch im „Tell“ stand Kramer an der Hintertür des Spitzederhauses.

      „Schnell, komm rein!“ Hartl, der aufpasste wie