Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch

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Название Das süße Gift des Geldes
Автор произведения Bhavya Heubisch
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783862223756



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unterschrieben war, hatte Adele den Kopf voller Pläne. Nobel wollte sie das Haus. Doch dazu brauchte sie noch mehr Geld. Saß deshalb von der Früh um zehn bis abends um sechs im „Goldenen Licht“. Kassierte, zählte, kassierte. Stopfte einen Großteil der Einnahmen, statt sie in die Holzkiste zu legen, in eine Ledertasche.

      Alois mahnte: „Denk an das Geld, das du dem Baumeister noch schuldig bist.“

      „Meinst vielleicht, die Handwerker arbeiten für umsonst?“

      „Ich an deiner Stell tät was zurücklegen. Weißt nie, wie’s kommt. Und auszahlen musst die Leut auch noch.“

      „Bis jetzt hat das Geld allerweil noch gereicht.“

      Vom Drechslermeister Edel in der Weinstraße ließ Adele sich ein extra großes Bett machen, in dem auch Platz für ihre Hunde war. Und eine Frisierkommode musste her. Mit vielen Schubladen und einem Spiegel aus böhmischem Bleikristall. Die Wände des Konferenzzimmers ließ sie mit roter, den Salon mit gelber Seide bespannen. Immer wieder fuhr sie mit den Fingern über das glänzende Holz der Louis-quinze-Kommode, die sie aus Frankreich hatte liefern lassen.

      Auch an Bediensteten sparte sie nicht. Sie stellte eine Köchin, zwei Zugeherinnen, eine Büglerin und eine Weißnäherin ein. Und Aufpasser brauchte sie, damit im Haus nicht alles drunter und drüber ging.

      Der Alois empfahl ihr seinen Spezl Hartl. Verbürgte sich für ihn, weil der ihm immer fachkundig zur Hand ging, wenn’s im „Goldenen Licht“ was zum Reparieren gab. Doch der Kompagnon, den der Hartl mitbrachte, gefiel ihr nicht. Weil er ihr nicht in die Augen schauen konnte, sein verdruckter Blick unstet hin und her huschte.

      „Wie heißt denn?“, befragte sie ihn. „Und was hast bisher gearbeitet?“

      „Homolatsch heiß ich. Bierkutscher bin ich gewesen.“

      „Und warum hast aufgehört?“

      Er zögerte, presste dann hervor: „Hat für viele keine Arbeit mehr gegeben, seit in den Wirtshäusern so viel Dünnbier getrunken wird.“

      „Und wie steht’s mit dir? Trinkst viel Bier?“

      Wieder wich er ihren Blick aus. „Nur ab und zu und dann ganz wenig.“

      Zweifelnd wandte sich Adele an den Hartl. „Kennst ihn schon lang?“

      „Schon eine halbe Ewigkeit.“

      „Ist er zuverlässig?“

      „Das ganz gewiss.“

      Adele schob ihre Bedenken beiseite. „Dann probieren wir’s halt. Aber dass ihr es wisst: Getrunken wird nix bei der Arbeit. Und falls ich irgendwelche Klagen hör, such ich mir jemand andern.“

      Als das Haus fertig eingerichtet war, wies Adele den Wolfhart und den Korbinian, die sie auf Empfehlung des Buchhändlers Schneider für ihre Geldgeschäfte eingestellt hatte, in ihre Aufgaben ein. Wolfhart, ein hochgewachsener junger Mann, stand mit durchgedrücktem Rücken vor ihr. Korbinian, klein, aber von kräftiger Statur, zog verlegen die Schultern hoch.

      Sie deutete auf einen Schreibtisch an der Längsseite des Raums. „Wolfhart, das ist dein Platz. Du bekommst von mir die Belege über die eingezahlten Gelder und trägst alles ein ins Buch für die Einzahlungen.“

      Sie deutete auf den Schreibtisch unter dem Fenster. „Korbinian, du sitzt dort. Dir geb ich die Belege über die ausgezahlten Gelder. Du schreibst alles ins Buch für die Auszahlungen. Habt ihr mich verstanden?“

      Der Korbinian und der Wolfhart nickten.

      „Ihr wohnt zusammen in einer Kammer im Dachgeschoss. Morgen früh um acht fangt ihr an. Seids pünktlich. Wer zu spät kommt, kann gleich wieder gehn.“

      Jetzt fehlte nur noch das Messingschild. Vom Hartl ließ sie es an die Hauswand schrauben. „Adele Spitzeder. Privatière. Sprechstunden von 12 bis 2 Uhr.“ Jetzt war sie bereit.

      Die Geldanleger ließen nicht lange auf sich warten. Schnell hatte sich herumgesprochen, dass die Spitzeder in der Schönfeldstraße residierte, schon im Voraus horrende Zinsen zahlte für das angelegte Geld. Bereits ab den frühen Morgenstunden warteten die Leute vor ihrem Haus, damit sie noch drankamen, bevor Schluss war um zwei. Adele saß im neu eingerichteten Kassiererzimmer, nahm die Gelder entgegen und legte sie in einen Korb. Stellte jedem Anleger einen Schuldschein aus und notierte für den Wolfhart die Einnahmen auf einem Zettel, für den Korbinian die Auszahlungen auf einem anderen. Ein Kassenbuch mit einer Gesamtabrechnung führte sie nicht.

      Immer häufiger griff Adele nach Ablauf der Geschäftszeit in den geldgefüllten Korb. Wie im Rausch gab sie das Geld aus. Für eine Kutsche mit goldenen Beschlägen, für zwei edle Rösser vom Pferdehändler Neumann, für aufwendige Garderobe und brillantfunkelnden Schmuck. Spazierte in den teuersten Kleidern mit dem Basti, dem Wasti und der Daisi herum in der Stadt. Rauchte Havannas auf der Straße, schaute denen frech ins Gesicht, die den Kopf abfällig schüttelten.

      Als Erste machte es ihr die Frau Obermedizinalrat nach. Stolzierte statt im hochgeschlossenen Leinen im Seidenkleid durch die Stadt. Ließ das Kropfband weg und bedeckte den Schwellhals mit einer Silberkette. Führte jetzt auch einen Schoßhund spazieren.

      Adele vergaß nicht, wie die Herrschaften sie geschnitten hatten. Damals, als sie am Abgrund stand. Grüßte die Damen, die sich heranschmeichelten an sie, nur von oben herab. Spazierte lachend, Arm in Arm mit der Rosmarie, durch die Straßen. Genoss in Rosmaries Etablissement immer wieder die Petits Fours und den starken Kaffee. Der fülligen Rosmarie sah man nicht an, dass sie mit ihren Frauen ein gutes Geld verdiente. Immer wieder mahnte sie: „Du darfst deinen Reichtum nicht so zur Schau tragen.“

      „Geh Rosie. Je mehr du herzeigst, desto mehr Achtung haben sie vor dir.“

      „Dass du dich da bloß nicht brennst. Ich kann mich noch gut erinnern, wie sich die Weiber das Maul zerrissen haben, wie ich in meinem Pelzmantel zur Christmette gegangen bin. Tags drauf ist der Stadtrat Gmeiner gekommen. Hat gesagt, dass anständige Frauen so ein Geschäft wie das meine nicht dulden. Dass ich wegziehn und in der Kreppe wohnen müsst, wo die feine Gesellschaft nix mitkriegt von mir. Hart ist er geblieben. Auch wie ich ihm gesagt hab, wie gefährlich es dort ist. Erst wie ich ihm angeboten hab, dass er vielleicht ab und zu und für umsonst …, hat er sich erweichen lassen.“

      Adele lachte und nahm sich noch ein Petit Four: „Werd mich schon zu wehren wissen.“

      „Täusch dich nicht. Die Leut vertragens nicht, wenn einer mehr hat als wie sie. Ich muss dir was sagen. Aber erst musst mir versprechen, dass du dich nicht aufregst.“

      „Wird so schlimm schon nicht sein.“

      Rosmarie goss sich noch einen Kaffee ein, hielt die Tasse in der Hand. „Am Markt verkaufens Pfeiferl.“

      „Ja, und?“

      „Spitzederpfeiferl nennen sie’s.“

      „Ist doch eine Ehre für mich.“

      „Ehre würd ich’s nicht grad nennen. Spottlieder singens auf dich und trillern auf ihrem Pfeiferl dazu.“

      Adele verschluckte sich. Hustete ein Lachen hervor. „Lass sie doch. Wennst genug Geld hast, dann kann dir keiner was.“

       Hundevisitation

      „Passt wie angegossen.“ Zufrieden betrachtete die Schneiderin Franziska Weinzierl ihr Werk. Sie zupfte am Saum, rückte eine Biese4 zurecht, strich über die gefältelten Ärmel.

      Adele, die heute nicht ihren Geschäften nachging, drehte sich vor dem Spiegel in ihrem Schlafgemach und ließ den knisternden Taft durch die Finger gleiten. „Schön ist es geworden. Ich könnt es zur Fronleichnamsprozession anziehn.“

      „An Ihnen schaut alles gut aus. So schlank, wie Sie sind.“ Die Weinzierl legte das Leintuch, in das sie das Gewand eingeschlagen hatte, zusammen und wandte sich zum Gehen. „Ich hab gehört, aus der Prozession wird’s heuer nix.“

      Adele