Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch

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Название Das süße Gift des Geldes
Автор произведения Bhavya Heubisch
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783862223756



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und den Stadtoberen. Aber was Genaues weiß ich nicht. Also dann bis nächste Woche. Bis dahin ist auch das Ballkleid fertig.“

      Adele setzte sich auf die Chaiselongue, zündete sich eine Zigarre an und schaute den Rauchwölkchen hinterher. Nippte am Kirschlikör, der jüngsten Empfehlung des Weinhändlers Smith. Dachte nach über die Fronleichnamsprozession. Bestimmt hatte die Weinzierl was falsch verstanden.

      Sie blickte auf die Uhr. Höchste Zeit, wenn sie es noch rechtzeitig in die Ledererstraße schaffen wollte. Rasch legte Adele ihre Hunde an die Leine und verließ das Haus.

      Schon von Weitem hörte sie es jaulen und kläffen. Vor der Hütte der Hundevisitation standen die Hundebesitzer um die obligatorische Steuermarke an und versuchten ihre Tiere zu beruhigen. Schäferhunde fletschten die Zähne, Boxer knurrten mit hochgezogenen Lefzen, die kleinen Hunde winselten.

      Und das alles wegen der Cholera. So viele Tote jeden Monat! Die Pfarrer kamen mit den Beerdigungen kaum noch nach. Reisende, die sonst in der Stadt Halt machten und gutes Geld daließen, blieben aus. Da nützte es auch nichts, dass die Zahl der Todesfälle vertuscht wurde. Gehandelt werden musste. In Verdacht, die Krankheit zu übertragen, standen auch die herrenlosen Köter, die nachts in Rudeln die Straßen unsicher machten. Vor lauter Hunger Unrat fraßen, rattenverseuchtes Wasser aus den Rinnsteinen leckten.

      Jetzt rumpelten in der Nacht Hundefänger mit ihren Karren durch die Gassen, fingen die Viecher mit Drahtschlingen ein und stopften sie in den Sack. Erschlugen sie und warfen sie in den Stadtbach. Seit einer eilig erlassenen Verordnung mussten Hundebesitzer einmal im Jahr zum Veterinär, der die Hunde registrierte und untersuchte. War das Tier gesund, bekam es die begehrte Steuermarke. War es krank, wanderte es in den Sack.

      „Komm, lauf halt.“ Eine ältliche Matrone nahm ihren Mops vom Arm und setzte ihn auf den Boden. Der Mops heulte auf, seine Hinterbeine knickten ein.

      „Was hat er denn?“ Mitleidig kraulte Adele den Hund hinter den Ohren.

      „Wenn ich das wüsst. Fressen tut er nicht, mein Louis, und laufen tut er auch nicht. So eine Angst hab ich, dass sie mir die Marke nicht geben.“

      Adele biss sich auf die Lippe. Sie hatte ihn gesehen, den Hundefänger. Wie er eindrosch auf den Sack, bis Schluss war mit dem Gewinsel.

      „Der Nächste!“ Der Veterinär trat aus der Tür und schaute streng auf die Tiere. Sein Blick blieb an der Alten hängen. „Dich kenn ich doch. Hab es dir schon einmal gesagt: Der Hund wird nicht mehr, der muss weg.“

      Schon stand er da, der Hundefänger, schiefmäulig grinsend. Jämmerliches Geheul drang aus dem verkrusteten Sack.

      Resolut ergriff Adele die Hand der Alten und zog sie zum Veterinär. „Die gehört zu mir. Um den Hund kümmer ich mich.“ Mit einem Blick, der keinen Widerspruch duldete, schob sie sich mit der Matrone ins Visitationshäusl.

      Der Veterinär zog die Lefzen vom Basti, vom Wasti und von der Daisi hoch, riss ihnen das Maul auf und begutachtete die Zähne. Untersuchte das Fell auf Ungeziefer. „Schöne Hunde haben Sie. Sind alle kerngesund. Hier sind die Marken. Macht drei Gulden.“

      Adele legte noch einen Gulden dazu. „Für den zahl ich auch.“

      Der Veterinär taxierte den Mops, der sich verstört in die Arme seiner Besitzerin schmiegte. „Nix da. Der kommt in den Sack.“

      „Jetzt sinds halt nicht so. Ich versprech, ich kümmer mich drum.“

      Der Veterinär, ungeduldig, weil draußen alles drunter und drüber ging, warf ihr die Marke hin. „Eins sag ich Ihnen: Wenn das Viech nächstes Jahr wieder so marod daherkommt, muss es weg.“

      Adele schob die Frau zur Tür hinaus. Schnell bogen sie um die nächste Straßenecke.

      Die Alte drückte ihren Louis fest an sich. „Ohne Sie hättens ihn glatt derschlagen.“

      „Ist ja noch einmal gut gegangen. Wie heißt überhaupt?“

      „Die Pachleitner Kathi bin ich.“

      „Und was machst?“

      „Mein Mann, Gott hab ihn selig, hat mir ein bisserl was hinterlassen. Und ab und zu mach ich die Kindsmagd bei den Herrschaften bei mir im Haus.“

      Adele blickte in das faltige Gesicht, in die Augen, die trotz des Alters lebhaft dreinschauten. „Ich such jemanden, der mir die Hunde ausführt. Hättest Lust?“

      „Meinen Sie das im Ernst?“

      „Könntest gleich bei mir anfangen. Würd dich auch anständig bezahlen.“

      „Wo müsst ich denn hin?“

      „In die Schönfeldstraße. Fragst bei dem gelben Haus mit den grünen Fensterläden nach der Adele Spitzeder.“

      Eine Woche später, als es dem Louis wieder besser ging, machte sich die Kathi auf in die Schönfeldstraße. Tapfer trippelte der Louis neben ihr her. Über den Marienplatz, vorbei an der Residenz. Am Eingang zum Hofgarten setzte er sich hin, ging keinen Schritt weiter.

      „Meinst vielleicht, ich trag dich? Mir tun selber die Füß weh.“ Kathi schlüpfte aus dem Schuh, spreizte die gichtigen Zehen und presste den Fuß wieder hinein. „Faul bist, weiter nix.“ Der Louis rührte sich nicht. Ächzend nahm sie ihn auf den Arm, ging ein Stück die Ludwigstraße entlang und bog ein in die Schönfeldstraße. Sah das gelbe Haus. Aber was wollten die vielen Leut? Die Bauern, die Handwerksburschen in ihren farbverspritzten Kitteln, die Dienstmägde mit ihren weißen Hauben? Sie schob sich durch die Menge.

      „Vordrängeln gilt nicht.“ Ein Marktweib, den Schurz noch fleckig vom Gansrupfen, schubste sie zur Seite. „Wir stehn hier schon seit Fünfe in der Früh.“

      „Ich muss durch, ich bin bestellt.“

      „Was sagst?“ Ein Maurerbursch baute sich vor ihr auf. „Bestellt willst sein? Wirst es noch derwarten können, bis dass du dein Geld loswirst.“

      „Was für ein Geld? Ich komm zum Arbeiten.“ Kathi drückte ihren Louis fest an sich und presste sich durch eine Lücke. Wütende Hände rissen an ihrem Rock. Mit Mühe schaffte sie es bis zum Eingang und bumperte mit dem Fuß gegen die Tür.

      Die Tür flog auf, ein Prackl von einem Mannsbild schrie: „Was fallt dir ein? Wart gefälligst, bis du dran bist.“

      „Lass mich rein. Zum Arbeiten bin ich bestellt.“

      „Von wem?“

      „Vom Fräulein Spitzeder.“

      Scheel musterte er die Frau. Das Gschwerl, das jeden Tag das Haus belagerte, war nie um eine Ausred verlegen, wenn es vor Ablauf der Sprechzeit noch ins Haus wollte. Bei dem einen starb grad die Großmutter, bei dem andern lag die Frau in den Wehen. Eine ganz eine Ausgschamte hatte sich einmal ein Kissen vor den Bauch gebunden und eine Leibesfrucht vorgetäuscht, wegen der sie nicht mehr stehen konnte. Aber die mit dem komischen Hund auf dem Arm, schaute anders aus.

      „Wenn’s nicht stimmt, was du sagst, dann kannst was erleben. Komm rein und hock dich hin, bis du dran bist.“ Unter dem Pfeifen und Johlen der Leute schloss er die Tür.

      Kathi quetschte sich auf die Bank im Flur zwischen einen rotgesichtigen Bauern und ein Mädel, das einen Korb umklammerte. Den Louis setzte sie auf den Boden. Bedienstete in blauer Livree hasteten umher, Türen wurden aufgerissen und wieder zugeschlagen. Immer mehr Menschen drängten herein, standen verlegen herum. Die Männer drehten den Hut in der Hand und die, die keinen hatten, stierten auf ihre Schuh. Die Weiber tuschelten miteinander, bis sie der barsche Ruf: „Der Nächste!“ erlöste.

      Die Luft war zum Schneiden dick. Schweiß vermischte sich mit faulgärigem Mundgeruch. Abgestandener Zigarrenrauch dampfelte aus Joppen und Westen. Nur ab und zu, wenn eine Dame zur Tür hereinkam, roch es nach Kölnisch Wasser.

      „Wie viel Geld bringst du dem Fräulein Spitzeder?“, flüsterte das Mädel.

      „Herrschaftszeiten!“ Der Kathi wurde es zu bunt. „Was reden