Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen. Götz Schmidt

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Название Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen
Автор произведения Götz Schmidt
Жанр Экономика
Серия
Издательство Экономика
Год выпуска 0
isbn 9783945997154



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Sie hat das Ziel, den Informationsbedarf und die dazu notwendigen Eingangs- und Ausgangsinformationen zu erkennen.

      Wie schon erwähnt, werden in der Aufbauorganisation statische Beziehungen zwischen den eben genannten Elementen hergestellt (siehe Kapitel 1.1).

      In der Praxis standen lange die klassischen Leitungssysteme im Vordergrund, die hier als hierarchische Modelle bezeichnet werden. Neben diesen klassischen Leitungssystemen haben sich darüber hinaus vielfältige Formen der Sekundärorganisation herausgebildet. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die Primärorganisation überlagern. Die in den letzten Jahren wichtiger gewordenen hierarchiearmen Modelle der Organisation stehen formal neben den genannten klassischen Modellen der Primär- und der Sekundärorganisation, sie finden sich aber auch häufig innerhalb klassischer Strukturen als Sonderformen für bestimmte Organisationseinheiten. In kleineren und mittleren Unternehmen kann eine hierarchiearme Organisation auch für das gesamte Unternehmen anzutreffen sein.

      Hierarchische Organisation, Sekundärorganisation und hierarchiearme Organisation bilden zusammen die Binnenorganisation. Neben der Binnenorganisation gibt es auch noch organisatorische Regelungen, in denen die Zusammenarbeit mit anderen geregelt wird, etwa mit verbundenen Unternehmen (Konzernorganisation) oder mit Unternehmen, die z. B. als Zulieferer auftreten (Outsourcing, Netzwerke, Strategische Allianzen etc.). Wenn es um derartige, nach außen wirkende Regelungen geht, sprechen wir von der Rahmenorganisation.

      In der folgenden Abbildung 1.07 werden um den Würfel die Teilsysteme der Binnenorganisation gruppiert. Jedes Feld um den Würfel herum repräsentiert auch ein Kapitel dieses Buches. Der breitere Balken der Prozessorganisation soll symbolisieren, dass die Prozesse nicht nur für die Binnenorganisation, sondern auch für die Rahmenorganisation gestaltet werden müssen.

      Abb. 1.07: Inhalte der Aufbauorganisation

      1.3.2.1 Stellenbildung und Bildung von Rollen

      In der klassischen Organisationslehre ist lediglich von Stellen die Rede.

      Stellen sind Zusammenfassungen von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung, die quantitativ und qualitativ von einer Person bewältigt werden können.

      Dabei wird unterstellt, dass ein Mitarbeiter wiederkehrend immer wieder die gleichen Aufgaben zu erfüllen hat. Das trifft jedoch nur dann zu, wenn ein größeres Volumen an Aufgaben über einen längeren Zeitraum kontinuierlich zu bewältigen ist. Heute gibt es jedoch häufiger Situationen, in denen Mitarbeitern sehr unterschiedliche Aufgabenbündel übertragen werden, bei denen im Voraus weder im Einzelnen bestimmt werden kann, was zu tun ist – die Mitarbeiter sind dann gezwungen, flexibel die jeweiligen Anforderungen zu interpretieren und darauf angemessen zu reagieren – noch vorgegeben werden kann, wann solche Aufgabenbündel zu bewältigen sind. Hier greift das Konzept organisatorischer Rollen. Ein Mitarbeiter übernimmt selbstorganisiert Rollen, die er entsprechend den jeweiligen Anforderungen oder Herausforderungen – oft in Abstimmung mit anderen Rollenträgern – eigenverantwortlich ausübt. Weitere Details zum Rollenkonzept finden sich in Kapitel 3.

      Rollen sind nach bestimmten Kriterien gebildete Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen, die oftmals nur pauschal vorgegeben werden können. Von den Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die jeweiligen Anforderungen erkennen, präzisieren und abgestimmt mit Dritten situativ und zielführend bewältigen (Selbstorganisation). Häufig übernimmt ein Mitarbeiter mehrere Rollen, die in einer Stelle gebündelt werden können.

      Gedanklich kann man sich die Gestaltung der Aufbauorganisation als ein mehrstufiges Vorgehen vorstellen. In einem ersten Schritt werden Kernprozesse gebildet. Dann wird geprüft, inwieweit einzelne Aufgabenträger oder Aufgabenträgergruppen fachlich und quantitativ in der Lage sind, den gesamten Prozess oder Abschnitte des Prozesses zu bearbeiten. Entsprechend werden Aufgabenpakete oder Rollen gebildet, die von einer Person bewältigt werden können. Die Gesamtheit der einem einzelnen Menschen übertragenen Aufgaben wird gemeinhin als Stelle bezeichnet.

      Bei der Stellenbildung werden Annahmen über die gedachte Kapazität einer Person gemacht, häufig auf der Grundlage von Berufsbildern oder Anforderungsprofilen.

      Eine Stelle ist jedoch erst dann vollständig definiert, wenn die weiteren Elemente (Sachmittel, Informationen) zugeordnet sind und die Einordnung der Stelle in das Gesamtsystem (Aufbauorganisation) erfolgt ist. Diese zusätzlichen Regelungen kann man sich als die schrittweise Gestaltung bestimmter Regelungsinhalte vorstellen, die hier zwar getrennt behandelt werden, bei deren Ausgestaltung jedoch vielfältige gegenseitige Abhängigkeiten beachtet werden müssen. Um eine Lösung zu optimieren, müssen alle diese Sachverhalte geplant, wechselseitig berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden (iteratives Vorgehen). Die Bildung von Stellen und Rollen wird in Kapitel 3 ausführlich behandelt.

      Bei den hierarchischen Modellen der Primärorganisation wird oft von Leitungssystemen gesprochen. Im Leitungssystem werden die Über- und Unterstellungsverhältnisse und der Umfang der gegenseitigen Rechte und Pflichten festgelegt. Die Gesamtheit der Leitungsbeziehungen wird normalerweise als Hierarchie dargestellt. Heute gibt es zunehmend Ansätze, die Hierarchie auf das absolut notwendige Maß zu beschränken – flache Hierarchien – und die Mitarbeiter zu veranlassen, selbstbestimmt Wege zu finden, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Eine extreme Ausprägung der Selbststeuerung ersetzt die Hierarchie und deren steuernde Rolle nahezu vollständig. Sie wird auch als Liquide Organisation bezeichnet. Zwischen den beiden Extremen einer rigiden Hierarchie und einer nahezu hierarchiefreien Organisation muss ein Unternehmen oder ein Bereich eines Unternehmens seine bestgeeignete Struktur finden. Diese verschiedenen Ansätze werden in Kapitel 4 erörtert.

      Es wurde schon erwähnt, dass die Sekundärorganisation die klassische Organisation mit ihren strengen hierarchischen Regeln überlagert, also neben dieser Organisation besteht. In den verschiedenen Erscheinungsformen der Sekundärorganisation greifen fast immer die geschaffenen organisatorischen Lösungen (z. B. Projekte, Workshops, interdisziplinäre Teams, Kollegien und Ausschüsse) auf die gleichen – zumeist personellen – Ressourcen zurück, die gleichzeitig Elemente der Primärorganisation sind. Diese Modelle dienen fast immer dazu, die möglichen Nachteile starrer, inflexibler Hierarchien abzuschwächen oder zu vermeiden. Die Sekundärorganisation ist Gegenstand von Kapitel 5.

      Modelle der hierarchiearmen Organisation entstanden zum einen aus der Notwendigkeit, immer schneller auf veränderte Marktanforderungen reagieren zu müssen. Die klassischen Hierarchien haben sich dafür als relativ inflexibel erwiesen. Zum anderen erschweren rein hierarchische Modelle mit ihren festen Regeln die Entwicklung von eigenverantwortlich handelnden Mitarbeitern. Es besteht die Neigung, auf Weisungen von oben zu warten und sich aus der Verantwortung zu ziehen, wenn etwas nicht klappt. Die hierarchiearme Organisation versucht gerade diese Eigenverantwortlichkeit zu fördern und damit auch die Motivation der beteiligten Menschen. Sie setzt allerdings auch Menschen voraus, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Sie müssen im Rahmen von Vereinbarungen selbstständig u. U. schnell wechselnde Aufgaben erkennen, übernehmen und erfolgreich abschließen. Das bietet Chancen und Risiken, die nicht jeder Mensch einzugehen bereit ist. Diese Thematik wird in dem neu aufgenommenen Kapitel 6 näher vorgestellt.

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