Klor bi Anker! Oder Weitere Geschichten vom ersten und wahrhaftigen Leben des Kaftains Blaubeer (Band 2). W. A. Kaiser

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Название Klor bi Anker! Oder Weitere Geschichten vom ersten und wahrhaftigen Leben des Kaftains Blaubeer (Band 2)
Автор произведения W. A. Kaiser
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783961456918



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weil er auch zu viel vom Wasser genascht hatte und somit ebenfalls nicht einsatzklar war. Ich entschuldigte mich mehrfach bei dem geduldig wartenden Lotsen, der mit gelassener Gemütsruhe unserem Treiben zusah. Es war aber auch zum Auswachsen! Ging denn überhaupt noch was auf diesem Luxusboot? Der Lotse bot mir an, einen mobilen Landgang vom Hafen zu organisieren, das ginge in wenigen Minuten, wäre aber kostenpflichtig. Sofort stimmte ich zu. Ja, das sollte er man machen, dann könnten die Behörden an und der Lotse von Bord und auch die Arbeiter ebenfalls mit den vorbereitenden Arbeiten beginnen. Jau, ich bestellte so ein Ding, was nur lächerliche achtzig Dollar Miete pro Tag kostete. Das war es mir doch mal eben wert. Wo gab’s denn sowas, ha?

      In kürzester Frist kam auch richtig ein Gabelstapler mit so einem Ding vorgefahren und unser Problem konnte erstmal auf diese Weise gelöst werden. Ich begrüßte die Behörden, Makler, Besichtiger und Charterers Vertreter und wir gingen in meine Butze, um alles Weitere zu bekakeln und zu besabbeln. Mann, was war man froh nach jeder Problemlösung!

      Der Chiefmate begann sofort mit dem Besichtiger seine Tour durch die Luken. Auch die Maschine ließ der Besichtiger nicht aus. Es war zwar schwer verständlich für uns, warum der Kiwi-Bauern-Vertreter sich nicht nur den Notgenerator vorführen lassen wollte, sondern sich sogar vom Chief auch noch die Kompressoren starten und vorzeigen ließ, genauso wie er den Sauberkeitszustand der Maschinenanlagen in seinem Besichtigungsblatt vermerkte. Mir berichtete der Besichtiger nach erfolgreicher (!) Besichtigung, dass er sehr erstaunt gewesen sei, dass wir so viele Ersatzgratings an Bord hätten. Das waren spezielle Bodenplatten aus wasserfestem Sperrholz, vierundzwanzig Millimeter dick, die eine große Anzahl Löcher für die Zirkulation der gekühlten Luft aufwiesen, auf denen in den Decks die Ladung stand. Die kalte Luft wurde mittels Gebläse von unten durch die Grätings gedrückt, durchströmte die Ladung – das war übrigens auch der Grund für die ausgestanzten Löcher in Bananen- und anderen Kisten – und gelangte im Luftstrom über der Ladung wieder zurück zu den Lüftern, die die Luft wieder durch den Wärmetauscher drückten. Wie ein Kühlschrank, bloß etwas größer. Diese Gratings hätte unser Vorgänger gar nicht vorrätig gehabt und musste sie für sehr viel Geld hier in Tauranga einkaufen, um seine Luken vorzubereiten. Indische Besatzung … Die Laderäume sollen bei denen ausgesehen haben wie Übungsplätze für Handgranaten, so elend war deren Zustand. Was musste denn das bloß für ein Eigner sein? Na, wir waren jedenfalls fein durch die Kontrolle geschlüpft, nur ein paar Nägel, die nicht zurückgeschlagen waren und nun durch einige Platten durchpikten, mussten wir kappen und dann konnte das Laden beginnen.

      Aber eine kleine Hürde hielt der Flaggenstaat Liberia noch für mich bereit: Die Liberianische Sicherheitsinspektion hatte ihr Kommen angekündigt. Die kamen einmal jährlich und just das Jahr war nun um. Und ich war ja gerade auch da, nöch? Also kam noch so ein Stundenklauer und nervte mich mit Fragen, wollte Dokumente sehen, ließ sich Anlagen vorführen und checkte unsere Arbeits- und Wachsorganisation. Ich liebte es geradezu, wenn diese Leutchen kamen. Man hätte ja sonst zu viel Zeit gehabt. Übrigens hätte er, wenn denn das Boot im Davit gewesen wäre, ein Manöver sehen wollen, aber so war der Beweis ja schon schlüssig erbracht worden, dass das am vorherigen Tag bereits passiert war.

      Auch die Leute der Werkstatt kamen verabredungsgemäß an Bord und beguckten sich unseren Windenschaden. Ja, meinte der Oberheini, da könnte man wohl was machen. Und da wir erst am folgenden Tag auslaufen sollten, stimmte er mich sehr zuversichtlich. Morgen wolle er mit den reparierten oder neuen Teilen zurück sein. Und solange bräuchten wir ja nun auch keinen Mobilkran, den höben wir uns bis zum Schluss auf, falls wir ihn denn überhaupt noch bräuchten. Denn falls die Werkstatt nicht in der Lage sein sollte, die Reparatur durchzuführen, müssten wir doch wenigstens das Boot wieder im Davit haben, sonst ließen die uns doch gar nicht aus dem Hafen raus. Runter für den einen Notfall ginge es ja immer, nur in unserem Falle dann nicht wieder gleich zurück. Also keine Übungen, falls die Winde nicht repariert werden konnte oder es länger dauern würde. Eine zeitliche begrenzte Ausnahmegenehmigung wäre sicherlich dafür sofort zu bekommen und würde uns eine gewisse Zeit Seefahrt genehmigen, wenigstens bis Europa.

      Dann kam noch der Schiffshändler, der mich strahlend begrüßte, nicht nur, weil wir ihm einen dicken Auftrag verschafft hatten, sondern weil er mich wiedererkannte. Da war die Freude auf beiden Seiten groß. Feiner Macker. Hatte mir damals mehr als einmal geholfen und auch das Unmögliche möglich gemacht. Schön, dass er es mit uns und wir es wieder mit ihm zu tun hatten. Da konnte ich gleich meine Sonderwünsche loswerden. Er nahm mich am nächsten Vormittag mit in die Stadt, wo ich drei Stunden durch die Straßen schlenderte, in bekannte Shops einguckte und das eine oder andere einkaufte. In dieser winzigen Stadt zu spazieren war mir immer eine Freude und Erholung. Schön übersichtlich und geruhsam. Keine Wolkenkratzer säumten die Straßen, alles anheimelig und gemütlich. Ich genoss den Bummel durch Tauranga. Leider wurde es später ziemlich nieselig und wenn das so weiterginge, würden wir hier noch eine Verspätung wegen Regens kassieren. Denn dann könnte aus verständlichen Gründen nicht geladen werden. Wo die Kiwi-Bauern doch sowas von pingelig waren! In einer Kunstgalerie bekam ich auch noch die eine und andere Kleinigkeit, ehe ich mir ein Taxi rief, das mich innerhalb von zehn Minuten zurückbrachte.

      Tatsächlich waren alle Luken zu und die Kräne ruhten. Kein Aas weit und breit zu sehen. Ich stapfte mit meinen Tüten den Landgang hoch. Der Blitz war immer noch mit dem Motor der Gangway beschäftigt. Vom Chief Mate erfuhr ich, dass seit Mittag nichts mehr gegangen sei, weil es mehr oder minder ununterbrochen stark nieselte. Auch gut. So hatten wir wenigstens doch noch die Chance, zum Abend an Land Essen zu gehen. Ein Repräsentant der Kiwi-Bauern lud uns dazu ein. Wir waren froh, überhaupt noch an Land zu kommen und die Gelegenheit doch so günstig am Schopfe zu packen! Das offizielle Auslaufen war weiter verschoben worden: Nun bereits auf den späten Abend. Das reichte uns ja wohl dicke! Keiner aß doch länger als zwei Stunden!

      Wir wurden abgeholt, ich gab das Ziel vor: Harbourside Restaurant. Ein etwas schäbiges, aber ausgesprochen beliebtes Fischrestaurant, das von uns schon früher häufig besucht worden war. Es hatte ein uriges Flair und war offenbar auch bei den Eingeborenen gern Ziel eines Besuchs. Denn zu bestimmten Zeiten konnte nur eine Reservierung dem hungernden Gast einen Platz am gedeckten Tisch sichern. Dieses Restaurant war direkt unter einer hölzernen Brücke, die die Bucht querte, gelegen, und über diese Brücke donnerten und rasselten stündlich Güterzüge. Nicht selten konnte man dreißig oder auch vierzig Waggons zählen. Die Güterströme hatten sich vom Hafen Aucklands nach Tauranga verlagert. Mittlerweile war Tauranga zum größten Umschlagsplatz Nord-Neuseelands avanciert. Aus dem Mucker- und Fischerdorf hatte sich ein moderner kleiner, aber effektiver Universalhafen entwickelt, der expandierte. Nicht nur Holzstämme, was in Riesenmengen aus kontrolliertem Anbau, den sogenannten Holzfarmen, stammte, wurden als Bauholz verschifft, ebenso Berge von Holzchips für die Papierherstellung. Fast ausschließlich für Asien. Natürlich auch Vieh und Fleisch, genauso wie eben Früchte und Container. Autotransporter aus Japan liefen diesen Hafen ebenfalls regelmäßig an. Wie der Lotse wusste, mauserte sich das ehemalige Fischerdorf mehr und mehr zu einer großen Stadt. Zum Leidwesen der ehemaligen Dörfler, die die Abgeschiedenheit und Einsamkeit hier einst gesucht, gefunden und nun wieder verloren hatten.

      Die meisten Ansiedlungen ringsum waren eh nur auf Grund der Hafenentwicklung entstanden. Hinzu kam die zunehmende Bedeutung des Tourismus. Hier gab’s schöne breite Strände und unweit Taurangas luden sogar Thermalquellen zum Besuch ein. Das ist aber so verwunderlich gar nicht, immerhin ist das hier ein aktives geologisches Gebiet, das zum sogenannten pazifischen Feuerring gehört, mit richtigen ausgewachsenen Vulkanen und Erdbeben und allem, was so dazugehörte, also auch heißes Wasser aus der Erde. Ein einzigartiges, geschütztes Refugium ist „White Island“, eine Insel, von Tauranga aus bei guter Sicht in etwa fünfzig Meilen Entfernung in östlicher Richtung zu sehen, wo die Erde noch spuckte und Schwefelgestank aus wabernden Schlammtümpeln entwich.

      Man konnte diese Insel nur mit einem Heli erreichen, denn natürlichen Zugänge sind nicht existent, zu rau und zu steil sind die felsigen Ufer. Wenn man einen Tag frei hätte und das nötige Kleingeld für so eine Helitour! Mann, das wäre was! Tatsächlich hatte ich mal vor Jahren für mitreisende Passagiere dort nachfragen lassen, wo und für wieviel Knete das ginge. Aber die Antwort war niederschmetternd: Pro Person wären für eine Rundtour und zwei geführte Stunden auf