Klor bi Anker! Oder Weitere Geschichten vom ersten und wahrhaftigen Leben des Kaftains Blaubeer (Band 2). W. A. Kaiser

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Название Klor bi Anker! Oder Weitere Geschichten vom ersten und wahrhaftigen Leben des Kaftains Blaubeer (Band 2)
Автор произведения W. A. Kaiser
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783961456918



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zwar sehr langsam, aber sehr wirksam und effektiv. Die Ladung bestand aus dreitausend hochkarätigen Personenwagen der Marken Volvo, Saab und BMW mit einem Gesamtwert von runden fünfzig Millionen Dollar.

      Als wir später die Schleuse passierten und im Hafen ankamen, konnten wir unweit unseres Liegeplatzes eine abgesägte wuchtige Sektion vom Achterschiff des Wracks auf einem Ponton erkennen. Dort am Ufer wurde dann der Rest erledigt, das Kleinschneiden, Auftrennen und Sortieren. Zu diesem Zweck war extra ein Liegeplatz geschaffen worden. Und immer noch wurden die Pkws da rausgeschnitten, sehr teurer Schrott. Außerdem waren große Mengen an Brenn- und Schmierstoffen an Bord gewesen, die noch ganz andere und besondere Vorkehrungen benötigten. Es würde eine gute Weile brauchen, bis das Wrack und seine Ladung endgültig verschwunden waren. Die Versicherungsgesellschaft hatte es zur Bedingung gemacht, dass absolut nichts an der Unfallstelle zurückbleiben durfte, alles musste abgeborgen werden. Auch hier wurde das Geld zur treibenden Macht, denn den Versicherungen könnte es eigentlich schnurz und piepe sein, wie die Umwelt darunter litt, wenn da nicht ihr Geld dranhinge. Es wurde bekannt, dass Tausende verendeter Wasservögel Opfer dieses Unglücks wurden.

      Der Zugang zum Hafen von Zeebrugge ist nur nach Passage einer sehr großen Schleuse möglich. So brauchte man sich keine Sorgen zu machen, dass das Wasser infolge Gezeiten ‚verschwand‘ und man auf dem Trockenen säße, was anderenfalls zusätzliche Vorkehrungen seitens des Schiffes und der Verladeeinrichtungen notwendig machen würde.

      Wir löschten die Kiwis mit vier Gangs und das ging schön schnell. Geruhsam lagen wir so im Hafen, als ich dann an einem Nachmittag mal wieder von meinem guten, alten Kumpel Hiob kontaktet wurde, oder besser, er suchte meine Nähe. War das nicht nett? Und hatte abermals eine Botschaft für mich vorbereitet: Laderaum 4D, der bewusste, stänke wieder nach Schweröl! Verstärkt und nicht weglüftbar!

      Nein! – Nicht schon wieder!

      Das Telefon stand nicht still. Reeder und Charterer mussten unverzüglich von der Sachlage informiert werden! Wir bestellten für uns einen Besichtiger. Dazu noch einen, der für den Charterer arbeitete und einen, der dem Ladungsempfänger diente, jeder hatte für sich einen eigenen unabhängigen Besichtiger angefordert. Außerdem musterten noch sieben Leute ab, deren Papiere und Gehälter ich auch noch fertigzumachen hatte. Es war schon etwas Trubel um mich rum. Zu allem Überfluss war der neue Chief Mate eine trübe Tasse und kein helles Licht, so dass ich mich um vieles selber kümmern musste, obwohl eigentlich er hätte sein Licht leuchten lassen müsste. Na ja, ein Russe. Und weil das noch lange nicht reichte, erschien unglücklicherweise der neue – deutsche – Chief Ingenieur ohne gültiges US-Visum.

      Nach unzähligen Telefonaten mit der Reederei fiel dann die finale Entscheidung: Der Chief musste wieder nach Hause fahren, sich ein US-Visum besorgen und käme dann, wenn alles gut ging, nach Panama nachgeflogen, um dort abzulösen. Das rief nicht gerade eitel Freude bei dem auf dem Sprung sitzenden alten Chief hervor. Dessen Haussegen hing nun in der Distanz recht schief, konnte man sich ja leicht ausmalen: Die Frau hatte bereits eine Auszeit genommen, alles war bei denen auf Urlaub geschaltet, die Koffer gepackt, der Geist schon längst weit voraus bereits zu Hause und nun das! Verständlich, aber nicht zu ändern! Das war die echte Seefahrt! Keine Chance für Sentimentalitäten, das war Seefahrt und kein Streichelzoo.

      Einen der von diesem Umstand direkt Betroffenen kannte ich ja recht gut: Das war nämlich ich selbst! Denn in den nächsten zehn Tagen hatte ich den ungnädigsten, unwirschesten und ungerechtesten Mann neben mir am Tisch drei Mal täglich auszuhalten! Ohnehin ein spezieller Spezialist. Ein Abendbrot ohne ein Glas Spreewaldgurken auf der Back war keines. Ich sprach ihn daraufhin an, weil das ja nun nicht gerade angenehm aussähe: ein Konservenglas mit Schraubdeckel auf der Back zwischen allerfeinstem Porzellan. Sowas kannte ich von zu Hause so gar nicht.

      Er schon, wie er mir versicherte, denn nichts wäre schlimmer, als die sauren Grünlinge profan mit der eigenen Gabel zu entnehmen oder sie in eine extra Schale zu legen, gefällig, dem Auge angedient. Nein! Um Gottes willen bloß das nicht! Denn die Keime und der beschleunigte Verderb des Glasinhaltes durch die Einführung einer ‚Fremdgabel‘ wären leicht vorhersehbar. Dazu gab es hier nun ein Extraglas, in dem die Gurkengabel geparkt wurde. Nur mit der, und ausschließlich mit der und keiner anderen, war der Inhalt der Konserve zu entnehmen! Ein Freak! Aber hatten wir nicht alle einen an der Klatsche? Irgendwie und irgendwo? Verhaltensgestörte Seeleute, so nannte meine Frau mit einem Augenzwinkern uns Typen, und hatte damit sicherlich mehr als nur Recht.

      Die Inkarnation dieser Gurkenmanie erlebte ich, als ich eines Abends das Etikett der Konserve studierend („Echte Spreewälder …“) und einen Blick auf unseren Wandkalender werfend, etwas lakonisch im Raum stehen ließ, dass genau mit dem heutigen Tag das Verfallsdatum des Glases erreicht wäre. Wie witzig und so ein Zufall, denn eigentlich guckte ja kein Aas (außer den Filipinos, denen so ein aufgedrucktes Datum trotz Unverständnis um die Unterschiede zwischen mindest haltbar bis und zu verbrauchen bis ebenso ein sehr heiliger Gral war) auf diese Angabe. Bestürzt griff sich der Chief den Behälter, und lesen und nach dem Steward rufen waren eines. Sofort verlangte er ein neues Glas, das bitteschön kein abgelaufenes Datum aufweisen dürfe. Seine Stimme klang echt zornig und überaus entrüstet, als wenn ihm jemand ans nackichte Leder wollte. Beschwichtigend redete ich ihm zu, dass es da doch immer Karenzzeiten gäbe und von dieser Konserve, solange schmeckend, keine lebensverkürzende Gefahr ausginge. Barsch ließ er mich wissen, dass nicht umsonst solche Daten da drauf wären und er seine Erfahrungen hätte! Okay?

      Meine Nerven wurden in der Folgezeit bis zum Panama Kanal auf keine geringe Probe gestellt. Bei allem Verständnis für seine Lage reichte mir seine ewige Litanei über die Ungerechtigkeit der Welt und insbesondere gegen die Kleinen bald bis Oberkante Unterlippe, so dass wir die letzten Tage kaum mehr als das notwendig Dienstliche miteinander bekakelten.

      Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wurde dann nicht auch noch der Koch abgelöst! Himmel, Herr Gott, hilf! Nun also keine europäische Cousine mehr, sondern eine uns sattsam bekannte von den Philippinen! Das ging auch gleich richtig am Auslauftag schon los, mit Schmackes und Caracho!

      Hatte doch der neue Teufel aus der Bulettenschmiede in der Fleischlast die Leber nicht gefunden, dafür aber das Schweinsblut, das die Filipinos zu gerne aßen: Aufgekochtes dickes Blut als Suppe mit Bauchspeck- oder Pansenstückchen als Einlage. Leider mit einem so sehr üblen Gestank verbunden, dass mein Körper darauf nur mit heftigem Würgereiz oder Flucht antworten konnte. Weil der Koch aber sehr wohl wusste, dass der europäische Leckertähn auf dererlei Köstlichkeiten aus Asien gerne verzichtete, gab’s für uns irgendwas anderes, ich glaube, es war Bratwurst oder so. Also was völlig anderes und durchaus ebenso ‚gesund‘.

      Blöderweise hatte der Chief nun aber vorher einen Blick in die Kombüse geworfen und das Blut gesehen. Daraufhin strafte er uns durch strikte Nahrungsaufnahmeverweigerung für die nächsten zwei Tage; er wurde nicht mehr an unserer Back gesehen. Weil es ihm zu sehr ekelte, wenn auf einem Herd solche und unsere Gerichte zugleich zubereitet würden, wie er mich wissen ließ. Der Koch könnte ja mal versehentlich die Kellen beim Umrühren vertauschen! Na ja, in diesem Stil ging es dann bis zuletzt.

      Der neue Koch wusste gar nicht, wie ihm geschah. Wollte er es doch allen nur recht machen. Er bot dem Chief sofort eilfertig an, alles so zu machen, wie er das auch mochte, wenn er es ihm nur vorher mitteilen würde. Er war offensichtlich über seinen ungewollt schlechten Start ziemlich betrübt. Zu Recht, aber man kann ja nicht in die Nasen reingucken, um sich rechtzeitig auf spezielle Eigenarten vorzubereiten. Schon leicht besorgt habe ich ihn dann beiseite genommen und ihm verklickert, dass der Chief eine besondere Situation zu bewältigen hätte, weil sein Urlaub gekanzelt worden war und dass solche Situation besonders bei Familie Chief seine mitfühlende und vergebende Milde erforderlich machte.

      Übrigens war der neue Koch der einzige und wirklich echte Schiffsopa mit seinen dreiundsechzig Jahren. Nicht der Beste, gewisslich das nicht, aber einer der saubersten Köche, die ich je kennenzulernen die Ehre hatte. Der hatte öfter den Putzlappen als den Kochlöffel in der Hand! Was doch auch nicht zu verkehrt war. Zugegeben war doch das Gros seiner Gerichte recht schmackhaft und man musste ja nun auch wirklich nicht alles essen, was aus der Schmiede kam. Wir sollten hier doch nur überleben!