Klor bi Anker! Oder Weitere Geschichten vom ersten und wahrhaftigen Leben des Kaftains Blaubeer (Band 2). W. A. Kaiser

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Название Klor bi Anker! Oder Weitere Geschichten vom ersten und wahrhaftigen Leben des Kaftains Blaubeer (Band 2)
Автор произведения W. A. Kaiser
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783961456918



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einen Fixpunkt, der hinter dem Schiff angebracht sein müsste, um mit Schmackes in diese Richtung zu ziehen, da sich der Davit, wenn er ausgeklappt war, ungefähr sechs Meter hinter der Achterkante des Schiffes befand, wo die Hakentraverse eigentlich frei in Richtung Wasser nach unten laufen sollte. Dort bräuchten wir einen, der da mal anfasste, aber wir hatten nix als das Boot im Wasser. So versuchten wir es mit unserem Vier-Tonnen-Leichtgewicht von Boot, angetrieben von einem dänischen Fünfzig-PS-Diesel. Das war die einzige jämmerliche Chance, die uns zur Verfügung stand. Wir befestigten zwei dreißig Meter lange Leinen an den beiden Haken und gaben sie zum Boot runter, wo sie mit dem Aufheißgeschirr verbunden wurden. Nun fierten wir den Davit wieder in die untere Lage und das Boot sollte nun mit Karacho und Anlauf von der Bordwand nach achteraus dampfen und dabei so viel Speed wie möglich aufnehmen.

      Das geschah wunschgemäß. Und nichts passierte. Das achtundzwanzig Millimeter dicke Tauwerk straffte sich – und das Boot stoppte. Mit weichem Nicken nahm es trotz seiner Maschine, die auf „Voraus Voll“ lief, wieder Fahrt übern Achtersteven auf. Wir hatten dafür gar kein Auge, wir starrten nur gebannt auf die Traverse. Tat sich da was? Ruckte das nicht doch schon etwas stärker? Also nochmal, und wieder und wieder. Es ging auf 1900 Uhr. Der Koch wartete schon über eine Stunde auf Kundschaft. Ich war dem Wetter sehr dankbar, dass sich nicht verändert hatte. Es war zwar nun dunkel, aber der Wind blieb aus und der leichte Schwell hatte ebenfalls nicht zugenommen. Immerhin günstige Bedingungen für ein Manöver wie dieses. Dann endlich geschah das Unfassbare: Die eine Seite kam völlig frei und nun hing die Traverse schon auf halb acht. Kam eine, würde auch die andere kommen! Wir enterten wieder hoch, zum x-ten Mal mit der Brechstange und das zeitigte endlich langsam Erfolge, das geringe Rucken durchs Boot hatte etwas bewirkt, zwar noch lange nicht genug, aber ausreichend für einen leichten Hoffnungsschimmer. Es dauerte noch so eine weitere halbe Stunde, bis alles jauchzte und jodelte: Die andere Seite war nun auch endlich frei! Nun konnten wir aufatmen und schon mal an das Wohl unserer Wänster denken, deren Äsung in greifbarere Nähe rückte. Wir fierten die Traverse zu Wasser und die Leute verbanden deren Haken mit dem Heißgeschirr des Bootes. Ready to heave up! Ich drückte den Nach-oben-Knopf der Anlage und folgsam hob sich das Boot langsam, das Heck voran, aus dem Wasser und – dann stand die Winde! Das hieß, der Motor drehte zwar hörbar weiter, aber die Drahttrommel drehte sich einen Scheißdreck!

      Den Davit wieder runterzufieren ging problemlos, weil es über Schwerkraft geschah, daran hatte der Motor keine Aktien! Aber hoch, das schaffte der Motor nur bis zu einer gewissen Last und kein Deutchen mehr. Guter Rat war nun nicht billig! Ich konnte ja morgen früh so nicht einlaufen: das Rettungsboot vielleicht noch im Schlepp! Irgendwie war die Winde auch verdammt heiß!

      Also entschied ich mich. Wir ließen das Boot wieder zu Wasser, es sollte längsseits verholen, wo wir es mit einem Ladekran an Deck hieven würden, um uns in aller Ruhe der Winde widmen zu können. Weiterhin beauftragte ich Leute, ausreichend Holz zum Abpallen bereitzuhalten und wir verholten uns alle auf das Hauptdeck. Ein erfahrener Mann hoch in den Kran, die anderen rannten und trugen, zerrten und wirbelten an Deck. Der Koch wartete immer noch. Und es war nun schon fast 2000 Uhr!

      Nach einigem Hin und Her war dann endlich auch ein entsprechender Drahtstropp gefunden worden, stark genug, um das Boot gefahrlos aus dem Wasser zu heben. Ab ging die Post, sprich: der Ladehaken. Mir kamen leichte Bedenken als ich beobachtete, wie stark der Haken, noch ohne Last, begann, gefährlich hin und her zu pendeln. Da kamen Massen in Bewegung, die man mit bloßer Hand nicht mehr dirigieren konnte! Das Schiff hob und senkte sich ja doch etwas in der flachen Dünung. Und wenn das Pendel mit den Schiffsbewegungen harmonisierte, dann könnte das richtig gefährlich werden, weil sich die Bewegungen aufschaukelten! Stichwort: Resonanz! Gar nicht daran zu denken, dass dann ein schweres Boot am Haken hängen würde, das zu allem Überfluss auch noch schräge mit dem Bug abwärtszeigend hochgenommen werden musste! Denn so war das originale Aufheißgeschirr ausgelegt worden, nämlich mit der notwendigen Schräglage, um das Boot zurück in den Davit zu kriegen. Der Kranhaken wurde nochmal erreichbar für die Crew an Deck gefiert. Nur mit Mühe konnte der schwere Haken eingefangen und an ihm zwei Beiholer befestigt werden. Nur mit den beiden Leinen konnten wir etwas Kontrolle auf ihn und seine Last ausüben, indem wir sie mit ein paar Turns um die Reling ständig straff hielten!

      Die beiden verbliebenen Leute im Boot befestigten den Drahtstropp am Bootsgeschirr, verließen eiligst das Boot, indem sie hurtig die Lotsenleiter hochhampelten, und wir starteten die geplante Rückholaktion. Auch am Boot befanden sich vorn und achtern Beiholer, um unerwünschte Schwingungen oder Drehungen rechtzeitig zu verhindern. An Deck war mittlerweile aus Bohlen und alten Paletten ein ‚Bett‘ für das Boot hergerichtet worden. Dort setzten wir es nach vielem Geschrei, Gezerre und Hin und Her – und nach langen bangen Minuten endlich, endlich! – ab! Krachend und knirschend setzte der Kiel des Bootes auf die hölzernen Polster auf und zerdrückte sie gnadenlos das hatten wir vorhergesehen und mit einer ausreichende Menge Holzes bedacht. Nun wurde es nur noch gelascht, so dass es nicht mehr auf die Seite fallen konnte. Schon war die um 15:20 Uhr begonnene Ausflugstour beendet. Es ging auf zweiundzwanzig Uhr. Sehr nett.

      Hatte der Chief doch Recht behalten. Aber eigentlich hatten wir beide mehr dem Boot denn dem Davit den Part des Übelmanns zugetraut! Weil der Motor des Bootes früher mal überhitzt worden war, waren dort die Kühlung und Schmierung nicht mehr klar getrennt, sondern das Kühlwasser mischte sich so peu-á-peu unter das Schmieröl, was nicht gesund war und die Leistung des Motors negativ beeinflusste. Na, die Ingenieure waren noch bis gegen Mitternacht an der Winde, um die Ursachen für deren Versagen zu finden, während ich mich schon immer mal mit der Reederei in Verbindung setzte, um die nächsten Schritte zu beraten. Ich kriegte eine Adresse für eine Werkstatt hier in Tauranga, die auch gleich meinen Anruf mit der Aufforderung, morgen an Bord zu kommen, erhielt.

      Unser Untersuchungsteam wurde nach Aufnahme der Winde schnell fündig: ein ausgelaufenes Lager hatte sich so festgefressen, dass die Bremsandruckscheibe gerissen war, wodurch der nichtmetallische Bremsbelag wie mit einer Raspel fein säuberlich und vollständig abgeschält worden war, bei jeder Umdrehung etwas mehr, bis Metall auf Metall schliff, und dann hielt und bremste bekanntlich gar nix mehr.

      Der nächste Tag kam, nun jedoch grau und wieder nieselverhangen. Die erste Frage des Lotsen, nachdem er an Bord war, galt dem Rettungsboot. Klar, das erregte Aufsehen, wenn ein Handelsschiff sein Boot nicht im Davit, sondern an Deck sehr unorthodox geparkt hatte. Unser Partner, der den Liegeplatz ockupiert hatte und der die Huddelei mit den Luken hatte, lief aus und wir passierten uns an der Ansteuerung. Ein kleineres Schiff, auch für Europa bestimmt, aber von einem anderen Charterer. Die bekannte 90°-Kurve kurz vor dem Strand und um den ehemaligen Vulkan Mount Maunganui herum und schon waren wir in der kleinen natürlichen Bucht, die den Containerhafen, die Marina sowie die Stückgutpier, an der wir nun zum Liegen kamen, beherbergte. Gut, wieder hier zu sein. Bei den Lotsen hatte ich nie einen schlechtgelaunten oder schlechtinformierten angetroffen; sie waren alle durch die Bank gut und die Schlepper stark und modern.

      Was wollte ein Blaubeer mehr vom Meer?

      Schnell und gekonnt wurden wir gedreht und waren noch vor dem Abendbrot fest vertäut. Ich verabschiedete den Lotsen, klarte die Brücke auf und ging in mein Office, um auf die Behörden zu warten.

      Ich wartete wenigstens zwanzig Minuten – vergeblich. Also wollte ich dann erstmal was essen gehen und wurde von der Messe aus gewahr, dass sich ein Haufen unserer Leute irgendwie am Landgangssteg zu schaffen machte. Misstrauisch ging ich nach draußen und sah den Lotsen immer noch bei uns an Deck stehen, mit den Mates und der Deckscrew, die gerade den Landgangssteg, nicht die Gangway, aus der Vertäuung lösten! Auf meine Frage, was der Grund eines solchen Tuns sei, kriegte ich zu hören, dass die Gangway doch out of order wäre. Ich guckte doof und sah den Elektriker bekümmerten Gesichts am Schaltkasten stehen. Nix ging mehr. Die ganze Kiste war abgesoffen und vorerst nicht so schnell zu reparieren. Zumal auch der Motor der Gangwaywinde einen Schlag Wasser abgekriegt haben musste und damit ebenfalls höchstens noch teurer Schrott war.

      Was nicht für ein Schiff! Innerlich verfluchte ich den Herrn über mir und konnte es mir wieder mal nicht ganz verkneifen zu fragen, womit ich das alles verdient hatte. Okay also, dann die zweite Garnitur, den Landgangssteg. Ein sperriges, langes Mordsinstrument und schwer wie Hulle.