Название | Kālī Kaula |
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Автор произведения | Jan Fries |
Жанр | Эзотерика |
Серия | |
Издательство | Эзотерика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944180649 |
Śivas Gesetze über Ehebruch sind sehr streng und bestrafen den Mann generell härter als die Frau. Das mag daran liegen, dass im alten Indien eine Frau, die ihren Ruf verloren hatte, auch ihren Mann, ihr Zuhause, ihren Status, ihre Kinder und oft ihr Leben verlor. Was für ein Preis für ein bisschen Spaß! Unter den Kaulas war es ein großes Vergehen, eine Frau zu verletzen, und aus diesem Grund favorisieren manche Kaula Tantras eine monogame Lebensweise und verlangen, dass ihre Anhänger ausschließlich mit ihren Ehepartnern praktizieren sollen. Seitensprünge konnten einfach zu schlimme Folgen haben. Ich sollte hinzufügen, dass es im alten Indien mehrere Formen und Arten der Hochzeit gab, die vom sehr seriösen und traditionellen Ritual, an dem beide Familienclans teilnahmen, bis hin zu formellen Riten reichten, die von Verliebten durchgeführt wurden, die von ihren Familien weggelaufen waren (und wer könnte ihnen daraus einen Vorwurf machen?). Unter manchen Tantrikern gab es auch temporäre Hochzeiten, die solange gültig waren, bis die Partner sich trennen wollten, die Frau ihre Tage gehabt hat und sicher war, dass kein Kind unterwegs war.
Manche Vaiṣṇava-Tantriker stimmen mit dieser Ansicht nicht überein. Da ihre Lieblingsinkarnation von Viṣṇu, der schwarze, Flöte spielende Gott Kṛṣṇa, seiner Gefährtin Rādhā nicht besonders treu ist und viel Zeit damit verbringt, mit den Rinderhirtinnen auf dem Land zu flirten und sie zu lieben, betrachten die Anhänger mancher Vaiṣṇava-Kulte Ehebruch als eine Form von Verehrung und versuchen ihre Gottheit zu imitieren, indem sie dasselbe taten. Auch die blendend schöne Rādhā hatte ihren Teil an diesem Spiel: immerhin ist sie eine Kuhhirtin, die ihren ungeliebten Ehemann täuschen musste, um sich am Waldrand mit Kṛṣṇa zu treffen. Unser göttliches Paar repräsentiert also eine Liebesbeziehung, die sich gegen die gesellschaftlichen Gebote wendet. Das ist eine für Vaiṣṇavas ausgesprochen unübliche Einstellung und wirft erstaunliche Fragen auf. Doch wie dem auch sei, die meisten Vaiṣṇava-Tantriker wandten sich ritualisiertem Ehebruch mit Entsetzen ab.
Das Thema des Ehebruchs ist eins der rätselhaftesten in der tantrischen Literatur. Viele Tantras erklären, dass der Verehrer Verkehr mit der Parāśakti haben soll. Nun hat ‘Parā’ zwei Bedeutungen. Es kann das Höchste, Extremste oder Ultimative bedeuten, wobei in diesem Fall die Parāśakti die absolute Göttin ist, die höchste Wirklichkeit, die Śiva (Bewusstsein) und Śakti (Form/Energie) sowie alles andere erzeugt. Diese höchste Śakti ist kein menschliches Wesen, auch wenn sie sich natürlich in uns und absolut allem manifestiert. Zunächst einmal kann die Vereinigung mit der Parāśakti eine komplett mentale, meditative Angelegenheit sein, bei der der Adept oder die Adeptin für sich allein weilt, das Denken und die Wahrnehmung nach Innen lenkt und dabei nach und nach alle Schleier von Form und Erfahrung ablegt, um den Urgrund jenseits von Form und Bewusstsein zu erreichen. Dieser Prozess wird auch als umgekehrte Vereinigung (Viparīta Maithuna) bezeichnet; Du wirst ihm später in der Hymne an Kālī wiederbegegnen. Wichtig hierbei ist, dass es sich um einen Prozess handelt, der immer weiter geht, und niemals ein Ende erreicht. Auf dieser Ebene hat die Parāśakti nichts mit Weiblichkeit zu tun; im Gegenteil, sowohl Śiva und Śakti, egal in welcher Form Du an sie denkst und wie Du sie erlebst, werden irgendwann transzendiert. Auf der wesentlich einfacheren Ebene der ‚heldenhaften‘ Verehrung haben wir es beim Thema Vereinigung oft mit Sex und/oder Besessenheit zu tun. Bei der Vorbereitung für das rituelle Liebesspiel kann die menschliche Partnerin mit der Paraśakti identifiziert werden; diese visionäre Identifikation wird in etlichen Tantras angedeutet, oder, wie im YT, auch detailliert beschrieben. Die Partnerin wird dabei als höchste Gottheit verehrt; das Bild der Gottheit überlagert den Körper der Partnerin und verschmilzt damit. Auch die Partnerin imaginiert sich in die Form und Bewusstheit der Parāśakti hinein: ganz offensichtlich wird für diese Transformation einiges an spiritueller Kompetenz, Hingabe und Übung vorausgesetzt. Für Anfänger sind solche Riten jedenfalls nicht gedacht. Wenn die höchste Śakti und die Partnerin zu einem werden, kommt es zu Besessenheit. Die andere Bedeutung von ‘Parā’ ist ‘des anderen’. Nach dieser Lesart ist die Parāśakti die Śakti (hier: Gattin, Partnerin oder Frau) eines anderen (Mannes). Ein Text, der erklärt, dass die Anhänger sich mit der höchsten Śakti vereinigen sollen, kann als ehebrecherische Vereinigung mit der Frau eines anderen Mannes gedeutet oder missverstanden werden. Die erste Interpretation wird oft von Adepten vertreten, die zweite ist in antitantrischer Propaganda üblich. Und jetzt wird es schwierig zu verallgemeinern. Es gibt Tāntriker, die alles symbolisch verstehen, während andere darauf bestehen, alles wörtlich zu nehmen. Daher kam es im Laufe der tantrischen Geschichte immer wieder dazu, dass Tantriker ganz gezielt nach Möglichkeiten zum rituellen Ehebruch suchten. Hierbei lag der Grund nicht darin, dass Frauen, die mit anderen verheiratet wären, besondere Vorzüge hätten. Es ging vielmehr um den Wunsch, soziale Gebote zu brechen. Einige etwas zwanghafte Kaula-Lehrer empfanden die Überschreitung jeglicher gesellschaftlichen Normen und Prinzipien als ein heiliges Gebot. Diese Leute waren einfach deshalb für Ehebruch, weil Zwangshochzeiten und unfreiwillige Treue eine überflüssige gesellschaftliche Norm darstellen, aber auch sie identifizierten die Partnerin mit der höchsten Śakti. Aber Ehebruch konnte auch andere Gründe haben. Schließlich sollten wir bedenken, dass viele Tantriker eine asketische Lebensweise ausübten, weite Reisen machten, und einen Teil ihres Lebens auf der Straße verbrachten. Manche von ihnen heirateten andere Asketen, aber andere waren arm, lebten hauptsächlich allein und hatten sehr wenig Gelegenheit, mit jemandem Liebe zu machen, außer mit verheirateten Frauen und Prostituierten. Einer der Gründe dafür, dass etliche Tantras Friseusen, Waschfrauen, Straßenreinigerinnen, Metzgerinnen, Fischhändlerinnen, Gerberinnen und Prostituierte lobpreisen, besteht darin, dass diese Unterklasse-Frauen leichter zu haben waren als Frauen der gehobenen Klassen.
In den Lehren des linkshändigen Pfades sind Geschlechtsunterschiede nicht immer von Bedeutung. Um Vimalānanda zu zitieren (Kommentare zum Karpūrādi Stotra, 1837 in Woodroffe 2001):
Er, der Śiva ist, ist auch Śakti, und Sie, die Śakti ist, ist auch Śiva. Vaterschaft und Mutterschaft sind nur dem Namen nach Unterschiede. In Wirklichkeit stehen sie für ein und dasselbe. Das Tantra Śāstra wiederum sagt, dass Śakti, Maheśvara, Brahman alle dasselbe bezeichnen. Männlich, weiblich, sächlich sind verbale und keine wirklichen Unterschiede … Wir können über Mahādevī als männlich oder weiblich meditieren, denn diese Begriffe können für jeden groben Körper angewendet werden.
Eine ähnliche Einstellung kommt im DBh 9, 1 zum Ausdruck:
… jene, die die bedeutendsten und höchsten der Yogīs sind, erkennen keinen Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau. Alles ist Brahman.
Dasselbe kommt im tantrischen Buddhismus gelegentlich vor. Einer der bedeutendsten Gründungsväter des tibetischen Buddhismus, Padmasaṁbhava, soll gesagt haben:
Die Grundbedingung für die Erleuchtung ist der menschliche Körper. Männlich oder weiblich macht keinen großen Unterschied. Aber wenn der Geist sich der Erleuchtung zuwendet, ist ein weiblicher Körper besser.
Es ist kein Zufall, dass Padmasaṁbhava von initiierten Frauen lernte (Shaw, 1994 : 193), viele Schülerinnen hatte, mit seiner berühmteste Schülerin, der Prinzessin Tsogyal zusammenlebte und praktizierte, und sich zu meditativen Zwecken gerne in die Göttin Siṁhamukha (Löwenkopf) verwandelte. Letztere ist eine Verwandte von Kālī, die sowohl im hinduistischen wie buddhistischen Tantra populär ist.
Oder nimm diese höchst revolutionäre Erklärung, die der Göttin Tārā zugeschrieben wird:
Da es so etwas wie einen Mann oder eine Frau nicht gibt, ist die Bindung an ‘männlich’ oder ‘weiblich’ hohl. (Trimondi 1999 : 381, 373)
Wenn es um erstaunliches göttliches Verhalten geht, begegnen wir Göttern, die imstande sind, ihr Geschlecht nach Belieben zu wechseln. Jede männliche Gottheit hat eine weibliche Form, und auch für viele Göttinnen ist eine Transformation in einen männlichen Körper möglich. Meditationen, in denen sich Deine Lieblingsgottheiten ins andere Geschlecht verwandeln, sind ausgesprochen nützlich, denn sie zerstören konventionelles,