Jahrbuch der Baumpflege 2019. Группа авторов

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Название Jahrbuch der Baumpflege 2019
Автор произведения Группа авторов
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783878152651



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Blütezeit von weitem nur viele Kügelchen in der Krone. Erst wenn sich die Früchte ebenfalls relativ früh (im April und Mai) bis zur Reife entwickeln, fallen diese auf, da sie zunächst von einem grünen Flügel umgeben sind. Dessen grüne Farbe macht sofort deutlich, dass er Photosynthese betreibt – so ist die schnelle Fruchtreife schon vor dem Austreiben der Bäume zu erklären. Man könnte zunächst denken, dass die Ulmen austreiben, aber es sind „nur“ die Früchte (Abbildung 5). Von Nahem sieht man (gegen das Licht oder mit Lupe) eine wunderschöne Bewimperung am Rand der reifenden Früchte. Die Flatter-Ulme kreuzt sich nicht mit Berg- oder Feld-Ulme, diese beiden bilden hingegen miteinander den Hybrid Holländische Ulme (Ulmus x hollandica).

      An alten Flatter-Ulmen treten oft markante Brettwurzeln auf: weit ausladende Wurzelanläufe zur Verbesserung der Standfestigkeit auf nassen Standorten. Diese Eigenschaft behält die Art meist auch auf trockenen (z. B. Park-)Standorten bei. Zudem ist ihr Stamm oft von vielen Wasserreisern (jungen Stammaustrieben) bedeckt, ohne dass dafür eine Krisensituation der Anlass ist – es handelt sich also nicht um Angsttriebe, wie gelegentlich (für Eichen) zu hören oder zu lesen ist. Das Wurzelsystem entwickelt sich herzförmig und erreicht Tiefen von 2 m.

      Die dickste Flatter-Ulme der Republik dürfte auf dem ehemaligen Friedhof hinter der Kirche von Gülitz (in NW-Brandenburg) stehen (www.championtrees.de), mit einem Stammumfang von 9,98 m und einem bemerkenswerten Alter von geschätzten 400–500 Jahren. In ihrem Stamm sind Reste der früheren Friedhofsmauer eingewachsen.

      Die Ulmen gehören zur Familie der Ulmengewächse (Ulmaceae), mit ihnen auch die Zelkove (Zelkova), aber neuerdings nicht mehr der Zürgelbaum (Celtis).

       2 Vorkommen und Ökologie

      Das Areal der Flatter-Ulme umfasst große Teile Mittel-, Süd- und Osteuropas. Die Feld-Ulme bleibt im Nordosten weiter zurück, wohingegen die Berg-Ulme höher nach Nordwesten und in die Mittelgebirge vordringt (daher ihr Name). Die Flatter-Ulme erträgt wie die Feld-Ulme länger als drei Monate Überflutung und damit mehr als Eichen und Eschen.

      Sie ist ein wichtiger Auenbaum, welcher von der katastrophalen Ulmenkrankheit am wenigsten betroffen ist, so dass nicht „die Ulmen“ aussterben, wie man es immer wieder hören oder lesen kann. Am stärksten betroffen davon ist die Feld-Ulme, daher sind Altbäume von ihr inzwischen tatsächlich selten geworden, und sie wird, wie die Flatter-Ulme, in der Roten Liste für Deutschland als gefährdet und für mehrere Bundesländer als (stark) gefährdet aufgeführt.

       Abbildung 2: Leiterartige Verzweigung durch zweizeilige Blatt- und Zweigstellung

       Abbildung 3: Blätter mit ungegabelten Seitennerven in der vorderen Blatthälfte und asymmetrischer Spreitenbasis

       Abbildung 4: Lang gestielte und daher im Wind flatternde Früchte

       Abbildung 5: Frühe Fruchtreife vor Blattaustrieb mit dadurch z. T. grüner Krone eines alten Auensolitärs im April

      Der Schwerpunkt der Flatter-Ulme ist in Auen größerer unregulierter Flüsse Mitteleuropas zu finden (Abbildung 6), aber wo gibt es die noch? Auenwaldreste mit Ulmen existieren an Oder, Elbe, Rhein und Donau, jedoch machen ihnen Flussbegradigung und -regulierung sowie Entwässerungsmaßnahmen zu schaffen. Ulmen sind als Übergangsbaumarten in der Jugend relativ schattentolerant, was ihr Aufwachsen in Auenwäldern und alten Parkanlagen erleichtert. Viele Ulmen stehen (oder standen) an markanten Plätzen und Landmarken und bilde(te)n dort eindrucksvolle Solitärbäume.

       Abbildung 6: Elbaue bei Torgau mit sehr vielen alten, vitalen Flatter-Ulmen

       3 Nutzung, Verwendung, Heilkunde und Mythologie

      Das harte Holz der Ulmen wird Rüster genannt und ist infolge der Krankheit selten geworden, obwohl es durch seinen braunen Kern sehr attraktiv und wertvoll ist. Dabei ist Bergrüster wertvoller als Flatterrüster, da der Kern/Splint-Kontrast stärker ist. Die Jahrringe sind sehr deutlich zu erkennen, weil es sich um ringporiges Holz handelt. Flatterrüster ist von Berg- und Feldrüster nach Aussagen von Tischlern am helleren Kern und an den breiten Spätholzgefäßbändern zu unterscheiden, Holzfachleute streiten das aufgrund der Variabilität jedoch ab. Sehr gesucht und teuer sind sog. Maserknollen von Ulmen, die aus Stammbeulen mit besonders vielen Knospen und Wasserreisern entstehen. Daraus lassen sich eindrucksvolle Furniere und kleine Gebrauchsgegenstände herstellen (Abbildung 7), z. B. Schreiber. Das Holz ist zäh-n derelastisch und daher auch für Bögen und Werkzeugstiele begehrt. Sonst wird es für Möbel sowie im Bootsbau und Innenausbau verwendet. In England ist Rüster das traditionelle Sargholz.

      Wegen der nährstoffreichen Blätter wurden Ulmen früher gerne als Schneitelbäume verwendet, welche man immer wieder auf einen Kopf zurückschnitt, um die dann intensiv wachsenden Wiederaustriebe als Viehfutter zu nutzen.

      Verwendung findet vor allem die Flatter-Ulme auch als Stadtbaum. In der „Ulmenhauptstadt Europas“ Amsterdam hat man durch eine sehr wirksame Bekämpfungsstrategie (Impfung) und Pflegemaßnahmen die Krankheit relativ gut im Griff, und die Ulmen (dort vor allem Holländische Ulmen) stellen fast 90% der Straßenbäume – das macht Hoffnung. Andernorts setzt man vor allem auf resistente Sorten. Allerdings hat sich dabei in der Vergangenheit häufiger herausgestellt, dass sich vermeintlich resistente Sorten in höherem Alter – wenn sie für den krankheitsübertragenden Ulmen-Splintkäfer attraktiv werden – als doch nicht resistent erwiesen haben. Der Absterbeprozess in Alleen kann dann rasant voranschreiten, u. a. indem der verantwortliche Pilz sich über Wurzelverwachsungen ausbreitet. Dies alles betrifft jedoch am wenigsten die Flatter-Ulme, die in erstaunlicher Anzahl und in beeindruckender Vitalität mit Altbäumen in verschiedenen Regionen auftritt. Am meisten beeindruckt mich dies an der Elbe im Abschnitt von Dresden/Radebeul bis hinter Torgau. Hier findet man an ca. 100 km Flusslauf beidseits am Elbe-Radweg in den Auen noch über 1.000 vitale Altulmen – darunter besonders viele Solitäre (Abbildung 6). Von hier stammt auch die „Torgauer Flatter-Ulme“, die sich gegenüber der Ulmenkrankheit als besonders resistent erwiesen hat. So kann die Flatter-Ulme auf Auenflächen teilweise die derzeit stark geschädigten Eschen und Schwarz-Erlen ersetzen.

      Die Flatter-Ulme ist viel stärker von der anthropogenen Beseitigung ihrer Lebensräume am Flusslauf betroffen als von der Ulmenkrankheit: Auenwälder mit Überflutungsregime, Feuchtbiotope, mäandrierende Fließgewässer sind selten geworden, da die Landwirtschaft diese Flächen für Hochleistungs-Grünland favorisiert und Deiche als Hochwasserschutz nah an den Flüssen gebaut und kürzlich wieder erhöht wurden. Für die Flatter-Ulme wäre, wo das möglich ist, eine Deichrückverlegung hilfreich um wieder mehr Überflutungsraum zu schaffen.

       Abbildung