Harrys geträumtes Leben. Hans H. Lösekann

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Название Harrys geträumtes Leben
Автор произведения Hans H. Lösekann
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783957442116



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hinaus, kehrten wieder um und alberten im Uferbereich. Das Herumalbern wurde sanfter, ging über in Streicheln und schließlich nahmen sie sich in die Arme. Langsam kamen sie auf ihre verborgene Sanddüne zurück. Einer sagte banal: „Wir haben kein Handtuch.“ Regungslos und ganz dicht standen sie sich gegenüber, sahen sich an, in die Augen, die dann weiter über den tropfenden nackten Körper des anderen wanderten. Harrys steife Männlichkeit war genauso wenig zu übersehen wie die prallen, harten Spitzen von Yamalias herrlichem Busen. Sie sahen sich eine lange Weile stumm an, und in beiden war das Zittern eines reißenden Tieres, bevor es zuspringt und sich in die Beute vergräbt. Kann man erklären, was ein Rausch ist, wenn der Himmel auf die Erde fällt oder die Erde aufbricht und alles wie in Flammen zu verglühen scheint? Wie zwei Meere, die gegeneinander branden, wie zwei heiße Stürme, die sich treffen und die Wolken aufreißen, so fielen sie sich in die Arme – und übereinander her.

      Später, in einem Augenblick klarer Nüchternheit, sah er, dass sie im Sand lagen und dass der Staub der nahen Wüste über ihre Körper wehte. Sand knirschte im Mund, in den Haaren und auf der Haut. Sie hatte ihr Gesicht an seine Brust gepresst und in ihn hineingeschrien: „Ich liebe dich, ich liebe dich, bei Allah, ich liebe dich.“ Ist so viel Glück möglich?, dachte Harry. In diesem Land steht die Welt in Flammen und wir ertrinken in Liebe und Leidenschaft. Nackt, zärtlich und zaghaft begannen sie, sich gegenseitig ein wenig zu erzählen.

      „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal in einen Fremden verlieben könnte.“

      „Ich habe vom ersten Augenblick im El-Jazair Royal gewusst, dass ich dir verfallen bin.“

      Beide waren so vollendet glücklich, so vollendet gesättigt von gegenseitiger Zärtlichkeit, so vollendet befriedigt von gegenseitiger Leidenschaft und gegenseitigem Begehren. Zwischendurch waren sie immer wieder lange still. Es war kein verlegenes Stillsein, sondern ein vollkommenes, vollendetes Wohlfühlen. Ein Glücksgefühl, eine Zufriedenheit, die beide so ausfüllte, dass da gar nichts anderes mehr zu sein brauchte.

      Irgendwann verschwand die Sonne, war hinter dem Schilfgürtel völlig abgetaucht. Spielerisch und zärtlich versuchten sie, sich gegenseitig den Sand von der Haut zu streicheln. Yamalia war es, die dann als Erste wieder in der Welt ankam. „Wir sollten zurückgehen, und wenn ich meinen Gefühlen noch trauen kann, dann bin ich durstig und hungrig.“

      Erst auf dem Rückweg spürte auch Harry Durst und Hunger, dann aber mit Macht. Seit dem Frühstück hatten beide nichts gegessen und bis auf das Glas Orangensaft auf der Fahrt auch nichts getrunken.

      „Es gibt hier nur ein kleines Restaurant, aber das ist sehr gut. Lass uns schnell duschen und uns umziehen.“

      Die Dusche war etwas eng. Es war selbstverständlich und ganz klar, dass sie sich beide in die enge Kabine quetschten und es dicht aneinandergedrängt genossen, wie das Wasser den Sand, den Schweiß der Reise und den der Leidenschaft abspülte. Zärtlich seiften sie sich gegenseitig ein. Von gegenseitigem Verlangen ergriffen, probierten sie, wie Küsse unter der strömenden Dusche schmecken. Es dauerte nicht lange, da waren Durst und Hunger erst einmal vergessen. Tropfnass, wieder die Welt vergessend, verschlangen sie sich gegenseitig in hemmungsloser Ekstase auf dem breiten französischen Bett des kleinen Schlafzimmers.

      Später, sehr viel später, gingen sie Hand in Hand über die unbefestigten und kaum beleuchteten Straßen des kleinen Ortes zu dem Restaurant. Es war inzwischen dunkel und deutlich kühler. Über ihnen prangte der einzigartige Sternenhimmel Afrikas. Nicht Tausende, nein, Millionen glitzernder, funkelnder Brillanten protzten als verschwenderischer Schmuck über ihrer Glückseligkeit. Das glitzernde Himmelsgewölbe schien ganz nah zu sein und auf der linken Seite zeigte sich fast schamhaft die schmale Sichel eines auf dem Rücken liegenden Mondes.

      Das Restaurant hatte nur sechs Tische und zwei davon waren besetzt. Der kleine Raum war fast nur von den Kerzen auf den Tischen beleuchtet. Es war, als hätte man die romantische Atmosphäre extra für die beiden Liebenden gestaltet. Harry wollte erst einmal eine große Flasche Mineralwasser, Yamalia einen leichten Weißwein. Mit Feuer und Esprit versuchte sie, ihm die einheimischen Spezialitäten zu erklären, die auf der kleinen Speisekarte standen. Harry hörte gar nicht richtig zu, konnte sich nicht konzentrieren. Fasziniert sah er ihr ins Gesicht, vollkommen verzaubert von ihrer Schönheit, ihrer Mimik, ihrer Ausdrucksstärke. Er konnte es gar nicht fassen, dass er mit dieser Traumfrau hier saß, dass er mit dieser Traumfrau einen perfekten Tag der Liebe, der Leidenschaft und der Hingabe verbracht hatte. Ihre Augen, in denen er sich so verlieren konnte, in denen er jederzeit bereitwillig und ohne Gegenwehr ertrinken konnte, sprühten vor Leidenschaft, als sie ihm eine ganze Reihe einheimischer Leckereien erklärte. Harry, du bist ein Glückspilz, das Leben ist schön, danke, lieber Gott.

      Sie einigten sich auf zwei Portionen Lahm Lalou, zart gesottenes Lammfleisch mit Pflaumen und Mandeln. „Und, Harry“, sprühte Yamalia und strahlte ihn mit vorgestreckten Händen suggestiv an, „du musst unbedingt unsere Suppe aus exotischen Früchten probieren, das ist Mangopüree mit Kokoschips, Früchten und Beeren.“

      Harry hatte jetzt einen Bärenhunger und ließ sich nur zu gern überzeugen. Das Essen war hervorragend und es war schon bald Mitternacht, als sie satt, zufrieden und entspannt zu ihrer Wohnung zurückschlenderten. Dankbar spürten sie die Wärme, die sich in der Wohnung gestaut hatte, denn es war inzwischen recht kalt geworden. So brutal heiß das Wüstenklima am Tage sein kann, so empfindlich kalt kann es nachts sein. Schon bald kuschelten sie sich im Bett aneinander. Wieder versanken sie in purer Zärtlichkeit.

      Sanft umspülte das Wasser den Außenpoller des etwas wackeligen Bootsstegs. Ein leichtes Plätschern, gerade noch hörbar, rhythmisch, beruhigend, fast einlullend. Die Strahlen, die schon wieder mit Macht und Kraft von dem gleißenden, orangefarbenen Ball am makellos blauen Himmel die Welt Nordafrikas trafen, verschenkten ein blitzendes, schillerndes Feuerwerk, wenn sie sich im plätschernden Wasser brachen. Es gab kaum andere Geräusche in diesem warmen Paradies aus gleißendem Wasser, nahen Palmenhainen und einigen hinter dem Schilfgürtel durchscheinenden weißen Mauern. Wenige kleine Segelboote und einige Ruderboote waren am Steg festgemacht. Yamalia verhandelte mit einem Piraten im Ruhestand. So sah er jedenfalls aus. Ein großer, grauhaariger, etwas gebeugter und doch stolzer Mann mit dichten grauen Stoppeln im Gesicht. Er lächelte freundlich beim Sprechen und zeigte ohne Scheu seine Zahnlücken. Er trug eine weite, wehende und nicht überall ganz saubere weiße Djellaba.

      „Die Segelboote gehören alle Privatpersonen und sind nicht zu vermieten, aber ein Ruderboot könnten wir haben. Wollen wir?“, fragte Yamalia nach ihren Verhandlungen mit dem Piraten und Harry sagte freudig zu. Auf ihre Frage, ob er denn damit umgehen könne, meinte er übermütig: „Na klar, schließlich war ich mal Seemann.“

      Harry ruderte auf den See hinaus. Die Sonne brannte. Es wurde heiß und auch das Eintauchen der Arme oder Beine im Wasser und das Befeuchten des Gesichts brachte nur kurz die gewünschte Abkühlung. Harry steuerte den Uferrand an, an dem das hohe Schilf etwas Schatten schenkte. Er zog die Riemen ein, beide setzten sich nebeneinander und erzählten dem anderen von sich, immer wieder von sanften oder auch heftigen Kussattacken unterbrochen.

      Harry erzählte von seinen zwei Jahren Seefahrt. Von seinem Arbeitsunfall in Spanien und seiner einmonatigen Zwangspause. Wie er dabei seine Liebe zu dem Land Spanien und der spanischen Mentalität entdeckt hatte. Seine Liebe zu Nina in dieser Zeit streifte er nur am Rande. Er sprach aber von seiner Freundschaft zu einem einflussreichen Señor, der ihm auch Studienplatz und Stipendium in Valencia ermöglichen würde. Er würde am liebsten Soziologie studieren, müsse aber, zumindest erst einmal, mit Jura beginnen. Die Verbindung des „einflussreichen Señors“ zur Fremdenlegion und seinen wirklichen Status hier in diesem Land verschwieg er natürlich. Dafür erzählte er ausführlich von seiner kaufmännischen Ausbildung und seiner Sehnsucht danach, trotz dieser Ausbildung zu studieren.

      Yamalia war in Algier aufgewachsen. Ihr Vater war ein recht erfolgreicher Schmuckhändler. Für sie stand schon früh, eigentlich schon im Kindesalter fest, dass sie Schriftstellerin werden wollte. Schon in der Schülerzeitung hatte sie mehrere Geschichten veröffentlicht. Ihre Einschreibung zum Studium der Literatur war dann nur folgerichtig. Aber schon am Ende des ersten Semesters begann die „Miss-Story“, wie sie es nannte. Nach einer kleinen