Sturmgepeitscht. Markus Kleinknecht

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Название Sturmgepeitscht
Автор произведения Markus Kleinknecht
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839269466



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teuer und neu. Winterstiefel, gefütterte Hose, abgesteppte Daunenjacke. Outdoorkleidung aus dem Fachgeschäft.

      »Wer ist das?«, fragte der Mann und sah an der jungen Frau vorbei zu Jan.

      »Presse«, sagte sie. »Aus Hamburg. Er will über euch schreiben.«

      »Wie, über uns?«

      »Frag ihn selbst.«

      Der junge Mann machte eine ausholende Armbewegung, um seinen Beifahrer zum Aussteigen zu veranlassen. Zögernd wurde die Fahrzeugtür geöffnet. Ein zweiter Mann trat auf die Straße. Er war genauso gut gekleidet wie sein Freund, trug dazu noch eine Wollmütze mit Krempe. Doch anders als bei dem Kerl in der Daunenjacke wirkte sein Gesicht blass wie ein Fischbauch.

      »Was ist mit Hauke los?«, fragte die junge Frau. »Hat er getrunken?«

      »Dem geht’s gut«, antwortete der Angesprochene.

      »Und wo ist Anna? Warum ist sie nicht bei euch?«

      »Ich erkläre es dir drinnen.«

      Der junge Mann ging zu seinem Freund und griff nach dessen Ellenbogen. Doch der Junge, den die Frau Hauke genannt hatte, ließ sich das nicht gefallen. Er machte einen unsicheren Schritt nach rechts. Nun war auch Jan davon überzeugt, dass der Junge trotz der frühen Nachmittagsstunde bereits ziemlich betrunken war.

      Hauke konnte zwar einigermaßen geradeaus auf die Villa zugehen, doch es war ihm anzusehen, wie viel Konzentration ihn das kostete. Wortlos stiefelte er an Jan vorbei. Dann folgte der andere Mann. Er hatte dem Mädchen eine Hand auf den Rücken gelegt und schob es ebenfalls zum Haus.

      »Geh rein, es ist kalt«, sagte er, bevor er, die Hände in die Jackentaschen steckend, bei Jan stehen blieb. »Ich bin Dennis. Und Sie heißen wie?«

      Jan sagte seinen Namen.

      »Lena meint, Sie sind von der Presse?«

      Langsam nickte Jan. Lena also. Nun war alles klar.

      Bei der Videoclip-Datei, die Jan sich schon so oft angesehen hatte, stand im Quellcode die Bezeichnung »Anna-Lena«. Die ganze Zeit hatte Jan gedacht, dass es sich dabei um den Namen einer einzelnen Person handelte. Selbst als Maria Fernandez im Studentenwohnheim immer nur von Anna statt von Anna-Lena gesprochen hatte, dachte er, dies sei die Abkürzung für einen Doppelnamen. Anna-Lena war auf Dauer etwas zu lang. Doch nun war klar, dass der Bindestrich zwischen Anna und Lena ein Plus hätte sein müssen. Also Anna + Lena.

      Aber ein Plus ist ein Sonderzeichen, dachte Jan. Viele Systeme akzeptieren das bei einer Dateibenennung nicht.

      In dem Video, das er kannte, waren vermutlich Anna und Lena zu sehen. Beide Frauen. Jan war aber nie ein Unterschied aufgefallen. Es waren also höchstwahrscheinlich doch Schwestern. Vielleicht sogar Zwillinge.

      Lena war an der offenen Haustür stehen geblieben, hielt die Arme vor der Brust verschränkt. Freundschaftlich legte Dennis Jan nun eine Hand auf die Schulter.

      »Sie wollen über uns schreiben? Das finde ich gut«, sagte er. »Wollen Sie eben mit reinkommen? Dann erzähle ich Ihnen ein bisschen was. Vielleicht ist das ja gute Werbung für uns.«

      Das Lächeln des Burschen gefiel Jan nicht. Trotzdem nickte er.

      Dennis nickte ebenfalls. Zusammen mit Jan machte er ein paar Schritte auf Lena zu, dann stoppte er. »Ach, ich habe noch was im Auto vergessen. Gehen Sie schon mal rein. Ich komme gleich nach.«

      Jan sah Dennis dabei zu, wie er zurück zum Wagen eilte. Unterwegs hob dieser noch einmal den Arm als Zeichen dafür, dass alles in Ordnung sei.

      »Sind Sie gute Freunde?«, fragte Jan die junge Frau, die noch immer an der Eingangstür wartete. Doch Lena ging ins Haus, ohne zu antworten.

      13

      Die Einrichtung der Villa hielt, was das Gebäude von außen versprach. Der Vorflur war für ein gewöhnliches Haus viel zu groß. Breit schwang sich rechts eine Tropenholztreppe in den ersten Stock hinauf. Links neben einer Gästetoilette stand ein großer Garderobenraum offen. Jan sah einige Schuhe und Stiefel. Geradeaus führten zwei weitere Türen vom Flur ab. Links musste es zur Küche gehen. Auch diese Tür stand offen. In der Mitte gab es eine doppelt so breite zweiflügelige Tür. Sie führte in den Wohn- und Essbereich. Rechts davon sah Jan einen weiteren Gang in einen Seitentrakt der Villa abgehen.

      Lena führte Jan in ein riesiges Wohnzimmer. Eine schwarze Ledergarnitur mit verchromten Armlehnen bildete das Zentrum des Raums. Rechts von den Sitzmöbeln baute sich ein großer Kamin auf. Eine Panoramascheibe bot den Blick auf eine Terrasse von imposanten Ausmaßen. Obwohl Jan es wegen der Dünen nicht sehen konnte, glaubte er, dass man auf der Terrasse bei auflandigem Wind das Meer hören musste. Durch eine kleine Stufe vom Wohnzimmer getrennt, gab es einen Essbereich mit einer weiteren Tür zur Küche. Auf diesem Absatz thronte ein schmaler, langer Tisch mit acht Stühlen.

      Über die Schulter zurückblickend sah Jan, wie Dennis seine Outdoorjacke in den Garderobenraum brachte und dann mit einer großen Sporttasche ebenfalls ins Wohnzimmer kam. Er stellte die Tasche auf einen niedrigen Beistelltisch, ohne sich dafür zu interessieren, ob sie vielleicht die polierte Oberfläche zerkratzte.

      »Wo ist Anna?«, fragte Lena erneut, und ihr Blick sagte, dass sie sich bei der Antwort nicht noch einmal vertrösten lassen würde.

      Jan hatte Anna am Vormittag gesehen. Er hatte neben ihrem zerschmetterten Körper gekniet und der Toten sogar ins Gesicht gesehen. Lena konnte das nicht ahnen. Und Jan hielt es nicht für klug, es ihr gerade jetzt zu sagen. Vielleicht war es sogar gefährlich. Besser, niemand wusste, dass er über den Tod des Mädchens Bescheid wusste. Noch nicht.

      »Anna geht’s gut«, sagte Dennis und wiederholte damit dasselbe, was er bereits draußen behauptet hatte.

      »Wo ist sie?«, beharrte Lena auf eine genauere Antwort.

      »Im Hotel«, meinte Dennis.

      »Im Hotel? Wieso denn das? Und in welchem Hotel?«

      »Beruhige dich erst mal, Lena. Was ist denn los?«

      »Warum ist Anna nicht bei euch?«

      »Wegen des Spiels. Das weißt du doch.«

      »Was ist mit dem Spiel? Hat sie es geschafft?«

      Dennis nickte. »Sie war große Klasse. Sie war schneller als wir. Sie hat den Schatz gefunden. Und morgen schaffst du das vielleicht auch.«

      Dennis trat auf Lena zu und umfasste mit den Händen ihre Oberarme. »Sie soll dir doch nichts verraten können. Deshalb haben wir sie ins Hotel gebracht. Die Sache soll total fair laufen. Verstehst du? Unter denselben Voraussetzungen. Aber wenn sie dir aus Versehen etwas erzählt, dann geht das ja nicht.«

      Lena atmete tief durch. »Okay, das verstehe ich. Aber warum muss sie dafür ins Hotel? Wir haben hier genug Zimmer. Sie hätte doch heute Abend oben bleiben können und ich hier unten. Dafür hättest du sie doch nicht ins Hotel bringen müssen.«

      »Ich finde es besser so. Und Hauke auch.«

      »Wieso ist der so betrunken?«

      »Keine Ahnung. Hatte er eben Bock drauf. Was weiß ich«, meinte Dennis. »Nachdem wir Anna abgeliefert haben, wollten wir uns an der Hotelbar nur kurz von innen aufwärmen. Na ja, du hast ihn ja gesehen. Hauke hat es dabei ein bisschen übertrieben. Lass ihn mal pennen. Danach wird er dir dasselbe erzählen wie ich.«

      »Kann ich Anna kurz anrufen?«

      »Nein.« Dennis schüttelte den Kopf. »Wir belassen es bei den Regeln so, wie sie sind. Kein Informationsaustausch zwischen den Spielen.«

      Lena schüttelte den Kopf. »Das ist doch blöd.«

      »Finde ich nicht«, erwiderte Dennis achselzuckend. Dann wandte er sich abrupt zu Jan um und signalisierte damit, dass er das Thema für beendet hielt.

      »Jan Fischer?«, sagte er. »Wie sind Sie auf uns gekommen? Verdammt, wie haben