Sturmgepeitscht. Markus Kleinknecht

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Название Sturmgepeitscht
Автор произведения Markus Kleinknecht
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839269466



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      Die ersten Paintballvideos hatten sie im Sommer gemacht. Auf einem ehemaligen Kasernengelände, das seit Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht leer stand. Dennis und Hauke benutzten es anscheinend schon länger als Abenteuerspielplatz. An verschiedenen Plätzen hatten sie Videokameras aufgestellt und dann gemeinsam Jagd auf die Frauen gemacht.

      Auch dort trugen Anna und Lena nur Shorts, BH und das obligatorische Stirnband mit Actioncam. Aber damals war eben Sommer. Sie schwitzten auf der Jagd. Dennis sagte, dass er das geil fände. Doch nun wollte er es anders haben. Die Mädchen sollten frieren.

      Statt vor Schweiß glänzender Haut wollte Dennis Gänsehaut sehen. Er meinte, man müsse den Zuschauern immer etwas Neues bieten. Doch Lena glaubte, dass er seine ständig neuen Ideen ausschließlich entwickelte, um sich selbst daran aufzugeilen.

      Anna kam ganz gut zurecht mit ihm, aber Lena fand Dennis insgeheim abstoßend. Wenn Anna sie nur nicht immer wieder zum Weitermachen überreden und Dennis nicht so hohe Prämien für die Spiele bezahlen würde … Lena wäre längst nicht mehr dabei.

      Dann klingelte es an der Tür. Wegen der lauten Musik hatte Lena es nicht gleich begriffen. Auch den Postboten eine Stunde früher hätte sie beinahe überhört. Als sie auf dem Weg zur Tür war, merkte sie, wie jemand ums Haus schlich. Dennis oder Hauke konnten es nicht sein. Die hatten doch einen Schlüssel.

      Etwas ängstlich wich Lena von der Tür zurück und ging in die Küche, um durch die Fenster nach draußen zu sehen. Plötzlich legte jemand sein Gesicht gegen die Scheibe. Das war ein Schreck! Doch dann wurde Lena sauer, und sie beschloss, den fremden Mann zur Rede zu stellen.

      Nun lag dieser Mann mit einem Pfeil in der Schulter in der Sauna. Das war total verrückt. Dennis hatte ihn angeschossen.

      Noch immer blickte Lena ihr eigenes Spiegelbild im Küchenschrank an. Als würde Anna hinter der Scheibe stehen. Wenn Anna nur hier wäre. Sie wüsste, was zu tun war. Anna hatte immer alles unter Kontrolle.

      Lena hingegen war völlig ratlos.

      Warum hatte Dennis Anna ins Hotel gebracht? Das war gar nicht nötig und vorher nicht abgesprochen.

      Andererseits änderte Dennis gerne mal die Absprachen.

      Was also hätte Anna jetzt an Lenas Stelle getan?

      Lauf, Mädchen, lauf!

      Lena spülte die Plastikwanne im Waschbecken aus, füllte sie anschließend zur Hälfte mit heißem Wasser. Das Gewicht der halbvollen Wanne war schwer genug. Lena griff nach einem Stapel Geschirrtücher, die ordentlich in einem Regal lagen.

      18

      »Na endlich«, empfing Dennis sie mit einem Kopfschütteln. Er hatte selbst bereits ein paar Frotteetücher aus dem Badezimmer besorgt und sie unter Jan gelegt. Offenbar sorgte er sich, dass Jans Blut das Holz der Saunabank durchtränken konnte. Dabei blutete die Wunde in Jans Schulter gar nicht besonders schlimm, solange der Pfeil darin steckte. Doch das sollte sich bald ändern.

      »Wäre es nicht besser, wenn du die Spitze absägst?«, meinte Lena.

      »Warum das denn?«

      »Ich meine ja nur. Kann die Spitze sonst nicht vielleicht in der Schulter steckenbleiben?«

      Dennis überlegte kurz, schüttelte den Kopf. »Die sind doch dafür gemacht, dass man sie nach dem Schuss wieder aus der Zielscheibe zieht. Haben ja keine Widerhaken oder so was.«

      »Trotzdem könnte die Spitze beim Rausziehen noch mehr in der Schulter verletzen als jetzt schon?«

      »Was denn?«

      »Muskeln und Gewebe.«

      »Na und?« Wieder schüttelte Dennis den Kopf. »Glaubst du, dafür mache ich den Pfeil kaputt? Mensch, Lena, das sind doch nur sechs. Hauke fände das bestimmt auch nicht gut.«

      »Hauke?«, wiederholte Lena. »Hauke ist doch völlig egal. Der Mann hier ist verletzt!«

      Dennis lachte auf. »Das würde ihn bestimmt traurig machen. Dass er dir völlig egal ist, meine ich. Armer Hauke.« Dann beugte er sich über Jan und sprach ihn direkt an. »Willst du, dass ich langsam ziehe oder schnell?«

      »Ruf einen Arzt«, antwortete Jan mit trockenen Lippen. Er war noch immer geschockt, bekam aber alles mit, was um ihn herum passierte.

      »Also schnell.« Dennis sah Lena an. »Halt ihn fest.«

      »Nicht«, stammelte Jan. »Ein Arzt … soll das machen.«

      Lena wusste nicht, was genau sie tun sollte, stellte die Schüssel ab und trat zur Saunabank.

      »Nicht streicheln«, sagte Dennis ungeduldig, als Lena Jans Stirn befühlte. »Drück seine Schultern runter. Siehst du, so wie ich.«

      Der junge Mann drückte ein angewinkeltes Knie auf Jans Brust und umschloss mit beiden Händen den Pfeil. »Vielleicht doch besser langsam«, meinte er und begann zu ziehen.

      Wo ist der Lederriemen oder das Stück Holz, auf das ich beißen kann, dachte Jan, während er sich in sein Schicksal ergab. Hat von euch denn noch nie jemand einen John-Wayne-Film gesehen?

      Vor Schmerzen fuhr ihm Übelkeit in den Magen. Automatisch schloss er die Augen.

      19

      Es war Jan nicht vergönnt, ohnmächtig zu werden. Die Schmerzen waren grausam, während Dennis am Pfeil zerrte. Es fühlte sich an, als würde die Schulter in Stücke gerissen, dabei war der Pfeil durch das weiche Gewebe direkt unterhalb des Schlüsselbeins gedrungen und hatte hauptsächlich Bereiche des rückseitigen Musculus supraspinatus zerstört.

      Als die Operation endlich gelungen war, zerrte Dennis den Oberkörper des Patienten kurz hoch und zog ihm mit Lenas Hilfe erst die dicke Daunenjacke, dann auch Pullover und T-Shirt aus. Es war eine Erleichterung für Jan, danach wieder zurückzusinken.

      Dennis wusch das Loch in der Schulter mit heißem Wasser aus. Doch bald wurde klar, dass sie die Blutung mit den Geschirrtüchern nicht stoppen konnten.

      »Hol den Verbandskasten aus dem Auto!«, befahl Dennis. Sicherlich gab es auch im Haus eine ähnliche Notfallausrüstung, aber er wusste nicht, wo.

      »Wir müssen ihn wieder aufsetzen«, meinte er, als Lena zurückkam. »Vielleicht blutet es im Sitzen nicht so schlimm.«

      Die Idee gefiel Jan nicht, aber er musste mitmachen. Seine beiden Krankenpfleger waren in der Überzahl.

      Mit vereinten Kräften zogen die beiden seinen Oberkörper hoch und rückten Jan soweit an die Wand, dass er sich dagegen lehnen konnte. Lena drückte Kompressen von vorn und von hinten auf Jans Schulter, während Dennis eine Mullbinde darüber legte, sie erst unter der Achsel durchführte und dann, für einen besseren Halt, quer über die Brust und unter dem anderen Arm hindurch auf dem Rücken zurückführte. Das Ergebnis sah ganz gut aus, fand er.

      »Jetzt schön sitzenbleiben, damit nicht gleich wieder alles durchnässt«, meinte Dennis. Dann fiel sein Blick auf Jans Jacke. Ohne zu fragen begann er, die Taschen zu durchsuchen. Hierbei legte er nacheinander Portemonnaie, zwei Paar Schlüssel und Jans Handy auf die Holzbank. »Das macht mich jetzt aber mal neugierig«, sagte er. »Zahlencode, Musterwischen, Fingerabdruck oder Gesichtserkennung? Wie ist das Ding gesichert?«

      Dennis legte die Jacke weg und ging mit dem Mobiltelefon zu Jan. Im Schein der schwachen Saunalampe musterte er das Display aus verschiedenen Winkeln, drehte es dazu leicht hin und her.

      »Nach Musterwischen sieht es schon mal nicht aus. Das könnte man erkennen …«

      Jan entgegnete nichts, leistete aber auch keine Gegenwehr, als Dennis seine Hand nahm, um den Daumen der rechten Hand auf ein Sensorfeld unterhalb des Displays zu drücken.

      »Na bitte«, meinte Dennis zufrieden. »So, mal sehen. Oh, ein Anruf in Abwesenheit und eine Kurzmitteilung. Hast du in der Hektik glatt verpasst, was? Kein Problem. Gucken wir einfach mal.

      So,