Sturmgepeitscht. Markus Kleinknecht

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Название Sturmgepeitscht
Автор произведения Markus Kleinknecht
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839269466



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dass man sie trennte, war nie die Rede gewesen. Doch nun saß Anna in einem Hotel in Westerland, und Lena war allein hier. Allein mit drei Männern, die sie weder besonders gut kannte noch mochte.

      Einer von ihnen war zeitweise unberechenbar; einer die meiste Zeit schweigsam, introvertiert und außerdem im Moment betrunken und nicht ansprechbar; der dritte lag mit einer Pfeilwunde in der Sauna und behauptete, dass es keine freien Hotelzimmer in Westerland gebe. Wieso noch mal? Wegen eines Zahnarzttreffens?

      Das musste er sich ausgedacht haben, um Lena zu verunsichern. Aber warum? Was für eine blöde Idee. Doch leider funktionierte sie. Lena war verunsichert.

      Nach dem Duschen kroch sie unter ihre Bettdecke. Auch wenn das Haus gut isoliert war, hörte sie den Wind um jede Ecke pfeifen. Offenbar wurde es da draußen immer stürmischer.

      Irgendwann zog Lena frische Sachen an, ging hinunter, toastete zwei Brotscheiben und schälte sich einen Apfel. Automatisch ging ihr Blick immer wieder zur Tür. Dahinter lag der Flur. Dann kam die Badezimmertür. Und hinter einer weiteren Tür lag der verletzte Fremde.

      Sie legte das Messer zur Seite und beschloss, nach ihm zu sehen. Nach Jan Fischer.

      Abgesehen davon, dass Dennis auf ihn geschossen hatte, war er auch sonst ziemlich fies zu Jan. Das mit dem Handy war nicht okay. Wieso musste er die Nachrichten von dieser Charlotte vorlesen und auch noch in der Fotogalerie rumstöbern?

      Auf dem Flur sah Lena zu Haukes Schlafzimmer. Der lag bestimmt noch immer im Alkoholkoma. Und Dennis?

      Dennis wollte nicht, dass sie zu Jan Fischer ging. Er hatte es ihr unmissverständlich verboten. Ins untere Badezimmer ging ab sofort niemand außer ihm. Sie erinnerte sich an die Worte, als sie schon vor dem Bad stand. Dann hörte sie Geräusche aus dem Vorflur. Blitzschnell zog sie die Hand von der Türklinke zurück.

      22

      Der Wind schlug die Haustür krachend gegen die Wand. Dennis kam polternd ins Wohnzimmer. Der Fernseher lief. Lena saß mit angezogenen Beinen auf dem Sofa und aß Apfelspalten. Er sah nur kurz in ihre Richtung und warf die Armbrust ziemlich unsanft auf den Esstisch.

      »Habe einen Pfeil verloren. Verdammter Wind. Verdammte Dunkelheit. Morgen musst du mir suchen helfen. Am besten bestellt Hauke gleich noch welche nach. Ich glaube, es gibt Zwölferpacks. Aber bis dahin müssen wir sparsam mit den Dingern umgehen. Hast du gehört, Lena? Du hilfst mir morgen beim Suchen.«

      »Ja doch.«

      »Dann antworte doch gleich!«

      »Bist du meine Mutter?«

      »Was?« Dennis erweckte kurz den Eindruck, als würde er über die Bemerkung wütend werden, stattdessen lachte er auf. »Nee, bin ich nicht. Ganz bestimmt nicht.«

      Der Raum wurde nur vom bläulichen Licht des Fernsehers beleuchtet. Eine Weile blieb Dennis regungslos beim Esstisch stehen. Irgendwann drehte Lena den Kopf, um zu sehen, ob er überhaupt noch im Raum war.

      »Was macht Hauke?«, fragte er in diesem Moment.

      »Keine Ahnung.«

      »Und unser Gast?«

      »Weiß ich nicht.«

      »Warst du bei ihm?«

      »Nein.«

      »Stimmt das?«

      Lena sagte nichts dazu.

      »Ob das stimmt?«

      Zur Antwort erhielt Dennis ein in die Länge gezogenes, trotziges »Jaaaa …«

      »Ich mache keinen Spaß, Lena.« Danach etwas freundlicher: »Weißt du auch, warum? Weil er lügt.«

      Lena blickte ihn fragend an.

      »Lügenpresse, Lena. Die denken sich ihre eigenen Geschichten aus.«

      »Das ist doch Quatsch, Dennis.«

      »Mach einfach, was ich dir sage, Lena.«

      »Wir sollten einen Arzt holen.«

      »Was?«

      »Die Wunde kann sich entzünden. Vielleicht stirbt er über Nacht.«

      »Der stirbt nicht.«

      »Woher willst du das wissen?«

      »Wir machen erst den Dreh mit dir. Und dann verschwinden wir. Und erst dann, klar, erst dann lassen wir ihn laufen.«

      »Du willst ihn doch gar nicht laufen lassen.«

      Dennis zuckte mit den Schultern. »Klar lass ich ihn laufen.«

      »Der Typ ist ein Schnüffler. Ein Journalist. Hast du selbst gesagt. Der findet alles raus. Egal, was es ist. Auch unsere Nachnamen. Und davor hast du Angst.«

      »Halt die Fresse, Lena.«

      »Wie bitte?«

      »Ja, halt die Fresse. Ich habe keine Angst. Schon gar nicht vor dem. Erzähl also nicht so einen Scheiß. Wieso glaubst du eigentlich, dass er so toll ist? Hast du was über ihn rausgefunden? Warst du etwa im Internet?«

      »Ich war nicht im Internet.«

      »Kein Internet während des Spiels, Lena.«

      »Ich weiß.«

      Die Regel war Quatsch. Aber Dennis wollte es so. Dennis machte hier die Regeln.

      »Ich will das nicht«, plusterte er sich auf. »Guck Fernsehen, wenn du dich langweilst.«

      »Mach ich doch.«

      »Lena, willst du mich ärgern?«

      »Nein.«

      »Dann halte dich an die Regeln.«

      Sein ausgestreckter Zeigefinger drohte ihr. Doch Lena ließ sich dadurch nicht beeindrucken. Als er noch immer wütend zur Tür stapfte, sagte sie leise: »Dennis …«

      »Was?« Er drehte sich um.

      »Ruf einen Arzt.«

      »Fick dich, Lena. Fick dich.«

      Die Tür krachte in den Rahmen.

      Wieder allein machte Lena den Fernseher aus. Lange hörte sie dem Wind zu, der immer mehr den Charakter eines beginnenden Sturms bekam, und dachte: Fick dich selbst, Dennis.

      23

      Dana gehörte zu den neuen Gesichtern in der Redaktion. Sie war zu Christians Leuten gestoßen, als Charlotte bereits in Spanien war. Mit roten Wangen nahm sie den Kaffeebecher an, den ihr Christian entgegenstreckte. Offensichtlich war sie genauso durchpustet worden wie er und Charlotte. Jedenfalls war die Kirchentür hinter ihr so laut zugefallen, dass beide hofften, der Sturm wäre schuld daran.

      Die junge Frau hatte kupferrote Haare, die ihr bis auf die Schultern fielen. Sie trug Lipgloss passend zur Haarfarbe. Auch die Augen waren auffällig stark geschminkt. Eine enge Hose steckte in kniehohen Stiefeln. Darüber trug Dana einen abgesteppten Mantel. Ein Hauch von Parfüm umwehte die Studentin. Der Geruch gefiel Charlotte.

      »Christian, ich habe es ziemlich eilig, das weißt du doch. Ich muss ins Theater!«

      Der junge Chefredakteur stellte die beiden Frauen einander vor. Um das Eis zu brechen, fragte Charlotte, was denn im Theater gespielt würde.

      Irritiert zog Dana kurz die Augenbrauen zusammen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Völlig egal. Ich mache die Garderobe. Von irgendwas muss man ja leben.«

      Die Spitze ging in Christians Richtung. Der verstand den Hinweis und winkte ab.

      »Warum bin ich also hier?«, wollte Dana wissen.

      Von Christian wusste Charlotte, dass Dana so gut wie allein für eine fast 50-prozentige Steigerung der Klickzahlen des Lauffeuers im vergangenen Monat verantwortlich war, weil sie gleich nach ihrem Einstieg in die Redaktion eine neue Rubrik eingeführt hatte.

      Im