Dunkler Paladin. Cole Brannighan

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Название Dunkler Paladin
Автор произведения Cole Brannighan
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948695378



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Kampflärm zwischen Hund und Katze glich.

      Finn zuckte bei jedem Fehlgriff innerlich zusammen und ahnte, dass der Mann ein Möchtegern und kein echter Barde war, die mit ihrer Musik nicht nur die Laune hoben, sondern auch Geschichten erzählten.

      Da Finn weder der Fisch noch die Musik schmeckte, schnappte er sich seinen Mantel und verließ die Messe. An Deck erfasste ihn ein kalter Wind, weshalb er seinen Mantel zuknöpfte und hoch zum Rochenleviathan blickte, dessen ultramarinblaue Haut sich nur durch den Glanz der Feuer an Bord von der Nacht abhob. Durch die Bewegungen seiner Gasblasen wölbte und flachte sich seine Bauchhaut in stetigem Rhythmus auf und ab. An seinem Leib hingen dicke Eisenringe, an denen die langen Ketten befestigt waren, welche die Himmelsbarke mit ihm verbanden.

      »Gut, Höhe halten!«, blaffte der Kapitän, während die Barke eine flache Stelle unweit des Gipfels überflog. Über Umlenkrollen und Flaschenzüge ratterten Ketten und veränderten den Zug am Rochenleviathan. Der Riese ging in den Sinkflug über und beschrieb eine Rechtskurve.

      »Landebrücke vorbereiten!«

      Finn vergrub sein Kinn im Kragen des Mantels. Der Sackling war nicht so hoch wie die Sigisberge bei Rugand und lag unterhalb der Schneegrenze, dennoch zehrte die Kälte des Windes an Leib und Seele.

      Er lehnte sich über die Reling und blickte nach unten auf das Neujahrsfeuer, das bereits auf dem Hügelkamm brannte. Das Beladen der Himmelsbarke hatte so viel Zeit in Anspruch genommen, dass er das Anzünden verpasst hatte.

      Gebäude schälten sich aus der Nacht, vom wenigen Mondlicht beschienen. Finn musterte den Landeturm zwischen den Steinhäusern. Während die Luftbarke über dem Turm schwebte, warf ein Luftmatrose Ankerseile aus. Zwei Arbeiter tänzelten auf dem Dach und fischten mit Langhaken nach den Ösen der Seile, die von der Barke baumelten. Wenige Sekunden später sank die Luftbarke noch tiefer, nun zogen die Arbeiter den Rumpf über Poller an die Turmkante heran und setzten die Landebrücke an.

      Finn verließ den Landeturm, welcher der bauliche Höhepunkt der Siedlung war, in der sich Hütten aus Holz und Stein nebeneinander reihten und die einzige Straße des Orts säumten. Finn blickte auf seine Füße, um in der Dunkelheit nicht auf Kuhfladen oder Ziegenköttel zu treten. Während er so seinen Schritt beobachtete, sprach ihn jemand von der Seite an.

      »Kampfpriester«, wisperte eine Frau vor einem Hoftor, das ihr bis zu den Knien reichte. Ein Zicklein legte den Kopf über den aus Weidenzweigen geflochtenen Zaun und blökte Finn an.

      Die Frau verpasste dem Tier einen Klaps mit einem Hirtenstab und schickte es in den Bretterverschlag zurück. Weiße Haarsträhnen kringelten sich unter dem rosengeblümten Kopftuch über ihrer Stirn. Sie zupfte sich die Schafwolldecke, die sie über den Schultern trug, über der Brust zusammen und sah Finn mit betrübter Miene an.

      Finn kannte diesen Blick. In solchen Momenten rangen Menschen mit dem Schmerz in ihren Herzen. Er hatte keine Zeit für so etwas, aber ihm blieb keine Wahl, denn sein Amt und Großmeister Raukhar verlangten danach, dass er sich neben seinen Verpflichtungen im Kampf auch den sakralen Aufgaben seines Ordens widmete. Er atmete durch, ging auf die Frau zu, blieb vor dem Hoftor stehen und schaute sie an. »Möge der Heilige Euren Weg erleuchten. Ich bin Bruder Finn, was kann ich für Sie tun?«

      »Mein Mann geht seit vier Monden nicht mehr die Schafe hüten.« Ihre Worte klangen hohl, als sei sie ein Tonkrug ohne Inhalt. »Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Ich … Er hat Schmerzen, Bruder Finn. Solche, die man seinem Feind nicht wünscht.« Sie schluckte hörbar.

      »Bringt mich zu ihm, gute Frau.«

      Sie öffnete ihm das Hoftor und führte ihn über zwei Stufen in die Hütte.

      Finn schlug der Geruch des Todes entgegen, noch bevor er den Hirten erspäht hatte. Es roch nach Farnkrauttee, Urin und Blut. Dazu schlängelte sich eine süßliche Note nach Stillem Grünwurz durch die Luft. Das Halluzinogen wurde für Rauschzustände und zur Schmerzstillung verwendet und mochte für eine Hirtenfrau ein Vermögen kosten. Es war keine Seltenheit, dass Familien sich bei der Pflege ihrer Kranken bis an den Ruin verausgabten.

      Finn setzte sich auf einen Schemel ans Bett und sah dem Hirten ins Antlitz. Es war nicht das fahle Mondlicht, das für seine Blässe verantwortlich war. Seine Züge wirkten verkrampft, Falten zogen sich durch sein Gesicht und seine Lippen standen einen Spalt breit offen.

      »Ist er noch bei Bewusstsein?«, wollte Finn wissen und legte ihm die Hand auf die Stirn.

      »Nein, ich kann ihn schon seit einer Woche nicht mehr erreichen.« Ihre Stimme brach bei den letzten Worten. »Bitte Bruder Finn, er kann nicht loslassen.«

      Finn fühlte die Hitze auf der Stirn des Hirten, den kalten Schweiß auf seiner Haut. Als Novize hatte er die Sterbebegleitung den Priestern überlassen, die sich mit Gebeten, Barmherzigkeit und Mildtätigkeit besser auskannten. Sie hätten ihre Gebete gesprochen, Familienangehörige ans Sterbebett gerufen und Trost in der Gegenwart des Todes gespendet. Neben Kerzenlicht hätte es auch Weihrauch und Frischwasser gegeben, mit dem sie das Gesicht des Sterbenden gewaschen hätten. Doch am Ende taten sie nichts anderes, als einen Menschen zu töten. Finn war da anders, er machte sich nichts vor, wollte die Sache hinter sich bringen, diesen Teil seiner Kampfpriesterschaft schnell abhandeln.

      Finn schloss die Augen und sprach die Worte des Lichts: »Möge Euch die Goldmöwe auf ihren Schwingen davontragen.« Kraft strömte durch seinen Arm in seine Hand und floss über die Stirn des Hirten in seinen Körper. Finn nahm den Schmerz wahr, der sich um die Seele des Sterbenden geschnürt hatte. Er sah den Lebensfunken, der im Verschwinden begriffen war, während die Dunkelheit um ihn herum wuchs. Bei jedem dritten Herzschlag verschwamm Finns Sicht, gleich einem Stein, der die Wasseroberfläche mit seinem Einschlag in Wellen versetzte. In Gedanken streckte Finn die Hand aus und ließ das Licht des Heiligen durch sich fließen.

      Finn öffnete die Augen und blickte in ein Gesicht, aus dem Spannung und Schmerz gewichen waren. Sein Lebensodem war erloschen. Hinter Finn begann die Hirtin zu schluchzen.

      »Danke, Bruder Finn, Ihr habt seinem Leid ein Ende bereitet«, stammelte sie.

      Ihr meint, ich habe ihn getötet, dachte Finn. Hilfe wäre gewesen, den Mann heilen zu können, ihn wieder mit dem Leben zu vereinen. Der Tod am Ende einer Klinge besaß mehr Ehrlichkeit, als die Kult gewordene Scheinheiligkeit solcher Rituale.

      Finn erhob sich und machte Platz für die Witwe, die ihre Lippen auf die Stirn ihres Mannes drückte und weinte. Ohne ein weiteres Wort verließ Finn die Hütte und setzte seinen Weg fort.

      Die Straße mündete in einem Pfad, der sich in Serpentinen zum Gipfel hinaufschlängelte. Finn strebte zum Neujahrsfeuer auf dem Gipfel des Sacklings, stemmte sich gegen den Wind und blinzelte sich die Kältetränen weg. Tagsüber stellte der Trampelpfad eine Herausforderung dar, doch nachts war er eine Gefahr für Leib und Leben. Wurzeln griffen nach seinen Stulpenstiefeln, Bergeichen und Schwarzkirschen grapschten mit ihren Zweigen nach seinem Mantel und seinen Haaren. Da er einen Sturz fürchtete, tastete er mit dem Schaft seiner ausgefahrenen Lahras nach dem Boden. Eine Fackel oder sein Heiliges Feuer zu entzünden, wäre ein Sakrileg, in der Nacht des Lichtfests durfte lediglich das Feuer auf dem Gipfel brennen. Es symbolisierte das Licht, das der heilige Durhelian den Menschen im Kampf gegen die Dämonen geschenkt hatte.

      Erste Schatten zuckten zwischen den Baumstämmen und Büschen. Es war nicht mehr weit. Nach einer letzten Kehre in der Serpentine des Pfades stolperte Finn in den Schein des Feuers.

      Was sich ihm darbot, wollte sein Kopf nicht begreifen. »Bei den Verfluchten Sieben«, hauchte er und erstarrte. Keiner seiner Brüder stand um das Feuer, es brannte einsam. Das Kopfsteinpflaster um den Scheiterhaufen glänzte vor Blut. Überall lagen Lahras, Körperteile, Speere und lose Seiten des Ranarian. Hier hatte ein Kampf stattgefunden.

      Ein Massaker.

      Finn erkannte Schädel und Plattenharnische im Feuer. Es waren seine Brüder, die mit ihrem Fleisch und ihren Knochen die Flammen nährten.

      »Du