Dunkler Paladin. Cole Brannighan

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Название Dunkler Paladin
Автор произведения Cole Brannighan
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948695378



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Ihr Blick verschwamm und noch bevor er wieder aufklaren konnte, wurde sie getreten und geschlagen. Sie kauerte auf dem Boden und hielt die Hände vors Gesicht.

      So plötzlich wie es begonnen hatte, ebbte es auch wieder ab. Die Tür schlug in die Angeln, Schlüssel klimperten aneinander und was blieb, war Stille.

      In ihrem Körper herrschte Aufruhr, Schmerzen überzogen Beine, Bauch, Brust und Schädel. Ihre Lunge pfiff. Wenn sie zu tief einatmete, peinigten sie die malträtierten Stellen an den Rippen. Sie riss sich zusammen und taumelte wieder in den Stand.

      »Mehr habt Ihr nicht drauf, Ihr Ziegenliebhaber?« Der Schrei verhallte antwortlos im Folterkerker. Einige der anderen Zellenbewohner hoben kurz die Köpfe, sahen sich um und gaben sich wieder der Resignation hin.

      Talisas Atem rasselte, sie setzte sich trotzdem auf den Boden und versuchte zu erfassen, wie es um ihre Verletzungen stand. Alles tat ihr weh. Ihre Finger tasteten jedes Glied ab, Blutergüsse und Schürfwunden, nichts Bedenkliches. Exzellente Arbeit, das musste sie den Folterknechten lassen. Schmerzen ohne Schaden, verteilt über die Zeit der Gefangenschaft. Ihre Folter hatte also begonnen. Sie zog einen Klumpen Rotz aus den Tiefen ihrer Kehle und spie ihn auf den schwarzen Steinboden. Er barg mehr Rot als Grün.

      Um den Geruch von Hannok zu beschreiben, gab es in ganz Halodins Rund keine Worte, die es auch nur annähernd trafen. Dicke Stücke thronten auf einer Masse, in der sich alle Nuancen von Grau vermählten.

      Talisa schob die Schüssel mit der Ferse von sich weg und zog die Beine an den Bauch. Ihr Hintern schmerzte vom Steinboden.

      »Du musst essen, sagt Vater Klein, sonst wirst du nicht lange durchhalten.« Schmutzbart löffelte sein Hannok gierig auf. Es schien ihm zu schmecken.

      Talisa überlegte, ob der Wahnsinn des Mannes ihm ermöglichte, sich das Essen schmackhaft zu denken. Wenn es so war, dann war dies ein Vorteil, um die Gefangenschaft durchzustehen. Und auch sonst hob Schmutzbart sich von seinen Mitgefangenen ab. Er hatte ein breites Kreuz, das seine Lumpen zu den Seiten hin spannte, außerdem besaß er sehnige Muskeln an Armen und Beinen. Er hatte sich die Ärmel und Hosenbeine abgerissen und damit eine Schlafstatt auf dem Boden hergerichtet, in der sich etwas bewegte. Sie schätzte, dass der Mann in der Vergangenheit ein Krieger oder ein Gardist gewesen sein musste. War es möglich, dass er ein Deserteur war? Seine Haltung und sein Körperbau strahlten Kraft und Größe aus, und obwohl er diese mit der gebückten Haltung verbergen mochte, würde er über zwei Schritte messen, wenn er sich aufrichtete.

      »Hast du in einer Schlacht gekämpft?«, fragte sie ihn, um sich abzulenken.

      »In vielen, Vater Klein hat viele Menschen getötet.« Er steckte seine Finger in die Schüssel, wischte sie aus und saugte an ihnen. Ohne sie abzuwischen, fuhr er sich durch den Bart und stellte die Schüssel, in der noch zwei Krümel am Boden klebten, neben die Schlafstatt seines Nagers. Eine Spitzmaus lugte heraus, schnupperte und machte sich dann über die Schüssel her.

      »Gibt es eine Fluchtmöglichkeit?«

      »Vater Klein sagt, dass selbst er nicht rauskommt. Man kann sich bloß heraus kämpfen, aber dazu braucht man ein Schwert und eine Menge Wahnwitz. Bevor du umfällst, solltest du essen, denn ohne Kraft stirbst du hier drin.«

      Talisa beäugte ihren Hannok. Sie wusste, dass er Recht hatte, deshalb zog sie die Schüssel wieder zu sich heran. Ihre Finger gruben sich in den Eintopf, der unten noch einen Hauch von Restwärme barg. Die Kostprobe erforderte Überwindung – und welch Überraschung, es schmeckte nach Büttenpapier. Sie bezwang ihren Würgereiz und ihren Stolz, kaute Brocken um Brocken und schmiedete Pläne.

      Eine Stunde nach dem Essen, während Talisas Magen überlegte, ob er den Brei behalten wollte oder nicht, klapperten wieder Schlüssel an der Tür. Ein einzelner Mann trat ein, im rostbraunen Gewand eines Reiters, mit Stiefeln und einem gestutzten Spitzbart. Er richtete sich den dunkelroten Umhang und musterte Talisa mit dem linken Auge. Das rechte war milchig, eine Narbe verlief von der Stirn bis hinunter zum Jochbein. Er trug sie offen zur Schau und verdeckte sie nicht unter seinen Haaren, stattdessen hatte er sie hinten zum Pferdeschwanz zusammengebunden.

      Talisa blickte neidisch auf das Rapier an seinem Gürtel, das einen ziselierten Griffkorb besaß, als sei es nur zur Zierde gedacht. Doch noch mehr zog seine Linke ihre Aufmerksamkeit auf sich. Denn da trug er ein Bastardschwert. Es war ihr eigenes. Sie erinnerte sich an die Geschichten jeder Kerbe in der ausbalancierten Klinge des Waffenschmiedemeisters Erensen.

      »Ah, mein Täubchen ist wach. Möchte es zwitschern?« Die joviale Sprache weckte andere Gefangene, die jedoch schnell den Blick wieder abwandten.

      »Lasst mich raten, Ihr seid der Narr, dem ich all das zu verdanken habe«, grunzte Talisa. Ihr Rücken schmerzte.

      »Ihr beschämt mich als Gastgeber. Ich gewähre Euch Obdach, eine warme Mahlzeit, und das ist der Dank? Was man auch tut, es wird verkannt.«

      »Ihr wisst, wer ich bin und was ich mit Euch anstellen werde?«

      »Ihr seid Talisa, Hauptmann der Bezwinger, Heldin der Schlacht bei der Lardischen Enge vor vier Sommern. Ohne Euren Mut hätten uns die Barbaren aus dem Reich der Zwölf Stämme überrannt. Das beeindruckt mich, ehrlich. Ich hingegen bin lediglich der Meister der Diebesgilde, gebeugt von Demut und Bescheidenheit. Firuwahr, zu Euren Diensten, Verehrteste«, bagatellisierte er sich selbst und machte eine Verbeugung, die dem Hof von Tilayndors gerecht wurde. »Entschuldigt die Unannehmlichkeiten, aber Ihr habt etwas, das mir gehört.« Er stand vor der Zelle, vollführte ein paar Schwünge mit dem Bastardschwert und untersuchte dann die Klinge.

      »Wenn Ihr nach Euren Eiern sucht, die habe ich nicht. Möglich, dass sie in einem Säckchen stecken. Tragen Eunuchen das nicht immer bei sich? Ihr könntet mir mein Schwert geben, dann werd ich Euch das Säckchen aufschlitzen helfen. Oder reden wir von einem anderen Gegenstand?«

      »Gut ausbalanciert, das Gewicht stimmt. Ich wette, es liegt gut in der Hand, wenn man über das Schlachtfeld pflügt.« Er ging nicht auf ihre Provokation ein. »Ich suche eine Frau, sie heißt Khalea. Laut meinen Spähern habt Ihr mit ihrem Führer geschlafen, Jar Istram von Echterdingen. Wer schläft mit solch einer Ruine von Mann, wenn es nicht um den eigenen Vorteil geht?«

      Talisa hätte laut aufgelacht, wenn sie der Druck in der Lunge nicht gehindert hätte. Woher sollte sie wissen, wann sie mit wem geschlafen hatte? Ebenso gut hätte er nach der Farbe von Unrat fragen können, wenn man Hühnchen gegessen hatte. Diese Khalea konnte ihr egal sein und sie würde sich nicht der Folter dieses Schweins ergeben … Ließ sich der Spieß vielleicht umdrehen?

      »Ich kenne sie«, warf sie flapsig ein.

      »Schön, schön. Nun müsst Ihr mir bloß noch sagen, wo sie ist, dann können wir über Eure Haftbedingungen sprechen.« Er schnalzte vor Verzückung mit der Zunge.

      »Sie hat Euch ja ganz schön was hinterlassen. Die Schlampe ist gerissen, was?« Es war lediglich ein Stich ins Blaue, doch der Fisch biss an.

      »Hinterlassen ist gut, sie hat mich bestohlen und sollte an Eurer statt hier oben sitzen. Wie sagt man so schön: Traue nie einem Alkoholiker. Jar Istram war eine schlechte Wahl.«

      Das klappte gut. Zwei Dinge konnte sie seinen Worten entnehmen: Khalea besaß etwas, dass er brauchte. Außerdem saß der Folterkerker in einem Turm oder etwas Ähnlichem mit kreisrunder Basis. Nicht ausgeschlossen, dass sie sich noch in Rugand befand.

      »Ich kann Euch zu ihr führen.«

      Firuwahr lächelte, dann funkelte er sie mit seinem gesunden Auge an. »Was Ihr auch immer von mir halten mögt, haltet mich nicht für einen Narren. Ich werde Euch so lange hier gefangen halten, bis Ihr mich anfleht, mir die Füße lecken zu dürfen. Ihr werdet mir die Information geben.« Er wandte sich ab, hielt inne und drehte sich herum, um wieder eine Verbeugung zu vollführen.

      Das Quietschen der Zellentür holte sie aus einem Traum mit Tavernen voll Schwarzbier und knusprigen Hähnchen. Bevor sie sich orientieren konnte, begannen wieder die Schläge und Tritte. Im