Dunkler Paladin. Cole Brannighan

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Название Dunkler Paladin
Автор произведения Cole Brannighan
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948695378



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Wir haben uns durch Jar Istram kennengelernt.«

      Finn überlegte, ob es möglich war, dass unter dem Wischmob im Käfig des Jars diese hübsche Frau gesteckt hatte. Und tatsächlich, die Augen in der Farbe flüssigen Ockers hatte er schon einmal gesehen. Auch ihre Bekleidung kam ihm bekannt vor, der Sohn von Jar Istram hatte sie getragen. Ein beigefarbener Mantel mit Kapuze, darunter eine efeugrüne Leinenhose. »Hast du den Kleinen getötet, um seine Sachen zu klauen?«, wollte er wissen und steckte die Lahras weg.

      »Wozu denn? Ich habe ihn seiner Klamotten beraubt und ihm den Hintern versohlt. Das ist die Mutter aller Demütigungen und meine kleine Rache an ihm.«

      »Was machst du hier im Stall eines unbescholtenen Viehzüchters?«

      »Es ist kalt und ich brauchte einen Unterschlupf.«

      »Woher kommst du? Und wieso gehst du nicht dahin zurück?«

      »Das ist kompliziert. Wirst du mich ausliefern?«

      Finn überlegte einen Augenblick. »Kennst du eine Schwester Meena?«

      »Schwester? Meinst du Wolfsblut Meena, die an der Trümmerküste lebt?«

      »Hmmm, ich denke schon. Wir machen einen Handel. Du bringst mich zu dieser Meena, von welchem Blut sie auch sein mag, und ich werde dich nicht ausliefern.«

      »Ich mache dir ein Gegenangebot. Du hilfst mir bei meiner Suche und ich dir bei deiner … und du lieferst mich nicht aus.« Sie reckte angriffslustig das Kinn nach vorn und stemmte die Hände in die Hüften.

      »Zwei gegen eins, kein guter Handel für mich.« Er ließ sie schmoren und kaute auf der Innenseite seiner Wange. »Gut, die Sache steht.«

      »Bruder Finn, ich habe Krustenbrot und Hammelfleisch, mit den besten Grüßen meiner Frau. Wenn Ihr noch kein Zimmer für die Nacht habt, dürft Ihr gern bei uns im Haus nächtigen.« Er schaute verdutzt Khalea an. »Wer ist die Dame?«

      »Das ist meine Gehilfin«, log Finn. »Sie hat ein Händchen für Pferde. Eure Tiere haben den Segen des Heiligen empfangen. Sie dürften wieder zur Ruhe kommen.«

      »Danke Bruder Finn, habt Dank für Eure Mühen!«

      »Ich denke, wir sollten das Angebot annehmen. Die Kälte in Hirand kriecht mir ins Mark«, sagte Khalea.

      »Übertreibe es nicht«, flüsterte Finn hinter vorgehaltener Hand. »Wir nehmen Euer Angebot an, Viehzüchter Ewan. Ich hoffe, wir fallen Euch nicht zur Last.«

      »Nein, das tut ihr nicht! Kommt, kommt, ihr seid ein Segen für unser Haus«, erwiderte Ewan und führte die beiden aus dem Stall ins Haus nebenan.

      Die Frau des Züchters, eine stämmige Dame mit Schürze und Haube, stand in der Stube neben dem Ofen, auf dem ein Teekessel dampfte. Aus dem verschlossenen Raum nebenan ertönte Hundegebell.

      »Keine Sorge, Odo beißt nicht. Seit unsere Tochter nach der Heirat ausgezogen ist, hat er ihr Zimmer besetzt.« Die Frau des Züchters goss drei Tassen Farnkrauttee ein und legte einen Teller mit Kuchen und ein Messer auf den Tisch. »Bitte, bedient euch. Der Zimtkuchen ist von gestern.« Sie schnitt mehrere Stücke ab und schob den Teller zu Finn und Khalea. »Ich hoffe, es ist einem Priester erlaubt, mit einer Dame im gleichen Zimmer zu schlafen. Unser Haus ist klein und bescheiden.«

      Finn blies den Dampf von der Tasse und nahm einen Schluck. Nach der Kälte im Stall tat ihm die Wärme gut. »Kampfpriester können allem trotzen, da sind Frauen keine Ausnahme«, antwortete er. Sein Blick streifte den Teller und dann den Tisch. Er stutzte. Wo war das Messer abgeblieben?

      Die Gastgeberin nickte eifrig. »Das freut mich. Mein Mann und ich müssen morgens früh aufstehen, daher werden wir uns nun zurückziehen. Wärmt Euch in der Stube auf, wenn Ihr mögt, bedient Euch im Keller am Trockenfleisch. Unser Nachbar musste notschlachten, deswegen haben wir bis zum nächsten Winter Vorräte anlegen können.« Sie holte eine Schachtel Zunderholz aus der Tasche ihrer Schürze und entzündete eine Kerze, die sie dann mit ihrem eigenen Wachs auf einer Bronzeschale auf dem Tisch festklebte.

      Ewan stand auf, verabschiedete sich und ging mit seiner Frau in das Zimmer, in dem wieder der Hund bellte.

      Khalea nippte an ihrem Becher. »Frauen sind keine Ausnahme?«, zischte sie im Flüsterton. »Nur mit meiner Hilfe wirst du Wolfsblut Meena finden. Sei froh, dass ich mich dazu herablasse, dir zu helfen!«

      »Herablassen? Du sprichst mit einem Kampfpriester. Ohne mich hätte dich Jar Istram mit seiner Liebeslanze aufgespießt!«

      »Daraus habe ich mich selbst befreit. Ich komme nämlich sehr gut ohne Beschützer zurecht!«

      »Ja, du klaust Kuchenmesser bei Leuten, die dir ihr Heim und ihre Speisekammer öffnen. Glaube nicht, dass ich nicht gesehen habe, wie du es eingesteckt hast!« Hatte er nicht. Dennoch sollte sie glauben, dass er sie im Blick hatte.

      Sie schoss auf und setzte sich in die andere Ecke des Raums auf den Boden.

      Finn schüttelte den Kopf, breitete seinen Mantel auf dem Boden aus und legte sich vor den Ofen. Sollte Khalea doch sehen, wo sie blieb. Sobald er hatte, was er brauchte, würden sie getrennte Wege gehen.

      Er streckte sich durch und rollte sich zusammen. Der Tag war lang gewesen und der Flug auf Flöckchen hatte ihn ausgezehrt.

      Der Wind schob Unwetterwolken mit dicken Bäuchen über den Vormittagshimmel und drückte Schiffswracks und Wellen an die schroffe Steilküste. Die Holzrümpfe kratzten über den felsigen Grund des Meeres, während zerfetzte Segel an gesplitterten Masten wehten. Fässer und Kisten schwammen im Wasser, schlugen Löcher in die Wandungen und wogten im Rhythmus der Wellen.

      Finn stand an der Felskante und spürte das Knistern in der salzigen Luft, das den heraufziehenden Sturm ankündigte. »Nicht mehr lange, dann bricht hier die Hölle los«, murmelte Finn.

      Flöckchen zog an der Kette und schnaubte nervös.

      Finn wäre es lieber, überall anders zu sein, nur nicht hier, nur nicht jetzt. Er hatte schon zu viele Geschichten über diesen Ort gehört.

      Khalea blickte hinunter und schwieg, wie sie es schon den ganzen Morgen getan hatte.

      »Man sagt, dass es dort unten spukt«, rief Finn gegen den Wind an, »und Geister die Ahnungslosen in den Tod locken. Manche sprechen auch von Sirenen und anderen Unholden der Tiefsee. Bist du sicher, dass du da runter willst?« Nieselregen peitschte ihm ins Gesicht.

      »Natürlich, was denn sonst? Wir müssen den schmalen Pass hinunter. Knapp oberhalb des Meeresspiegels gibt es eine Grotte, die man nur bei Ebbe betreten kann.«

      Finn bezweifelte, dass Flöckchen mit ihren Krallen auf dem nackten Stein Halt finden würde, und zum Fliegen war es zu stürmisch, da es ihr die Flügel zerreißen würde. Er wickelte ihr die Kette an den Halsring und schickte sie mit einem Klaps auf den Schwanz zum Waldrand. Dann folgte er Khalea auf einem Pfad, an dem Wurzelsträucher und Nadelbeeren entlangwuchsen. Graublutdornen und Felsbruchkanten verfingen sich immer wieder in seinem Mantel und zwangen ihn, öfter anzuhalten und sich von dem widerspenstigen Gestrüpp zu befreien. Dennoch blieb er konzentriert und nutzte jede Kuhle und Nische im Boden, die Halt versprach. Das Nieseln war zu einem handfesten Regen übergegangen und wurde in Schüben gegen seine Seite gepeitscht. Je tiefer sie hinabstiegen, desto lauter drang das Dröhnen aneinanderschabender Wracks zu ihnen hoch.

      »Da vorn ist es!«, rief Khalea und entrollte ein dünnes Seil. Sie band es um einen Felsen, warf den Rest über die Kante und schwang sich hinab.

      Finn dachte erst, dass sie auf dem ramponierten Schiff aufsetzen würde, das mit dem Wellengang auf und ab wog. Doch stattdessen landete sie auf einem schmalen, natürlichen Steg. Finn überlegte noch einmal, ob er ihr tatsächlich folgen sollte, doch er hatte sein Wort gegeben, und das war ihm heilig.

      Er umfasste das Seil und kletterte hinunter.

      »Pass doch auf!«, beschwerte sich Khalea,