Название | Seewölfe Paket 20 |
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Автор произведения | Roy Palmer |
Жанр | Языкознание |
Серия | Seewölfe - Piraten der Weltmeere |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954397792 |
„Bei den Indianern kann man nie ganz sicher sein“, sagte Old Donegal. „Manches verraten sie selbst ihren besten Freunden nicht. In der Beziehung sind sie verdammt merkwürdig, wenn sie sonst auch feine Kerle sind.“
Im nächsten Moment wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt, und das Thema Jungbrunnen war damit beendet.
Denn die „Empress“ rauschte jetzt auf die Ostküste der Insel zu. Die Einfahrt zur Ankerbucht zeichnete sich in Sichtweite ab. Über den schroffen Formationen der Korallenbänke erhoben sich jedoch nicht nur die Masten der „San Donato“. Auch der Schwarze Segler lag dort in der Bucht. Thorfin Njal hatte also die Patrouillenfahrt zu einem kurzen Besuch bei den Timucuas genutzt.
Old Donegal dachte nicht daran, auch nur einen Fetzen Tuch wegnehmen zu lassen. Eine fieberhafte Besessenheit packte ihn, die freudige Nachricht so schnell wie möglich zu überbringen. Martin Correa und die beiden Männer von der „Isabella“ hatten nichts einzuwenden. Sie kannten die prächtigen Eigenschaften der „Empress“, und es gab in der Tat kein übermäßiges Risiko.
Auf Anweisung von Old O’Flynn legte Correa die Karavelle auf Kurs Ost-Nord-Ost. Als sie mit sechs Kabellängen Abstand an der Passage zur Bucht vorbeijagten, ertönte von dort bereits Begrüßungsgebrüll. Der alte O’Flynn grinste bis zu den Ohren, denn er malte sich aus, wie es ihnen gleich die Sprache verschlagen würde, wenn sie die Neuigkeit erfuhren. Dann folgte eine Wende nach Backbord. Willig drehte die „Empress“ ihren Bug durch den Wind und rauschte bei halbem Wind mit Direktkurs auf die Einfahrt zu.
Es zeigte sich, daß der schwarze Viermaster nicht nutzlos in der Bucht lag. Der Wikinger beschränkte sich keineswegs darauf, den Timucuas „Guten Tag“ zu sagen. Auch an die Versorgung der Schlangen-Insel dachte er bei dieser Gelegenheit. In der Bucht und am Ufer herrschte reger Betrieb. Timucuas brachten große Körbe mit Früchten und Gemüse aus dem Inneren der Insel und reihten sie am Strand auf. Beiboote dienten für den Pendelverkehr zwischen dem Schwarzen Segler und dem Ufer. Als Gegenleistung erhielten die Bewohner von Coral Island Werkzeuge, Baumaterialien, Stoffe und Gerätschaften, die samt und sonders aus Beutezügen des Bundes der Korsaren stammten.
Die Idee, Coral Island als Versorgungsinsel für die Schlangen-Insel auszubauen, begann sich zu verwirklichen. In der kurzen Zeit ihres Aufenthalts auf dem Korallen-Eiland hatten die Timucuas bereits Beträchtliches geleistet. Plantagen waren angelegt worden, und ihr Arbeitseifer wurde durch eine stattliche Ernte belohnt.
Thorfin Njal, der auf seinem Sesselchen auf dem Achterdeck des Viermasters thronte, hob erstaunt den behelmten Kopf, als der alte O’Flynn wie ein Irrer mit der „Empress“ in die Bucht brauste.
Die Arbeiten wurden indessen nicht unterbrochen. Ein Beiboot der „San Donato“ lag längsseits. An der nach Backbord ausgeschwenkten Besan-Gaffelrute des Schwarzen Seglers war eine Talje angeschlagen, die dazu diente, die Körbe aus dem Beiboot an Bord zu hieven.
Mit killenden Segeln schoß die „Empress“ nahe bei „Eiliger Drache“ an Steuerbord in den Wind. Breitbeinig stand der alte O’Flynn auf dem Achterdeck seiner Kleinkaravelle. Mit beiden Händen formte er einen Trichter vor dem Mund und brüllte seine Nachricht zu dem großen Viermaster hinauf, wo die ersten neugierigen Gesichter an der Verschanzung erschienen.
„He, Thorfin, du verdammter Glückspilz! Du bist Vater geworden! Und das nicht nur einmal, sondern gleich zweimal! Gotlinde hat dir ein Pärchen beschert! Heute mittag war das, seitdem krähen die beiden Kleinen auf der Schlangen-Insel um die Wette!“
Einen Augenblick herrschte auf dem Schwarzen Segler die Stille der Überraschung.
Dann brach das Gebrüll los.
Was sich allerdings dort oben an Backbord abspielte, konnte Old Donegal vom Achterdeck seiner „Empress“ aus nicht sehen.
Thorfin Njal, der Klotz von einem Kerl, fuhr jäh von seinem „Sesselchen“ hoch, als hätte ihn der wilde Affe gebissen. Er warf die Arme hoch, und ein urgewaltiger Schrei entrang sich seinem mächtigen, von Fellen bedeckten Brustkasten.
Wie ein Röhren klang es, überall auf den Decks des Viermasters pflanzte es sich fort und vereinte sich zu einem vielstimmigen „Hurra“ aus den heiseren Stimmen der Crew.
Immer noch röhrte der Wikinger, und für einen Moment schien es, als wolle er sich vor lauter Freude den Helm vom Kopf reißen, um ihn in der Luft zu schwenken. Im Taumel seiner Vatergefühle achtete er nicht auf den schweren Korb, den der Stör an der Talje soeben hochgehievt hatte.
Bedächtig schwenkte der Nordmann mit dem langen Gesicht die Gaffelrute binnenbords. Mit der ihm eigenen Verzögerung begriff er erst jetzt, was sich abspielte. Sein Blick fiel auf den röhrenden Wikinger, und das Gegröl der übrigen Männer hallte in seinen Ohren nach.
„Hurra!“ brüllte der Stör und warf die Arme hoch, wie es Thorfin tat, den er so gern nachahmte.
Daß er dabei die holende Part losließ, bemerkte er erst, als sie wie eine Schlange durch die Talje züngelte. Doch das verhängnisvolle Geschehen war nicht mehr aufzuhalten.
Der schwere Gemüsekorb raste abwärts.
Dem Stör stockte der Atem, und sein Freudengebrüll versiegte schlagartig.
Denn haargenau unter dem fallenden Korb befand sich der Wikinger. Und dem Stör blieb keine Zeit, zu reagieren.
Mit einem dumpfen Laut knallte der Korbboden auf den Kupferhelm und platzte auf. Für einen Sekundenbruchteil waren noch Thorfins erschrockene Augen zu sehen. Dann erstickte sein Freudenröhren in der Gemüseladung, die ihn weich und saftig einschloß.
Vergeblich ruderte er mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Doch der Korb gab seinen Kopf mitsamt Helm nicht frei.
Der Stör wich entsetzt beiseite, als der Wikinger ins Taumeln geriet – ein Berg von Muskeln, gekrönt von einem riesigen Flechtkorb, aus dem leuchten rote Früchte purzelten. Tomaten!
Drei, vier davon zerplatzten auf den Achterdecksplanken.
Die Männer auf der Kuhl und auf der Back stellten ihr Gegröl ein, als sie das Geschehen erfaßten. Für einen Moment waren sie versucht, in Gelächter auszubrechen. Der fellbekleidete Riese, der statt eines Kopfes einen Korb trug, sah in der Tat aus wie ein urkomisches Wesen aus einer noch unentdeckten Welt.
Aber fleischige Tomateröte behinderte sein Sehvermögen und raubte ihm das Gleichgewichtsgefühl.
Bevor einer aus der Crew eingreifen konnte, taumelte Thorfin ausgerechnet auf den Steuerbordniedergang zu. Der Stör, der nahe genug gewesen wäre, um noch zuzupacken, war vor Entsetzen wie gelähmt.
Der Wikinger kriegte Übergewicht. Der schwere Korb zog ihn buchstäblich nach unten. Ein dumpfes Gurgeln drang durch die Tomaten, als er einen letzten Schritt versuchte. Doch der führte nur ins Leere. Sein linker Fuß verfing sich in den obersten Stufen, und dadurch verlor er endgültig den Halt.
Kopfüber – oder besser „korbüber“ – segelte er auf die Planken der Kuhl. Tomaten kullerten nach allen Seiten. Unter den Fußsohlen der herbeieilenden Männer wurden die Früchte zu rotem Brei zermatscht.
Auf der „Empress“, die mittlerweile bereits in einiger Entfernung vor Anker lag, brachen die vier Männer in schallendes Gelächter aus. Old Donegals Lachen klang wie das Meckern eines Ziegenbocks.
Doch Sekunden später, als sich der Wikinger noch immer nicht rührte, wurde es auch auf der kleinen Karavelle still.
Arne