Название | Seewölfe Paket 20 |
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Автор произведения | Roy Palmer |
Жанр | Языкознание |
Серия | Seewölfe - Piraten der Weltmeere |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954397792 |
„Klar“, sagte Eike kleinlaut, „in einer Stunde bist du wieder an Deck.“
Olig war unterdessen zum dritten Mal mit gefüllter Muck zur Stelle. Wieder leerte der Wikinger das Trinkgefäß in einem Zug, und in entsprechender Geschwindigkeit setzte sich die Verabreichung der „Medizin“ fort.
Etwa eine Stunde später, als der mächtige Tonkrug bereits über die Hälfte geleert war, wurde Thorfin Njal von plötzlicher Ungeduld gepackt.
„Donner und Doria“, sagte er dröhnend. „Ich merke die Wirkung schon jetzt. Ihr könnt aufhören, Leute. Die Timucua-Tunke ist so verteufelt gut, daß ich den Rest nicht mehr brauche. Ich geh jetzt raus und löse den Boston-Mann ab.“
Arne und Olig, die sich auf Schemeln neben dem Krug niedergelassen hatten, sprangen erschrocken auf. Neben der Koje spannte Eike die Muskeln an.
„Du rührst dich nicht“, befahl er.
Diesmal erinnerte Thorfins aufwallende Gesichtsfarbe an die Tomaten, mit denen er noch vor wenigen Stunden gekämpft hatte.
„Welche Filzlaus ist dir ins Hirn gekrochen?“ brüllte er. „Dein Schädel muß aus Matschtorf sein. Wie ich mich fühle, das kann nur ich allein beurteilen. Und ich fühle mich so prächtig, daß ich jetzt frische Luft brauche – und mein Sesselchen.“
Arne und Olig holten tief Luft und schoben sich auf ihn zu. Olig hielt eine erneut gefüllte Muck in der Hand.
„So haben wir nicht gewettet“, sagte Arne mit mühsamer Beherrschung. „Bevor der Krug nicht leer ist, spielt sich überhaupt nichts ab.“
Thorfin hatte sich bereits wieder halb aufgerichtet.
„Dieser Medizinaffe hat sich eben geirrt. Seine Suppe ist besser, als er glaubt. Das Teufelszeug würde sogar einen zehn Tage toten Indianer wieder in die Stiefel heben. Beim Odin, ich fühle mich so prächtig, daß ich den Großmast aus dem Kielschwein rupfen könnte.“
„Du spinnst“, sagte Olig im Brustton der Überzeugung. „Und damit du klar siehst: Wenn du nicht parierst, hauen wir dir wieder was unters Kinn. Wir sind nämlich dafür verantwortlich, daß deine Gräten da unten in Ordnung bleiben.“ Er deutete auf den dicken Fußverband des Wikingers.
Thorfin sperrte sekundenlang den Mund auf. Dann klappte er ihn wieder zu, daß die Zähne krachten.
„Das ist Meuterei“, knurrte er erbittert. „Glatte Meuterei. Und so was muß ich mir von meinen besten Männern bieten lassen. Ich gebe euch noch eine Chance, Kerls. Wenn ihr jetzt vernünftig seid, will ich nichts gehört haben.“
Die drei „Krankenpfleger“ waren hart am Rand ihrer Nervenkraft.
„Trink deine Medizin“, sagte Arne mit mühsam erzwungener Beherrschung. „Ich denke, Olig hat es dir richtig verklart. Wir sind zu dritt, Thorfin. Gegen uns kannst du nicht anstinken.“
Der Wikinger starrte ihn an, öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Dann schluckte er trocken. Schweigend nahm er die Muck und gehorchte.
Die drei Männer konnten halbwegs aufatmen. Doch sie wußten auch, daß der Tanz jeden Moment von neuem losgehen konnte. Vorerst jedoch schluckte Thorfin die „Medizin“ folgsam und verbissen.
Nach einer weiteren halben Stunde war der Krug zu drei Vierteln geleert. Die Geräusche an Deck hatten sich geändert. Arne, Eike und Olig registrierten erleichtert, daß der Boston-Mann Vorbereitungen zum Ankeraufgehen treffen ließ.
Doch eine neue Nervenbelastung kündigte sich jetzt an: Noch immer zeigte sich bei Thorfin nicht die geringste Wirkung – abgesehen von der Tatsache, daß er merklich ruhiger geworden war. Leise Zweifel an der richtigen Zusammensetzung der Mixtur keimten in Arne auf.
Wenn Thorfin nach dem letzten Viertel der „Medizin“ noch immer nicht ins Traumland hinübergewandert war, was dann?
Mit wachsender Besorgnis beobachtete Arne den gehorsam schluckenden Wikinger. Schließlich hatte er zehn Flaschen Rum mit den übrigen Zutaten verrührt. Wenn das nicht reichte, verstand er die Welt nicht mehr. Abermals füllte er die Muck, und Olig trug sie hinüber.
Immerhin schaffte es Thorfin jetzt schon nicht mehr auf einen Zug.
„Bald leer?“ fragte er merkwürdig dumpf.
Arne und die anderen runzelten die Stirn. Täuschte es, oder hatten sich seine Lider tatsächlich etwas gesenkt? Und war sein Blick nicht etwas glasig geworden?
„Lange dauert’s nicht mehr“, erwiderte Arne und hoffte dabei auf eine völlig andere Wirkung, als Thorfin sie sich ausmalte.
Und eben jene Wirkung stellte sich schlagartig ein. Jäh wurde die Zunge des bärtigen Riesen schwer.
„D…ann ist es g…gut. Dann g…ehe ich an D…eck und l…öse den B…oston …“ Den Rest brachte er nicht mehr heraus. Ohne einen weiteren Ton von sich zu geben, sackte er zurück und rührte sich nicht mehr.
Die drei Männer wischten sich den Schweiß aus dem Gesicht.
Dröhnende Schnarchtöne erfüllten eine Minute später die Kapitänskammer. Kurz darauf war der Schwarze Segler klar zum Auslaufen. Arne, Eike und Olig hatten das Gefühl, Schwerstarbeit geleistet zu haben.
4.
Auf der Schlangen-Insel waren Fackeln und Lichter gesetzt worden, um den beiden heimkehrenden Schiffen die Passage durch den Felsendom zu erleichtern.
Mühelos schaffte es denn auch Old O’Flynns Steuermann Martin Correa, die „Empress“ in die ebenfalls von Feuerschein erhellte Innenbucht zu jagen. Während Batuti und Bob Grey die Segel wegnahmen, rauschte der Schwarze Segler in den Felsendom. Der Boston-Mann hatte selbst das Ruder übernommen.
Ungewöhnliche Geräusche begleiteten die Männer auf dem Viermaster bei ihrer kurzen Fahrt durch den natürlichen Tunnel. Aus der Kapitänskammer dröhnte und sägte es, daß die Planken von „Eiliger Drache“ erbebten. Hohl und röhrend hallte das Schnarchkonzert des Wikingers von den Felswänden zurück. Grinsend erledigten die Crewmitglieder die gewohnten Handgriffe. Natürlich hatte sich die Geschichte mit der „Medizin“ inzwischen herumgesprochen. Arne und Eike hatten fusselige Lippen, nachdem sie immer wieder aufgefordert worden waren, die Einzelheiten über die „Besänftigung“ Thorfin Njals zum besten zu geben. Für alle Fälle war lediglich Olig als Wache in der Kapitänskammer zurückgeblieben.
Der Schwarze Segler erhielt seinen Liegeplatz neben der „Wappen von Kolberg“. Die Galeone Arne von Manteuffels war hier gewissermaßen in der Versenkung verschwunden. In Havanna hatte der Vetter des Seewolfs als Inhaber eines deutschen Handelshauses verbreitet, daß sich die „Wappen“ auf der Heimreise nach Kolberg befände. Erst nach einer angemessen berechneten Frist durfte die Galeone also wieder in Erscheinung treten.
Am Strand und auch auf den Decks der übrigen Schiffe hatten sich die Freunde vom Bund der Korsaren zur Begrüßung versammelt. Alle wurden Zeugen der Szene, die sich nun abspielte.
Old O’Flynn und seine drei Männer waren als erste ans Ufer gepullt, zogen das Beiboot auf den weichen Sand und reckten die müden Knochen.
Old Donegal klatschte aufmunternd in die Hände.
„Jetzt wird erst mal gefeiert, Männer. Grund genug haben wir ja. Es ist alles im Lot. Mutter und Kinder sind wohlauf, und auch der Vater ist zur Stelle.“
„Der wird sich bei dir bedanken, weil er nicht mitfeiern kann“, wandte Bob Grey ein.
Bevor Old O’Flynn zu einem Gegenargument ansetzen konnte, löste sich eine Gestalt aus der Dunkelheit außerhalb des Lichtscheins.
„Das könnte dir so passen, alter Freund und Bierfaßzapfer!“ tönte Mary O’Flynns Reibeisenstimme. Und schon baute sie sich in ihrer allzu vertrauten Positur auf – die Fäuste in die Hüften gestemmt.