Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden. Max R. Liebhart

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Название Venedig. Geschichte – Kunst – Legenden
Автор произведения Max R. Liebhart
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783960180685



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klar. Erstmals werden sie in einem Gesetz aus dem Jahre 1128 erwähnt, in dem bestimmt wird, dass „die ganze Nacht hindurch Öllampen vor Ikonen am Fuße von Brücken, in engen überdachten Durchgängen und an dunklen Straßenecken brennen sollen“. Vermutlich waren es nicht allein religiöse Überlegungen, die zu einem solchen Gesetz führten, sondern mehr noch Gründe der öffentlichen Sicherheit. Man stelle sich nur die Schwierigkeiten vor, die ein früherer Venedig-Besucher hatte, sich in der damals noch unbeleuchteten Stadt beispielsweise in einer mondlosen Nacht in dem Netz der Gassen zu bewegen. Einige der capitelli wurden wundertätig, andere schützten vor der Pest oder eben einfach vor den Gefahren der Nacht.

      Schließlich soll noch ein Wort über das gesagt werden, was die einzelnen „Bauglieder“ verbindet, überwölbt, durchdringt und Venedig erst zu dem einzigartigen Wunder macht, als das man die Stadt erleben kann. Es ist das Licht der Lagune. Vielleicht kann das folgende Zitat verdeutlichen, was hier gemeint ist:

      „Auch die venezianische Empfänglichkeit für Farbe lässt sich innerhalb der engen Begrenzungen der Kanäle der Stadt und der glitzernden Weite der Lagune erklären. Zwei Ansichten desselben Kanals zu verschiedenen Tageszeiten faszinieren besonders durch die Farbvariationen des vom Wasser reflektierten Lichts. Einmal ist der Himmel klar und sonnig, die Farben juwelengleich und die Reflexionen auf dem Wasser hell und klar. Nur ein paar Stunden später fährt ein Boot durch das Wasser, bewegt es und verleiht ihm eine neue Palette zarter Farbtöne: Grau, Weiß, gedecktes Blau, gesprenkeltes Grün. Das jetzt durch einen Dunstschleier gefilterte, stumpfe Sonnenlicht lässt statt des Wassers die Gebäude hervortreten. Licht wird nicht mehr vom Wasser reflektiert, es wird von ihm absorbiert. Dieses variantenreiche Spiel vermittelt eine erste Ahnung der venezianischen Ästhetik.“ (Fortini Brown)

      Im Spiel dieses Lichtes entfaltet sich die venezianische Farbskala, in der das bräunliche Rot des Backsteins dominiert. Dazu tritt überall das strahlende Weiß der Fassaden aus pietra d’Istria. Das Spiel des Lichtes auf und mit dem Wasser, die Farbsinfonien, die sich in diesem Wasser entfalten, muss man bewusst erleben und verinnerlichen.

      Gondeln

      Eine wichtige Rolle spielen in einer Stadt, die im Wasser liegt, natürlich die Boote. Früher gab es eine Vielzahl verschiedenartiger, natürlich durchwegs aus Holz gefertigter Typen für unterschiedliche Nutzungen. In der Regel bunt bemalt, gaben sie der ohnehin farbenreichen Stadt noch zusätzliche Akzente. In den letzten Jahren hat sich hier mit ganz großer Schnelligkeit eine grundlegende Veränderung ergeben, da die Holzboote mittlerweile beinahe schon vollständig verschwunden sind und durch Boote aus Kunststoff ersetzt wurden, die alle mehr oder weniger gesichtslos aussehen. Die großen Transportboote, mit denen die Stadt versorgt wird, haben den Charme von LKWs.

      Authentisch ist eigentlich nur noch die Gondel. Für den allgemeinen Gebrauch gibt es noch die sogenannten traghetti, bei denen es sich um einen etwas größer ausgeführten Gondeltyp handelt, mit dem man sich an einigen Stellen der Stadt über den Canal Grande setzen lassen kann. Die venezianische Gondel ist so durch und durch und so ausschließlich ein Kind von Stadt und Lagune, dass ihr hier eine ausführlichere Darstellung gewidmet sei. Kaum ein Detail Venedigs ist häufiger beschrieben und besungen worden. Die Eleganz berührt jeden Besucher, wie es auch Thomas Mann empfunden hat und in seiner Erzählung „Tod in Venedig“ beschreibt:

      „Wer hätte nicht einen flüchtigen Schauer, eine geheime Scheu und Beklommenheit zu bekämpfen gehabt, wenn es zum ersten Male oder nach langer Entwöhnung galt, eine venezianische Gondel zu besteigen? Das seltsame Fahrzeug, aus balladesken Zeiten ganz unverändert überkommen und so eigentümlich schwarz, wie sonst unter allen Dingen nur Särge es sind, – es erinnert an lautlose und verbrecherische Abenteuer in plätschernder Nacht, es erinnert noch mehr an den Tod selbst, an Bahre und düsteres Begängnis und letzte, schweigsame Fahrt.“

      Goethe betrachtete dagegen den Canal Grande und die Gondel als Metaphern für das menschliche Leben, als er die Gondel selbst mit der Wiege und die felze, eine kabinenartige Überdachung der Sitze, die es heute nicht mehr gibt, mit dem Sarg verglich, indem er meinte: „Recht so! Zwischen der Wiege und dem Sarg wir schaukeln und schweben auf dem großen Kanal sorglos durchs Leben dahin“ (Goethe, „Venezianische Epigramme“).

      Ganz unverändert ist die Gondel über die Jahrhunderte natürlich nicht geblieben, sondern hat eine stetige Entwicklung genommen. Die heute kennzeichnende völlige Asymmetrie entwickelte sich erst im 19. Jahrhundert. Die damals gefundene Form wird heute weitgehend exakt, auch mittels Schablonen nachgebaut, wobei letztlich keine Gondel der anderen gleicht, da immer kleinere Modifikationen vorgenommen werden. So werden beispielsweise Größe und Gewicht des Gondoliere beim Bau berücksichtigt.

      Die genaue Herkunft des Namens gondola ist unbekannt. Alvise Zorzi stellt fest, es seien die kompliziertesten griechischen und lateinischen Etymologien herangezogen worden. Ein erstes Mal taucht der Name als gundula im Jahre 1094 in einem offiziellen Dokument auf. Man kann aber davon ausgehen, dass der damals so bezeichnete Bootstyp mit der heutigen Gondel nichts zu tun hatte. Das damalige Boot war kürzer und wurde von zwölf Ruderern bewegt. Exakte Rekonstruktionen der Boote, mit denen Menschen befördert wurden, sind erst ab der Mitte des 15. Jahrhunderts möglich. Die wohl einschneidenste Veränderung in der Entwicklung der Gondel bewirkte eine Verordnung vom 8. Oktober 1562, in der bestimmt wurde, dass künftig sämtliche Gondeln vollständig in Schwarz gehalten sein mussten. Diese Verordnung wurde zwar damit begründet, dass Schwarz die Farbe der Fest- und Amtstracht der regierenden Schichten in der Spätrenaissance sei und dass die Gondel dem Erscheinungsbild der nobili angeglichen werden sollte. Der eigentliche Grund war aber, dass der Luxus bei der Ausstattung der Gondeln immer weiter ausgeufert war und deshalb die Gefahr bestanden hatte, dass sich immer mehr Adelige durch diesen Wettbewerb finanziell ruinieren würden, Grund genug für die Regierung, hier gegenzusteuern. In die Jahre 1633 und 1746 datieren weitere Erlasse, nach denen nur Doge und Patriarch scharlachrote Teppiche in ihren Gondeln verwenden durften, während ausländische Gesandte keinerlei Einschränkungen bei der Gestaltung und Ausschmückung ihrer Gondeln unterworfen waren.

      Die Herstellung einer Gondel ist außerordentlich aufwendig und erfordert 600 bis 1.000 Arbeitsstunden. Sie besteht aus etwa 280 Einzelteilen, von denen keiner dem anderen gleicht. Die einzelnen Teile werden nicht nur durch Sägen und Schneiden gewonnen, sondern auch noch unter Dampf oder im Feuer gebogen und geformt. Mehrere Holzsorten kommen zum Einsatz. So verwendet man Eiche für die Planken, Lärche für die Bodenspanten, während der Unterbau aus Tanne gefertigt wird. Die Verdeckteile werden aus Linde geschnitzt, die Bank des Gondoliere besteht aus Kirschbaum. Weiterhin werden Ulme und deren Wurzel, Mahagoni, wasserbeständiges Sperrholz und Zeder verwendet. Alle Teile, die aus diesen Hölzern gefertigt sind, werden schwarz lackiert. Die Farbe besteht aus einer Mischung aus Leinöl und Ruß, wobei die Zusammensetzung des Lacks strenges Geheimnis des squero, des Gondelbauers ist. Für die forcola, die Ruderdolle, die unlackiert bleibt, wird am häufigsten Nussholz, jedoch auch Kirsche verwendet. Das Ruder besteht aus Buchenholz. Beim Zusammenfügen der Einzelteile werden traditionell noch Holznägel verwendet. Eine fertig ausgerüstete Gondel kostete im Jahre 2000 mindestens 30.000 Euro. Inzwischen suchen die Gondelbauer nach neuen, kostengünstigeren Wegen bei der Herstellung.

      Metallteile besitzt die Gondel nur wenige. Am markantesten sind der ferro, der eigenartig geformte Bugteil, sowie die Bekrönung der poppa, des steil nach oben ragenden Hecks. Traditionellerweise wird berichtet, der ferro beinhalte verschiedene Symbole. So bedeute die obere Krümmung des Gebildes die Dogenmütze. Sie übergreift sechs nach vorne gerichtete Zacken, von denen jede für einen der sechs Sestieri stehen soll, während die Zacke, die nach hinten weist, die Giudecca symbolisiere. Der kleine Bogen unterhalb der „Dogenmütze“ soll die Rialtobrücke bedeuten, und ein kleines Loch sei das „Auge der Republik“. Das Gewicht der Gondel beträgt etwa 500 kg, ihre Länge ohne ferro 10,85 m, mit dem ferro 11,03 m, ihre Breite zwischen 1,38 und 1,42 m. Die rechte Seite des Bootes ist kürzer als die linke, wodurch sich die gekrümmte Form ergibt. Die Gondel liegt ganz flach auf dem Wasser auf und besitzt nur ein paar Zentimeter Tiefgang, wodurch sie außerordentlich leicht manövrierbar und wendig wird. Gab es früher bis zu 15.000 Gondeln in der Stadt – selbstverständlich besaß jeder Wohlhabende mindestens ein privates Boot – so sind es heute nur mehr etwa 450 bis 500. Das Führen einer Gondel erfordert erhebliche Übung