Название | ADHS in Schule und Unterricht |
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Автор произведения | Manfred Döpfner |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783170383487 |
• Die Impulskontrolle ist die Fähigkeit zu einer angemessenen Steuerung des eigenen Verhaltens. In kognitiver Hinsicht zeigt sich die Impulsivität von Betroffenen mit einer ADHS darin, dass flüchtig gearbeitet wird, wichtige Details übersehen werden und das Bedürfnis besteht, so schnell wie möglich eine Aufgabenstellung zu Ende zu bringen, ohne diese ausreichend zu kontrollieren. Eine gute Aufgaben- und Handlungsplanung gelingt nicht, der Arbeitsstil wirkt ungeordnet und chaotisch. Arbeiten werden begonnen, unterbrochen, es wird mit einer anderen Tätigkeit fortgefahren und diese wiederum vorzeitig beendet. Der Gedankengang ist ungeordnet: Häufig kann im Gespräch ein stark aufgelockerter Gedankengang beobachtet werden, wodurch von Thema zu Thema gesprungen wird, wichtige und unwichtige Gesichtspunkte werden beim Erzählen nicht beachtet, es fehlt oft der »rote Faden«, was es dem Zuhörer sehr schwer machen kann, zu folgen. Überdies besteht oft ein erhöhter Rededrang, ohne die Reaktion des Interaktionspartners zu realisieren. Im schriftlichen Leistungsbereich kann, z. B. bei Aufsätzen, beobachtet werden, dass themenrelevante Ideen unverbunden und ohne Ordnung nebeneinanderstehen.
• In emotionaler Hinsicht zeigt sich die Impulsivität dadurch, dass eine hohe Frustrationsintoleranz besteht, wenn Aufgabenstellungen nicht schnell erfolgreich erledigt werden können. Zu warten, bis sie an der Reihe sind, fällt den Betroffenen sehr schwer und sie wirken hierdurch egoistisch oder dominant im Kontakt. Sie mischen sich ungefragt in Spiele oder Gespräche anderer ein, unterbrechen diese oder stören sie. Im Unterricht platzen die Betroffenen mit der Antwort heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist, was sowohl bei den unterrichtenden Lehrpersonen als auch den Klassenkameraden oft zu Unmut führt. Es besteht eine erhöhte Stimmungslabilität verbunden mit einer Neigung, rasch wütend zu werden und die Selbstkontrolle zu verlieren. Übergänge in offen aggressives Verhalten sind fließend.
• In verhaltensbezogener Hinsicht zeigt sich Impulsivität darin, dass Bedürfnisse nicht aufgeschoben werden können. Kleinere, rasch erhaltbare Belohnungen werden in der Regel zeitlich weiter entfernt liegenden, größeren Belohnungen vorgezogen. Es wird aus dem Moment heraus gehandelt, ohne an die Konsequenzen der eigenen Handlungen zu denken. Die Impulsivität führt die betroffenen Kinder und Jugendlichen auch häufig in Risikosituationen, weil sie die Konsequenzen des eigenen Handelns nicht übersehen, sei es im Straßenverkehr oder bei sportlichen Aktivitäten, im Entwicklungsverlauf dann auch zu stärkerem Betroffensein von Substanzmissbrauch, Verkehrsdelikten, ungewollten Schwangerschaften und delinquenten Handlungen (
Hyperaktivität
Von den Lehrpersonen wird das Symptom der Hyperaktivität häufig als besonders störend wahrgenommen, da es den Unterrichtsablauf unterbricht oder aber die Klassenkameraden hierdurch beim Arbeiten beeinträchtigt werden. Hyperaktivitätszeichen treten gegenüber den anderen beiden Kernsymptomen besonders stark in den Vordergrund, gleichwohl kommen sie aber nur bei ca. der Hälfte der Kinder mit einer ADHS vor. Zugleich spielen bei der Wahrnehmung dieses Symptoms häufiger unterschiedliche Einschätzungen der jeweiligen Beurteiler eine wichtige Rolle, weil es individuell höchst unterschiedlich als störend oder nicht störend erlebt wird. Außerdem spielen natürlich reifungsbezogene und geschlechtsspezifische Aspekte eine wichtige Rolle, da jüngere Kinder, v. a. Jungen, auch in der Grundschule noch ein deutlich höheres Maß an physiologischer motorischer Unruhe aufweisen. Dem wird im Rahmen der Grundschule nicht immer Rechnung getragen und ein Teil der als hyperaktiv eingeschätzten und dann zur Diagnostik vorgestellten Kinder wird lediglich zu hohen, normierten Ansprüchen an motorische Ruhe in den ersten Grundschulklassen noch nicht gerecht (Ford-Jones, 2015).
Hyperaktivitätssymptome können sich auf unterschiedliche Weise manifestieren:
• Es liegt nicht nur ein hohes Aktivitätsmaß vor, sondern hinzu kommt, dass diese Tätigkeiten planlos und ziellos wirken.
• Am auffallendsten im Schulunterricht ist das unruhige Sitzen oder Aufstehen vom Arbeitsplatz. Aus der klinischen Erfahrung heraus sind sich viele der hyperaktiven Kinder durchaus im Klaren darüber, dass sie unruhig oder nervös sind und sich als solches auch empfinden, zugleich aber noch nicht über ausreichende Steuerungsfähigkeiten verfügen, diese zureichend zu reduzieren. Zugleich kann sich Hyperaktivität aber auch subtiler zeigen, indem beispielsweise ständig ein Bein in Bewegung sein muss oder das Kind etwas in den Händen hält und mit ihm ständig spielt, ohne es zu bemerken.
• Hyperaktive Kinder laufen oder klettern oft in exzessiver Form, und das Maß der Unruhe wird vor allem dadurch deutlich, dass sie in Situationen auftritt, in denen dies als unpassend wahrgenommen wird. Auffallend hierbei ist, dass die Symptomatik erfahrungsgemäß umso stärker zum Vorschein kommt, je geringer die pädagogische Strukturierung und je umfangreicher die soziale Gruppe ist. In der Schule ist die Pause eine typische Problemkonstellation, die die Lehrpersonen als besonders problematisch erleben.
• Eine andere Äußerungsform ist das Sprechen oder Singen während des Arbeitens oder das Produzieren von Geräuschen.
• Spiel- oder Freizeitaktivitäten können nicht ruhig durchgeführt werden, was nicht nur von den Erwachsenen, sondern oft auch von anderen Kindern als störend wahrgenommen wird.
• Die Nervosität, die von den betroffenen Kindern ausgeht, wird häufig mit dem Begriff »auf dem Sprung befindlich« beschrieben.
• Im Verlauf der ADHS nimmt die Hyperaktivität mit dem beginnenden Jugendalter deutlich ab und wird oft ersetzt durch ein Gefühl permanenter innerer Unruhe. Die Jugendlichen beschreiben mehr oder weniger übereinstimmend, dass sie immer etwas tun müssten und nie zur Ruhe kämen.
Im Symptomkontext der Hyperaktivität ist aber auch die umgekehrte Symptomkonstellation zu beschreiben. Im angloamerikanischen Sprachraum wird von »cognitive sluggish tempo« gesprochen, die sich bei einem Teil der Kinder und Jugendlichen mit einer Aufmerksamkeitsstörung findet. Sie zeichnet sich durch eine psychomotorische Unteraktivierung, Tagträume, Schwierigkeiten beim Aufbringen und Aufrechterhalten von Anstrengungsbereitschaft bei Aufgabenstellungen und durch Lethargie aus (Jacobson, Geist & Mahone, 2018).
1.4 Auftretenshäufigkeit
Die ADHS gehört insgesamt mit einer weltweiten epidemiologischen Prävalenz von 5,3 % [5,01–5,56] gemäß der DSM-5-Kriterien zu den häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter (Wittchen et al., 2011). Die strengeren ICD-10-Forschungskriterien führen allerdings zu deutlich niedrigeren Schätzungen von etwa 1–2 % (NICE, 2018; Döpfner et al., 2008; Polanczyk & Rohde, 2007). Eine bundesweite Auswertung von Krankenkassendaten zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ergab zwischen 2009 und 2014 einen Anstieg der Häufigkeit von ADHS-Diagnosen bei 0- bis 17-Jährigen von 5,0 % auf 6,1 % (mit einem Maximum von 13,9 % bei 9-jährigen Jungen) und bei 18- bis 69-Jährigen von 0,2 % auf 0,4 % (Bachmann, Philipsen & Hoffmann, 2017). In einer anderen Studie betrug die Diagnosehäufigkeit 2016 bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland auf der Grundlage der Auswertung der bundesweiten, vertragsärztlichen Abrechnungsdaten 4,3 %. Zwischen 2009 und 2016 war demnach aber kein Anstieg der ADHS-Häufigkeit zu verzeichnen, wohl aber gab es ausgeprägte regionale Unterschiede. Diese lagen im Kreisvergleich zwischen 1,6 % und 9,7 % (Akmatov, Hering, Steffen, Holstiege & Bätzing, 2019).
In einer finnischen Registerstudie wurde eine Kohorte von ADHS-Kindern, die zwischen 1991 und 2004 geboren wurden, mit Kindern der Jahrgänge 2004 bis 2011 verglichen. In den Geburtsjahrgängen 1991 bis 2004 erhielten die jüngsten männlichen Kinder bis zu 26 % häufiger eine ADHS-Diagnose, bei den Mädchen waren es sogar 31 % mehr im Vergleich zu den etwas älteren Kindern. Die Autoren schlussfolgerten,