Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Название Operation Terra 2.0
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783967525366



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      Kalmes wirkte skeptisch, verschränkte die Arme; auf ihrer hohen Stirn bildeten sich ein paar feine Runzeln.

      »Aber wozu, Gabriel? Mir fehlt doch nicht wirklich etwas! Das muss ein vorübergehender Schwächeanfall gewesen sein, nichts weiter. Ich habe in den vergangenen Nächten viel zu wenig geschlafen; hinzu kommt noch quälender Liebeskummer, der mir schwer zu schaffen macht.

      Bestimmt liegen meinem Zusammenbruch psychische Ursachen zugrunde! Du hast doch erst vorhin selbst gesagt, dass der Körper durchaus mit derartigen Stresssymptomen auf die Belastung reagieren kann.«

      Gabriel begann zu schwitzen. Er hatte sich in eine Sackgasse hineinmanövriert. Jetzt kam er nicht mehr umhin, bei ihr geradeheraus Farbe zu bekennen.

      ›Ach, sei’s drum!‹, dachte er sich hoffnungsfroh. ›Dann soll eben wider Erwarten bereits heute der große Tag sein, an dem ich ihr endlich meine Liebe gestehen werde!‹

      Er hätte sich für seinen Antrag zwar ein etwas romantischeres Ambiente gewünscht, doch es half alles nichts: Wenn er sie bald wiedersehen wollte, musste er jetzt sprechen – oder resignieren und aufgeben. Er entschied sich für ersteres.

      Kalmes hörte sich seine umständlichen, ein bisschen linkisch wirkenden Erklärungen und Schwüre geduldig an, hob nur ab und zu fragend eine ihrer Augenbrauen. Als Gabriel näher rückte und sie beherzt in seine Arme schließen wollte, schob sie ihn jedoch selbstbewusst von sich.

      »Du bist mir ein guter und treuer Freund, Gabriel! Oft hätte ich wirklich nicht gewusst, was ich ohne dich hätte tun sollen. Aber meine Liebe als Frau gehört einzig und allein Solaras. Hast du das denn nicht gewusst? Bitte zerstöre unsere wertvolle Freundschaft nicht, indem du mehr von mir forderst. Das fände ich nämlich sehr schade!«

      Eine solchermaßen deutliche Abfuhr hatte Gabriel absolut nicht erwartet; er war davon ausgegangen, dass sie sich vielleicht ein bisschen zieren oder sich Bedenkzeit erbitten würde. Nun stand er verdattert im Schulungsgarten und wusste nicht, was er entgegnen sollte. Am liebsten wäre er im Boden versunken oder tot umgefallen.

      Kalmes bereute ihre allzu direkte Wortwahl, als sie ihn wie ein zerschmettertes Häufchen Elend in der Landschaft stehen sah. Sie erkannte sofort, in welch peinlicher Lage er sich befinden musste. Sie nahm lächelnd seine Hand, zog ihn einfach mit sich fort.

      Widerwillig folgte er ihr über das Netzwerk aus schmalen Verbindungswegen, die an Schulungswiesen voller fröhlicher Kinder und ihren Dozenten vorbeiführten. In seiner schwer verwundeten Seele herrschte tristes Regenwetter, das selbst diese farbenfrohen Wahrnehmungen in eine graue Einheitsbrühe verwandelte.

      Als sie auf dem breiteren Hauptweg angelangt waren, blieb Kalmes stehen, suchte den Blickkontakt. »Ach komm schon, alter Freund! Ich bin dennoch enger mit dir verbunden, als du jetzt in deiner Enttäuschung annehmen magst. Ich freue mich natürlich, dass du dich meiner angenommen hast.

      Was ist, nehmen wir uns zwei von diesen Magnetrollern, damit ich dich zum Ausgang geleiten kann?«

      Gabriel war tief gekränkt, doch änderte das nicht das Geringste an seinen Gefühlen für Kalmes. Man konnte sein eigenes Seelenleben bedauerlicherweise nicht einfach ausschalten, nur weil bestimmte Gefühlsregungen momentan nicht erwidert wurden. So beschloss er spontan, sich die letzten Augenblicke, die er alleine mit seiner Traumfrau verbringen konnte, wenigstens noch zu sichern. Mehr war ihm leider nicht vergönnt.

      »Aber gerne!«, hörte er sich zum eigenen Erstaunen selber sagen. »Ich liebe es, diese sirrenden Dinger zu fahren! Sie sind so schön bequem, flink und wendig!«

      

       Tiberia, KIN-Zeit 13.5.8.7.3, Mittwoch

      

      Kiloon zeigte sich seit einigen UINAL ungewohnt reiselustig. Normalerweise war es freilich üblich, dass Mitglieder der Marsdynastie jeden, den sie sprechen wollten, zu sich befahlen – doch gerade in den Räumlichkeiten des eigenen Regierungssitzes konnte sich der junge Herrscher seit einiger Zeit nicht mehr sicher fühlen. Seine technikbegeisterte Gattin neigte fatalerweise zum Spionieren.

      Das hohe Risiko, dass sie seine Gespräche heimlich mithören und dabei Näheres über die anstehenden Zukunftspläne erfahren könnte, wollte er keinesfalls eingehen. Nicht jetzt, wo es um die Zukunft seines ganzen Volkes ging.

      So kam es, dass Kiloon sich stattdessen mit zwei Leibwächtern in den Magnetzug setzte, um Solaras in dessen Privaträumen aufzusuchen. Der Vorderste der Sektion Archiv, Geschichte und Schrift würde seinem Regenten und dessen Begleitern für dieses Vorhaben extra grüne Gewänder zur Verfügung stellen, denn sein Weißes hätte ihn eindeutig als Mitglied der Regentenfamilie identifiziert und sofort ungewolltes Aufsehen erregt. Dasselbe galt für die dunkelrote Kleidung der Wachmänner.

      Die unterirdische Bahntrasse für Privilegierte war nur über wenige Einund Ausgänge erreichbar; diese lagen allesamt in den jeweiligen Arbeitsräumen sämtlicher Sektionsvorderster Tiberias verborgen. Regent Kiloon vertraute Arden von allen infrage kommenden Würdenträgern noch am ehesten, deshalb hatte er sich spontan für dessen Exit entschieden.

      Das letzte Wegstück bis zu Solaras‘ Wohnhaus würde er allerdings per Magnetfahrzeug zurücklegen müssen; er konnte nur hoffen, dass ihn während dieser Fahrt kein Mensch erkennen würde. Wahrscheinlich hätte niemand aus der tiberianischen Bevölkerung Verständnis dafür aufgebracht, dass ausgerechnet er als Regent die ultrastrenge Kleiderordnung missachtete.

      Wenig später kündigte der geräuschlose Aufzug, welcher den Bahnsteig mit dem Sektionsgebäude verband, durch ein verhaltenes »Pling!« an, dass Kiloon und seine Begleiter am Ziel angelangt waren. Die Wandverkleidung glitt zurück und gab den Weg in Ardens Allerheiligstes frei.

      Als der junge Archivar sich tief vor seinem Regent verbeugen wollte, um ihm devot seinen Respekt zu erweisen, hielt Kiloon ihn sogleich zurück. Er legte ihm energisch eine Hand auf die linke Schulter, schüttelte den Kopf.

      »Ihr wisst doch, dass ich heute inkognito hier bin! Also gebt mir lieber gleich das vereinbarte Kleidungsstück, bevor mich noch jemand zu Gesicht bekommt. Ich ziehe mich schnell um, aber danach können wir uns gerne kurz unterhalten. Wir sind hier doch wirklich unbeobachtet, nicht wahr?«, fragte er sichtlich nervös und sah sich verstohlen um.

      »Selbstverständlich! Meinen Berater habe ich unter einem Vorwand weggeschickt«, bestätigte Arden und hoffte inständig, dass sich Tirim tatsächlich auf den Weg zu Alannas geheimem Bauprojekt gemacht hatte. Er sollte dort zum Schein spazieren gehen, aus sicherer Entfernung Eindrücke sammeln und sich einen Überblick zum aktuellen Stand der Arbeiten im Felsental verschaffen.

      »Es kann und darf nicht sein, dass unserer Sektion sämtliche Informationen über ein Großprojekt dieses Ausmaßes einfach vorenthalten werden!«, hatte er ihm achselzuckend erklärt.

      »Irgendetwas müssen wir doch darüber dokumentieren – und wenn es vorläufig lediglich unsere eigenen Impressionen sein sollten, bis jemand ganz Bestimmtes sich endlich seiner, beziehungsweise ihrer Pflicht entsinnt und mit der Sprache herausrückt!«

      Dennoch, der alte Tirim besaß ein untrügliches Gespür für Schwindeleien aller Art; falls er ihn durchschaut hätte, ließe ihn seine Neugier zunächst in der Nähe dieses Arbeitsraums verharren. Er könnte als Vorwand beispielsweise einen plötzlichen Schwächeanfall vorschützen oder über seine zahlreichen Gebrechen klagen, um anschließend unvermittelt wieder hier aufzukreuzen.

      In seinem sehr fortgeschrittenen Alter konnte Tirim es sich bedauerlicherweise sogar leisten, ab und zu ganz offen Ungehorsam zu zeigen. Im Zweifelsfall würde er sein unbotmäßiges Verhalten geschickt auf irgendwelche kognitiven Beeinträchtigungen schieben und somit ungestraft davonkommen.

      Vermutlich war dies einer der Gründe dafür, weshalb normalerweise im letzten Lebensabschnitt niemand mehr mit wichtigen Aufgaben betraut wurde! Tirim galt eben in vielerlei Hinsicht als Sonderfall.

      Ardens Befürchtungen zum Trotz tauchte der eigenwillige Greis