Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Название Operation Terra 2.0
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783967525366



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ist wegen meiner Familie! Wir haben jetzt sechs kleine Kinder und dazu meine pflegebedürftige Schwiegermutter zu versorgen. Mehr als drei Betten passen nicht in die Wohnung, so dass Swetlana und ich seit einiger Zeit auf der Couch im Wohnzimmer schlafen, während sich die Kinder und meine Schwiegermutter die Betten teilen müssen. Ich gehe zwei sehr anstrengenden Berufen nach und kann Swetlana beim besten Willen nicht im Haushalt und bei der Kindererziehung unterstützen.

      Meine Frau ist nach der Geburt unseres jüngsten Kindes mit ihren Nerven so sehr am Ende, dass sie ihren Pflichten kaum mehr nachkommen kann. Doch verstehen Sie mich bitte nicht falsch; meine Ehefrau ist eine gute Christin und möchte liebend gerne aufopfernd für uns alle sorgen – nur bringt sie momentan kaum die dafür erforderliche Kraft auf.

      Daher rührt meine Frage, oder vielmehr meine Bitte: Gibt es für solche dringenden Fälle wenigstens vorübergehend Hilfestellung von der Kirche? Eine Haushaltshilfe vielleicht – oder, viel besser noch, einen externen Pflegeplatz für meine kranke Schwiegermutter? Eine Psychotherapie für meine Swetlana wäre natürlich auch sinnvoll, doch die kann ich mir finanziell nicht leisten.«

      Laubenheimer lächelte ironisch, räusperte sich. »Die Wege des Herrn sind eben unergründlich!«, deklamierte er mit harter Stimme. Diese reichlich abgedroschene Phrase benutzte er oft und gerne, in seinen Predigten manchmal sogar mehrfach hintereinander. Philipp bemerkte es mit aufkommender Verstimmung.

      »Gott will euch prüfen und herausfinden, ob seine Diener bereit und in der Lage sind, in puncto Selbstaufopferung in die überdimensional großen Fußstapfen von Jesus Christus zu treten. Er ist für uns Menschen am Kreuz gestorben! Und da sollte ausgerechnet die Kirche eingreifen und seine göttlichen Pläne dir zuliebe durchkreuzen?

      Nein, mein Lieber! Es ist im Übrigen dein eigenes Problem, wenn du deine Lendengegend so überaus schlecht unter Kontrolle hattest, dass du mehr Kinder in diese Welt gesetzt hast, als ihr betreuen könnt! Wie dem auch sei, da müsst ihr selber durch. Wenn du mich jetzt also entschuldigen würdest?«

      Als sich Pfarrer Laubenheimer ohne weiteren Kommentar abgewendet hatte und mit wehendem Talar davongeeilt war, blieb der vollkommen am Boden zerstörte Philipp mitten auf der Straße stehen. Seine Hände ballten sich unwillkürlich zu harten Fäusten.

      In seiner Brust kämpfte lähmende Verzweiflung gegen jäh aufsteigende Wut um die Vorherrschaft, denn er konnte beim besten Willen nicht verstehen, wie ausgerechnet ein Gottesmann sich so rücksichtslos verhalten konnte. Hätte der Pfarrer nicht verständnisvoller und vor allem hilfsbereiter reagieren müssen?

      Und wo mochte der ehrenwerte Herr Laubenheimer jetzt, nach Verrichtung seines heiligen Tageswerkes, eigentlich so dringend hinmüssen? Die Sonne stand schon tief, bald würde sie hinter dem Horizont versinken. Hatte er ihn nur abwimmeln wollen und deswegen große Eile vorgeschützt? In diesem Fall hätte er ihn jedoch angelogen, hätte der Botschaft seiner eigenen Predigten zuwidergehandelt … !

      Philipp verspürte indessen keinerlei Bedürfnis, gleich in die bedrückende Enge seiner Behausung zurückzugehen. Er fühlte sich ohnehin nicht in der richtigen Verfassung, um Swetlanas Leid noch zusätzlich auf seine verspannten Schultern zu packen.

      Nach einigen Sekunden des ängstlichen Zauderns entschied er sich kurzentschlossen, dem Pfarrer heimlich zu folgen. Er musste einfach Gewissheit darüber erlangen, ob es sich bei diesem Gottesdiener um einen aufrichtigen Mann handelte, der ausschließlich das Wohl der Gemeindemitglieder seines Sprengels im Schilde führte. Schließlich hatten Philipp schon früher gelegentlich Zweifel an dessen uneingeschränkter Integrität beschlichen.

      ›Auch wenn allmählich die Dunkelheit hereinbricht – in der Nähe eines Pfarrers müsste ich doch vor tödlichen Angriffen des Teufels geschützt sein! Es wäre inzwischen wahrscheinlich sowieso zu spät, um noch umkehren und bei Tageslicht in mein Wohnhaus zurückkehren zu können‹, überlegte sich Philipp voller Zuversicht, während er im gebotenen Abstand hinter Laubenheimer her hetzte.

      Die breiten Straßen Berlins lagen bereits verwaist im Zwielicht der Dämmerung, denn die Menschen achteten schon aus Sicherheitsgründen peinlich genau darauf, nach dem Abendgottesdienst jeweils auf schnellstem Wege zurück nach Hause zu kommen.

      Die verlassene Stadt strahlte etwas Unheimliches aus, als wäre jedes Lebewesen zwischen ihren Mauern fehl am Platze. Dieser beängstigende Eindruck der Stille verstärkte sich noch ins Uferlose, als wie jeden Abend eine halbe Stunde nach der Messe der Strom für Privathaushalte abgeschaltet wurde und somit auch keines der Fenster mehr beleuchtet war. Nicht einmal der Mond ließ sich am Himmel blicken, er war von dichten Wolkenbänken verhüllt; der unverkennbare Geruch von herannahendem Regen lag in der Luft.

      Laubenheimer schien auf diesen Moment nur gewartet zu haben; er faltete soeben irgendetwas Schwarzes, das er unter dem rechten Arm getragen hatte, im Laufen auseinander.

      Mit angehaltenem Atem schloss Philipp ein wenig näher zu ihm auf und sah, wie der Mann sich eine pechschwarze Kutte überstreifte und seinen Kopf besonders sorgfältig unter der Kapuze verbarg.

      Dieser Anblick kam ihm irgendwie bekannt vor. Hatte sich Swetlana nicht erst neulich bei einem zufälligen Blick aus dem Fenster fürchterlich erschreckt, weil sie eine ähnliche Gestalt für den leibhaftigen Teufel hielt, der mutmaßlich auf nächtlichen Seelenfang gegangen war?

      Irgendetwas sagte ihm, dass Laubenheimers dunkle Ganzkörper-Verhüllung wohl kaum ausschließlich dem Schutz vor Nässe geschuldet war.

      Wenige Augenblicke später erreichten die beiden Männer den zentralen Stadtpark, wo sich der Pfarrer am Eingang leise mit jemandem zu unterhalten schien, der sich in den Schatten zwischen den Bäumen verbarg. Sein Verfolger stand derweil keuchend in einem Hauseingang und harrte der unheimlichen Ereignisse, die da auf ihn zukommen mochten.

      ›Genau, ich erinnere mich wieder!‹ dachte Philipp Emmerson grimmig. ›Dort drinnen ist die finstere Gestalt, die meine Frau gesehen hat, damals ebenfalls verschwunden! Nur muss es halt nicht dieser, sondern eher der Eingang auf der Westseite des Parks gewesen sein, weil unsere Wohnung ja in jener Richtung liegt. Hier geht einiges nicht mit rechten Dingen zu, so viel ist sicher!‹

      Der Pfarrer lachte kehlig auf, verschwand mit einem Winken im Park. Inzwischen setzte leichter Nieselregen ein, der Philipp in seinem zugigen Versteck frösteln ließ. Was für eine unangenehm feuchte und dunkle Nacht! Als er eben angestrengt überlegte, ob er das große Wagnis eingehen und Laubenheimer abseits des Weges nachfolgen sollte, erstarrte er vor Schreck.

      Der dubiose Herr Pfarrer war offenkundig nicht der Einzige, der das weitläufige Parkgelände zum Ziel seiner Nachtwanderung auserkoren hatte! Aus allen vier Himmelsrichtungen strömten jetzt obskure Kapuzenmänner heran, die sich lachend und scherzend mit dem Wachposten am Eingang zum Stadtpark unterhielten. Denn dass es sich bei dem Unbekannten um einen Bewacher von irgendetwas handeln musste, war Philipp längst klargeworden.

      Voller gespannter Neugier schob sich Philipp näher an den Ort des Geschehens heran. Falls es ihm gelänge, die zweifellos sehr aufschlussreichen Gespräche mitzuhören … er hatte eine schnelle Entscheidung zu treffen!

      Sollte er sich unbemerkt durchs dichte Gebüsch in den Park schleichen und herausfinden, welche Art von mysteriösem Geheimtreffen dort vonstattenging? Aber was würde er dann am Ende überhaupt mit den illegal erworbenen Informationen anstellen können?

      »Ergreift diesen Mann! Wir haben es mal wieder mit einem Spion zu tun! Ich glaube, dem unglückseligen Teufelsbraten hier wird nachher die zweifelhafte Ehre zuteil, unsere brandaktuelle Liste anführen zu dürfen!«, brüllte ein wie aus dem Nichts aufgetauchter Kuttenträger spöttisch und krallte sich fest in seinen Oberarm.

      Philipp hatte seinen vermummten Häscher nicht kommen sehen. Nun nahte eine ganze Schar dieser schwarzen Krähen, um ihn unter Anwendung von brutaler Gewalt abzuführen. Widerstand war zwecklos, man schleifte ihn tief ins Herz des finsteren Stadtparks hinein.

      Würde er die heutige Nacht lebend überstehen?

      *

      Fasziniert beobachtete Yannas, wie überaus