Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Название Operation Terra 2.0
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783967525366



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Heulst du etwa schon wieder? Reiß dich gefälligst zusammen! Glaubst du etwa, mir hätte damals jemand mit den Kindern geholfen? Im Gegenteil, dein Vater hat mich grün und blau geschlagen, sobald er zwischendurch sturzbesoffen nach Hause gefunden hat. Das war kein gottesfürchtiger Mann, und deswegen hat ihn auch schon frühzeitig der Teufel geholt!

      Du hast es mit Philipp viel besser getroffen, bist aber trotzdem dauernd bloß am Lamentieren. Vergiss dein Selbstmitleid und kümmere dich jetzt zur Abwechslung mal um mich, denn ich benötige dringend die Bettpfanne!«, jammerte ihre nach einem Schlaganfall bettlägerige Mutter mit vorwurfsvollem Unterton in der Stimme.

      »Ja, Mamuschka! Ist schon gut, ich komme, hab bitte nur noch einen kurzen Augenblick Geduld. Dann bringe ich dir auch gleich etwas Leckeres zu Essen mit!«, seufzte Swetlana ergeben und trocknete sich die Tränen mit einem Zipfel der Babydecke ab.

      Während sich die völlig überforderte Mutter langsam aufrappelte, um ihren heiligen Tochterpflichten nachzukommen, nörgelte die Alte derweil stetig vor sich hin. Scheinbar hatte sie an ihrer Ankündigung etwas auszusetzen und echauffierte sich wortreich auf Russisch darüber, wie man als junge, unter vielen Entbehrungen erzogene Frau nur so geschmacklos sein konnte, Bettpfanne und Lebensmittel in ein und demselben Anlauf zu seiner alten, hilflosen Mutter bringen zu wollen.

      Swetlana versuchte verzweifelt, nicht hinzuhören. Sie klapperte in der Küche absichtlich laut mit Töpfen und Tellern, um mit dieser Geräuschkulisse das vor Spott triefende Gemecker ein wenig zu übertönen. Anschließend blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als mit einem beladenen Tablett und der unter einen Arm geklemmten Bettpfanne ins Schlafzimmer zu gehen, um ihre übellaunige Mutter zu versorgen.

      Die junge Frau versuchte das Tablett auf einem Nachttischchen abzustellen, ohne dass die dampfend heiße Gemüsesuppe dabei überschwappte. Leider rutschte trotz aller Bemühungen die metallene Bettpfanne unter ihrer Achsel hervor und fiel scheppernd zu Boden.

      »Kannst du denn nicht ein bisschen besser aufpassen? Du hast mich fast zu Tode erschreckt! Ich hatte dir doch gleich gesagt, du sollst die Sachen lieber einzeln herüberbringen.

      Na ja, was erwarte ich denn … du warst schon als Kind ein ungeschickter Trampel, der nie auf mich hören wollte! Was du mir damals an Kummer und Sorgen eingebracht hast, mag ich gar nicht beschreiben. Du hast mich Jahre meines Lebens gekostet«, schimpfte die alte Olga kopfschüttelnd.

      Swetlana beschloss gekränkt, auf die erlogenen Beleidigungen einer unzurechnungsfähigen Alten nichts zu geben. Sie schluckte ihren Ärger hinunter und reagierte nicht, sondern bückte sich mit einiger Mühe, um die Bettpfanne aufzuheben. Dabei stieß sie aufgrund der Enge in diesem mit drei Betten heillos überbelegten Raum versehentlich mit ihrem Gesäß ans Tablett, wodurch ein kleiner Teil der Suppe nun doch noch aus dem Teller befördert wurde.

      Als ihre Mutter das Missgeschick sofort zum Anlass nahm, Swetlana mit harschen Worten zu maßregeln, war es um deren Selbstbeherrschung geschehen. Sie schrie sich den gesamten Frust, den sie über die letzten Wochen und Monate aufgestaut hatte, aus der Seele. Dann knallte sie die Bettpfanne auf den Nachttisch und verließ das Zimmer, ohne ihrer Mutter bei der Benutzung zu helfen.

      Beim nach Hause kommen fand Philipp die beiden Frau in aufgelöstem Zustand vor. Die eine saß mit wirrem Haar auf der Couch und weinte hemmungslos, wobei sie ihren Kopf zwischen den angezogenen Knien barg.

      Die Ältere heulte in einer anklagenden Monotonie, weil sie ihre Notdurft inzwischen ins Bett verrichten hatte müssen; die langgezogenen Töne klangen fast, als würde jemand eine Blockflöte unsachgemäß benutzen.

      »Was ist denn hier los?«, fragte Philipp fassungslos, welcher sich zunächst weder den desolaten Gemütszustand der beiden Frauen noch den in der Wohnung allgegenwärtigen Gestank logisch erklären konnte. Nun weinte zu allem Überfluss auch noch das Kind im Pappkarton, weswegen es der besorgte Vater herausnahm, um es wieder in den Schlaf zu wiegen.

      »Nun? Ich hatte dich etwas gefragt!«

      Swetlana sah widerwillig auf, richtete die rot geränderten Augen auf ihren Ehemann. »Ich kann sie nicht mehr ertragen! Ihre Anwesenheit macht mich krank. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um sie schnellstmöglich loszuwerden.

      Soll sich doch die Kirche um diese undankbare Vettel dort drüben kümmern! Wir haben eigentlich sowieso keinen Platz mehr im Schlafzimmer, seit das Baby auf der Welt ist! Oder wo soll ich deiner Meinung nach Annas Bettchen aufstellen?«, brach es aus Swetlana hervor.

      Was war nur mit seiner geliebten Ehefrau los, litt sie etwa noch immer an Kindsbettdepressionen? Diese vorübergehende Weinerlichkeit war doch sonst immer nach ein paar Tagen ausgestanden gewesen … und derart unkontrollierte Aggressivität hatte er bei ihr bislang nie wahrgenommen!

      »Versündige dich nicht!«, mahnte Philipp besorgt. »Olga ist trotz ihrer unbequemen Wesensart, welche vermutlich bloß aus ihrer schweren Krankheit resultiert, immer noch deine Mutter. Diese Frau hat dir einst das Leben geschenkt, du bist ihr deshalb lebenslänglich zur christlich inspirierten Fürsorge verpflichtet. Vielleicht will Gott durch ihr Verhalten nur deine Standfestigkeit und Opferbereitschaft prüfen!«

      Er verdrängte seine eigene Müdigkeit und machte sich daran, das mit Urin und Kot besudelte Bett seiner Schwiegermutter frisch zu beziehen. Dabei musste auch er ohne Unterlass bittere Vorwürfe über sich ergehen lassen, die er jedoch aus gutem Grund nicht kommentierte.

      Kaum war er mit seiner ekelerregenden Arbeit fertig, war es auch schon an der Zeit, zum abendlichen Gottesdienst aufzubrechen. Der gestresste Familienvater nahm sich vor, während der Predigt dieses Mal intensiv darüber nachzudenken, wie es mit ihm und seinem Anhang weitergehen sollte.

      Vielleicht wusste Pfarrer Laubenheimer Rat – er würde ihn nach der Messe einfach abpassen und hartnäckig versuchen, ihm ein Gespräch unter vier Augen abzunötigen.

      *

      Pfarrer Laubenheimer wirkte äußerst ungehalten, als Philipp Emmerson sich direkt vor seiner Nase aufbaute, um ihm den Rückweg zum Pfarrhaus abzuschneiden. Er war an diesem Freitagabend in großer Eile und musste sich sputen, um nicht verspätet am Treffpunkt zu erscheinen.

      Die Verlesung der täglichen Todesliste hatte wieder einmal nahezu eine halbe Stunde in Anspruch genommen; der sogenannte Gottesdiener fragte sich, welchen Sinn diese zeitraubende Aktion überhaupt noch machte; die Leute waren zwischenzeitlich so sehr abgestumpft, dass man ihnen mit einer Mär über den während der Nächte umgehenden Teufel kaum mehr Angst einjagen konnte.

      Die Mutigeren ließen es leichtsinnigerweise darauf ankommen, dass sie während nächtlicher Außenaktivitäten möglicherweise zum Opfer werden könnten. Selbstmord war den gläubigen Christen strengstens verboten, daher begab sich manch einer der Lebensmüden sogar absichtlich in Gefahr. Die Hinterbliebenen der von »Satan« Ermordeten brauchten hinterher wenigstens nicht mit kirchlicher Ächtung oder Repressalien zu rechnen, denn der Tote war ja de facto durch Einwirkung eines Dritten verstorben.

      Die restlichen Gemeindemitglieder saßen desinteressiert in den Kirchenbänken und ließen sich mit den makabren Nachrichten bloß noch teilnahmslos berieseln. Nur hin und wieder horchte jemand auf, weil er einen der verlesenen Namen zu kennen glaubte.

      Laubenheimer beschloss frustriert, diese unguten Entwicklungen nachher auf der Versammlung unbedingt ansprechen zu müssen. Vielleicht hatten er und seine Brüder im Geiste die Schraube des Schreckens bereits überdreht. Die anfangs recht erfolgreiche Maßnahme zur Kontrolle der Bürger schien jedenfalls nicht mehr im erforderlichen Ausmaß zu greifen.

      Doch zuallererst musste er diesen nervigen Emmerson loswerden; und das funktionierte höchstens, indem er ihm kurz sein Ohr lieh.

      »So sprich eben, was hast du auf dem Herzen? Wie kann der gute Hirte einem Schäflein aus seiner Herde weiterhelfen? Aber fasse dich kurz, auch andere Menschen bedürfen heute noch meiner Fürsorge!«, sagte er halbherzig und wippte ungeduldig mit dem linken Fuß, während sein unsteter Blick in die Ferne glitt. Verdammt – er würde zu spät kommen!

      »Zunächst vielen Dank, dass Sie sich meines