Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Название Operation Terra 2.0
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783967525366



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roter Balken an, dass dieses Magnetmobil derzeit aufgrund eines Defekts nicht einsatzfähig war.

      Wer auf Tiberia ein Fahrzeug benutzen wollte, musste sich stets mit dem Abdruck seines rechten Daumens identifizieren, bevor er überhaupt den Startknopf betätigen konnte. So stand der jeweils letzte Fahrer fest, falls es während der Fahrt zu einem Unfall kam.

      Das System würde Gabriels Vorderstem nun also die standardisierte Meldung zusenden, dass sein Untergebener heute einen ärgerlichen Schadensfall zu Lasten der Gemeinschaft verursacht hätte. Was jenen unachtsamen Fahrer allerdings kaum bekümmerte, denn mehr als einen Rüffel konnte er sich hierbei nicht einhandeln.

      Spätestens am Abend würde das Fahrzeug sowieso von Kollegen der Sektion Transport und Verkehr abgeholt und über Nacht repariert werden, damit es der Allgemeinheit schon am Morgen wieder zur Verfügung stand. Ein schlechtes Gewissen konnte man sich also getrost ersparen, denn die Mechaniker brauchten schließlich auch eine sinnvolle Beschäftigung.

      Gabriels letzter Besuch in diesem Sektionsbereich lag bereits zwei oder drei TUN zurück, und dazwischen lag zumindest für ihn ja auch noch der lange Terra-Aufenthalt, welcher mehr als 30 terrestrische Jahre gedauert hatte. Dennoch, die zwischenzeitlichen Veränderungen waren unübersehbar.

      Das bootsförmige Hauptgebäude der Sektionsverwaltung erhob sich nahezu unverändert aus dem Morgennebel. Doch anstelle der flachen Seitenarme zur Linken und Rechten, wo sich früher Schlafsäle, Speiseräume, Spielzimmer und Sporthallen befunden hatten, ragten nun mehrstöckige Gebäude in Pyramidenform in die Höhe. Die semitransparenten Fassaden dieses Prachtbaus waren vollständig mit matten Plantolaanplatten verkleidet, wobei die warme Farbpalette von Zartgelb an der Basis bis hin zu dunklem Braunorange an der Spitze der Gebäude reichte.

      Gabriel stutzte, blieb für einen Moment ratlos stehen. Wo befanden sich hier eigentlich die Schulungsräume? Er würde jemanden danach fragen müssen, denn dort wartete seine Patientin auf ärztliche Behandlung.

      »Wo willst du denn hin? Kann ich weiterhelfen?«, riss ihn ein halbwüchsiges blondes Mädchen aus seinen Grübeleien.

      Natürlich, die kühle gelbgrüne Farbe seines Gewandes wies ihn als sektionsfremden Besucher aus! Er fiel zwischen all diesen ausschließlich in Gelb oder Orange gekleideten Menschen jedermann auf Anhieb als unpassender Farbtupfer auf, was durchaus so beabsichtigt war. Auf diese Weise gelang es Unbefugten aus anderen Sektionen nicht so ohne weiteres, sich einfach unter die Bevölkerung zu mischen.

      »Kannst du mich bitte gleich zum Schulungstrakt bringen? Ich wurde zu einem medizinischen Notfall gerufen und kenne mich hier kaum aus! Ohne dein Auftauchen wäre ich in dieser leuchtenden Pyramidenansammlung glatt verlorengegangen«, erklärte Gabriel lächelnd und tippte vielsagend auf seinen Kommunikator.

      »Gerne! Aber zuerst musst du dich ordnungsgemäß bei der Verwaltung anmelden, damit sie dort deine Kennung überprüfen können. Oder eilt dein Einsatz sehr? Dann könnte ich diese Pflicht gerne an deiner Stelle übernehmen!« Die Kleine setzte sich in Bewegung und bedeutete ihm, ihr zu folgen.

      »Nein danke, ich erledige das lieber selbst. So viel Zeit muss schon sein!«, lachte Gabriel augenzwinkernd und bekam einige Mühe, mit ihren flinken Beinen Schritt zu halten.

      In Wirklichkeit verspürte er natürlich keine gesteigerte Lust, sich vorab mit lästigem Verwaltungskram zu befassen. Doch je länger er sich auf diesem Gelände aufhalten könnte, desto größer wären zwangsläufig seine Chancen, zufällig auf »seine« Kalmes zu treffen. Er kannte deren Tagesablauf als Dozentin nicht und besaß somit keinerlei Anhaltspunkte, wo er gezielt hätte suchen sollen.

      Gabriel erledigte hektisch seine Formalitäten und erhielt zu seinem Erstaunen einen wendigen gelben Magnetroller ausgehändigt; anschließend geleitete ihn ein freundlicher Hilfsdozent, der sich in seinen mittleren Lebensjahren befinden mochte, quer durch das Gebäude und hinaus ins Freie.

      Wieder fiel es dem Mediziner schwer, einem Angehörigen dieser Sektion in angemessener Geschwindigkeit hinterherzukommen, denn er stellte sich mangels Fahrpraxis mit Zweirädern ein bisschen ungeschickt an. Er wagte es nicht, sich schräg in die Kurven hineinzulegen, sondern eierte steif und reichlich ungeschickt um alle Ecken. Als sein Führer sein eigenes Gefährt endlich abbremste und stehenblieb, atmete er erleichtert auf. Die Quälerei hatte ein Ende.

      »Jetzt verstehst du sicher, weshalb wir Älteren diese Dinger benutzen, anstatt zu Fuß zu gehen, nicht wahr? Es würde auf diesem weitläufigen Gelände sonst einfach viel zu lange dauern, von A nach B zu gelangen! Für die Kinder ist das hingegen vollkommen egal, weil die sich noch über jede Gelegenheit zur Bewegung freuen!«, schmunzelte Dozent Yannas und zwirbelte das Ende seines perfekt gestutzten Spitzbartes.

      »Das habe ich vorhin schon ganz von selbst bemerkt!«, bestätigte Gabriel und sah sich verwundert um. »Wo befinden wir uns hier? Ist das ein Erholungspark für Pausen oder so etwas Ähnliches? Ich dachte eigentlich, du bringst mich jetzt schnurstracks zu meiner Patientin!«

      »Exakt, richtig vermutet. Wir sind nämlich gleich da. Was du hier in deiner unmittelbaren Umgebung bewunderst, ist bereits der Schulungsraum! Siehst du? Weil die umgebenden Gebäude allesamt in gelblichen Farben gehalten sind, wirkt es bei jedwedem Wetter, als würde hier drin das Zentralgestirn ungetrübt leuchten«, grinste Yannas verschmitzt.

      Mit externen Besuchern war es immer das Gleiche – keiner bemerkte auf Anhieb die riesige Plantolaan-Kuppel, die den monströsen, zwischen Pyramidenbauten gelegenen »Außenbereich« unauffällig zum vollklimatisierten Innenraum machte. Yannas beobachtete amüsiert, wie sein hagerer Begleiter geradewegs nach oben starrte und offensichtlich kaum fassen konnte, was er da sah.

      »Dies ist dank unserer besten Ingenieure eine freitragende Konstruktion, die federleicht wirkt und entgegen der Optik äußerst stabil ist!«, erklärte der Dozent sachlich, als hätte er eine Schar von wissbegierigen Novizen vor sich.

      »Und obgleich es hier aussieht, als befände man sich draußen in wilder Natur, ist unter oder stellenweise auch hinter

      der Vegetation eine vollständige Ausstattung für Schulungsräume versteckt. Es ist die perfekt gelungene Simulation einer ungezwungenen Atmosphäre, die unserem Nachwuchs das Lernen etwas versüßen sollte, möchte ich meinen! Deine Patientin liegt übrigens im dritten Schulungsgarten hier drüben, wo die ganz Jungen unterrichtet werden.«

      Yannas bog um eine tadellos getrimmte Hecke und wies auf etwas leuchtend Gelbes, das verkrümmt auf einer wattierten Decke im Gras lag. Gabriel konnte zunächst nichts Genaueres erkennen, denn die zirka fünfzehn Schüler der bedauernswerten Dozentin standen gestikulierend und schwatzend rings um ihren reglos hingestreckten Körper herum. Ein Mädchen kniete in Kopfhöhe, schien beruhigend auf die Bewusstlose einzureden. Erst als die Kinder den Arzt als solchen erkannten, gewährten sie bereitwillig Platz zum Durchgehen.

      »Darf ich um ein wenig Ruhe bitten? Ich möchte eure Do-

      zentin untersuchen, damit ich ihr … !«

      Gabriel stockte der Atem. Er kannte diese Frau. Und wie er sie kannte! Er liebte sie mehr als sein Leben. Ach was, sogar mehr als alle Lebenden auf sämtlichen bewohnbaren Planeten dieses Universums!

      Spätestens in diesem Moment war er felsenfest davon überzeugt, dass hier das Schicksal seine unberechenbaren Finger im Spiel gehabt hatte. Seit seinem Aufenthalt auf Terra glaubte er nämlich fest an Mysterien aller Art, auch wenn er das niemandem offen eingestanden hätte.

      *

      

      Swetlana Emmerson saß erschöpft auf der fadenscheinigen Couch und weinte leise. Ihr zwei Monate alter Säugling lag in einem dick mit Kissen und Decken ausgepolsterten Pappkarton zu ihren Füßen, weil sie sich innerhalb der letzten zweieinhalb Monate seit Geburt ihrer jüngsten Tochter noch nicht hatte aufraffen können, die alte Familienwiege aus dem verstaubten Kellerabteil der Wohnanlage zu holen. Die russischstämmige Frau fühlte sich