Der Kessel der Götter. Jan Fries

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Название Der Kessel der Götter
Автор произведения Jan Fries
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783944180328



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Traum Deines Lebens nicht nur in Deinem Geist und gehst dann Deinen Weg, sondern Du stattest ihn auch mit Toren und Passagen aus, die darüber hinaus führen. Wie kannst Du die Freude am Heiligen, die Ganzheit in Deinem Leben kultivieren? So wie die Kelten bestimmte Orte zum Nemeton erklärten, so nannten sie auch eine Göttin Nemetona. Kaum etwas ist über sie bekannt, abgesehen von ein paar Inschriften aus dem besetzten Gallien, Germanien und Britannien. Sie zeigen, dass sie wichtig und weithin bekannt war, genau wie die Nemetons, aber in Bezug auf ihre Ikonographie, Mythologie und ihre Rituale hat nichts überlebt. Wurde die Göttin in einer menschlichen Gestalt verehrt? Oder erschien sie lachend im Krächzen der Krähen, dem Flattern dunkler Schwingen, in der sanften Berührung dunkler Nadelbäume, dem Gurgeln des Baches und den Stössen des Geisterwindes in bebenden, schwankenden Bäumen? Stell Dir Augen vor, die in der klaren Bernsteinfarbe der Vogelbeeren leuchten, die Pupillen winzig, fokussiert, die sich dann öffnen, dunkel und glänzend mit der tödlichen Süße des Nachtschattens; das blicklose Starren eines toten Fischs, der sich langsam in einem Teich dreht, der unbewegte Blick der Viper im morgenfeuchten Heidekraut, dann erleuchtet in funkelndem Sternenlicht, ein Lied, das zu seiner Quelle zurückkehrt. Stell Dir Wurzeln und Borke vor, Ranken und Flechten, Fell und Schuppen, Federn und rohe Erde. Stell Dir Zähne vor, glänzend wie Quarz, wie geschärfter Feuerstein, grausam gebogen wie Brombeerdornen, die packen, halten, zerreissen… Gesichter, mit durchbohrendem Blick, wild, verwegen, lustberauscht, die erscheinen und vergehen, sich aus dem heraus materialisieren, was in der Landschaft gerade zur Hand ist. Und versuch, Dir den Bewusstseinszustand vorzustellen, der dies alles möglich macht. Freude und Leidenschaft dieser Erfahrungen ist in die Zeichnungen in diesem Buch eingeflossen. Viele der fantastischeren Bilder wurden von Evokations- und Besessenheitstrancen mit Nemetona inspiriert, die sich als eine schwer fassbare, aber bezaubernde alte Göttin entpuppte. Vielleicht ist aber auch die Bezeichung „Göttin” irreführend. Nemetona verkörpert das Heilige als solches, die Matrix des Bewusstseins, die es Göttern und Geistern erlaubt, sich zu manifestieren. Es ist nicht leicht, damit umzugehen. Das Heilige kann manchmal erschreckend oder schockierend sein oder sogar an Wahnsinn grenzen – aber wenn Du Dich wirklich in die Welt der keltischen Magie hineinträumen und etwas Neues, Wertvolles aus dem schäumenden Kessel zurückbringen willst, ist es eine Erfahrung, die es wert ist, gemacht zu werden. Nemetona machte den Weg frei für andere Gottheiten. Artio der Berge des Anfangs erschien und öffnete die Tore zum Reich der Tiefe. Cernunnos tanzt im mondhellen, nachtdunklen Wald. Nantosuelta führt die Seelen den langen, strömenden Fluss der Sterne entlang zur Viereckfestung im Zentrum des Himmels. Sucelus braut die Zutaten für den Zauber in seinem Kessel zusammen und schlägt die Erde, damit die Jahreszeiten wechseln. Die Kelten hatten viele Götter, da ihr Konzept des Göttlichen viele Gesichter hatte.

      Die keltische Kunst ist einer der Schlüssel zu diesem Buch. Zwar hinterliessen Priester, Druiden und Zauberinnen keine heiligen Texte für spätere Generationen, aber sie produzierten Kunstwerke, die als Traumschlüssel zu ihrem Geheimwissen dienen können. Um zu verstehen, was diese Gegenstände erzählen können, verwende sie als Fokus in einer Trance. Betrachte das Bild, leere Deinen Geist, werde ruhig, erlaube der Stille, Dich zu umgeben, lausche der Leere, während Du schaust und fühlst… wenn Du leer, still und abwesend bist, kommst Du dem geheimen Selbst allen Bewusstseins sehr nahe… und es wird nicht lange dauern, bis Du feststellst, dass die Linien sich bewegen, Farben erscheinen, Dinge sich verschieben, vereinfachen, transformieren… und während Du das spürst, kannst Du Dich an dem Bewusstsein erfreuen, dass die Bilder mit den Tiefen Deines Geistes sprechen, und dass früher oder später – in einem Augenblick, in einem Tag, in einem Monat – diese Begegnung Deinen Geist, Dein Wesen, Deine Realität verwandelt, wie der Mond, der aus den Wolken hervorbricht, wie die Sonne nach einem Gewitter erscheint, wie das donnernde Tosen der neunten Welle. Es handelt sich um eine sanfte, subtile Form der Magie, wie das Weihen eines Sigills. Es funktioniert am Besten, wenn Du es geniesst, Dich entspannst und es fliessen lässt.

      Das Abstrakte – erinnerst Du Dich, wie wir mit Abstraktion angefangen haben? – ist mehr als offensichtlich in der keltischen Kunst. Die keltische Kunst ist in der Hauptsache religiös, und sie befasst sich tiefgreifend mit der Wahrnehmung und den Mysterien des Bewusstseins. Viele Kunstwerke können auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert werden; das mag durchaus in der Absicht des Künstlers gelegen haben.

       Kultwagen von Strettweg

      Steiermark, Österreich. Ha C, 7. Jh. vor unserer Zeit, Bronze.

      Höhe der Göttin im Zentrum 22,6 cm. Der Gegenstand scheint eine zeremonielle Prozession nackter männlicher und weiblicher Figuren darzustellen, einige davon bewaffnet, dazu Reiter und Hirsche. Die zentrale Figur ist vermutlich eine Göttin, die eine Schale hochhält, in die ein verzierter Kessel (nicht im Bild) gesetzt wurde. Von oben gesehen ist der Wagen rechteckig, aber die Göttin im Zentrum steht auf einem Rad. Die Kombination von Kessel und Streitwagen entstand in der Bronzezeit und blieb bis weit in die Hallstattzeit hinein ein populäres religiöses Bild.

      Sucelus

      Man nimmt ein Gesicht wahr, dann eine ganze Figur, dann eine Szenerie, wo vorher nur ein sinnloses Durcheinander von Blasen, Blättern, Blüten und Röhren zu sehen war. Dies ist eine weitere verborgene Eigenschaft keltischer Kunst und Magie: Es gibt mehrere Blickwinkel. Der Gott, der sich in ein Tier verwandelt, erforscht die Welt in verschiedenen Gestalten. Dem Gläubigen, dem klar wird, dass er/sie mit dem Gott identisch ist, verlassen die Beschränkungen der Einzelpersönlichkeit. Der Priester, Schamane oder Zauberer, der von einem Gott oder Tier besessen ist, übernimmt beider Eigenschaften und manifestiert sie zu einem bestimmten Zweck, wie zum Beispiel für ein Heilritual, ein Jahreszeitenritual oder um einen bösen Einfluss zu verbannen. Götter können menschlich sein, und Menschen können Götter sein. Wenn der Gott auch ein Tier ist, hat unser Gestaltwandler Zugriff auf beide Arten von Bewusstsein. Wenn Du Visuelle Magie gelesen (und die Übungen gemacht) hast, ist Dir bewusst, dass von einem Tiergeist besessen zu sein Dein Bewusstsein und Deine Fähigkeiten verändern kann. Das Verändern der Gestalt spielt in keltischen Mythen und keltischer Zauberei eine so wichtige Rolle, dass wir von schamanischen Trancetechniken sprechen können (allerdings nicht notwendigerweise von schamanischen Heilritualen).

      Sei es, wie es sei, was anfänglich verwirrend erscheint, wird nach und nach seine Bedeutung enthüllen. Wir folgen einem verschlungenen Pfad durch den Schattenwald, wenn wir nach Visionen des ewig Alten, ewig Jungen, ewig Seienden und niemals Gewesenen suchen. Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber dieses Buch ist randvoll mit höchst verwirrendem Material. Unsere fröhlichen keltischen Künstler und Dichter hatten Spaß daran, Dinge halb enthüllt, halb verborgen zu präsentieren. Eine Konsequenz davon ist, dass man sich das Ganze nicht mal so eben nebenbei aneignen kann. Es gibt aber immer Mittel und Wege, um es leichter zu machen. Um in das keltische Gedankengut einzutauchen, könntest Du Folgendes tun. Fühlst Du Dich gut? Versuchen wir mal etwas Neues. Schließ das Buch. Komm zur Ruhe und entspann Dich. Wenn Du an nichts Bestimmtes denkst, beginnt Dein Hirn, Alphawellen zu produzieren. Es fühlt sich wie Dösen an. Das Gute an Alphawellen ist, dass sie ganz von selber einsetzen, wenn Du die Augen schliesst, an nichts Bestimmtes denkst und das Nichtstun kultivierst. Während Du den Halbschlaf geniesst, kannst Du das Buch gegen Deine Stirn pressen und Deinem Tiefenselbst mit langsamer, klarer Stimme mitteilen, dass Du dieses Buch lesen und alle Informationen auswählen und behalten willst, die wirklich wichtig für Dich sind, damit Du Dich daran erinnern kannst, wann immer Du willst. Verwende einfache Sätze, positive Ausdrücke und wiederhole sie ein paar Mal. Allerdings nicht zu oft, denn wenn Du ein intelligentes Unterbewusstsein hast, verabscheut es vielleicht drängelnde Befehle. Sei nett und freundlich, und Dein Tiefenselbst wird kooperieren. Dann öffne das Buch und blättere es einmal durch. Halte die Augen weit geöffnet, so dass Du beide Seiten mit einem Blick erfassen kannst. Betrachte jede Seite ein oder zwei Sekunden lang, ohne sie zu lesen. Das kann eine Versuchung sein, es kann aber auch Spaß machen. Wie oft veranstaltest Du seltsame Rituale mit neuen Büchern? Blättere das ganze Buch durch. Dann schliess es, und Deine Augen ebenfalls. Drück es nochmals gegen die Stirn, bitte Dein Tiefenselbst erneut,