Der Kessel der Götter. Jan Fries

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Название Der Kessel der Götter
Автор произведения Jan Fries
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783944180328



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in den Zweigen.

      Pechschwarze Wasser aus finstren Quellen teilen den Grund,

      und strömen, schaumig, und mit dumpfem Klang.

      Uralte Statuen von missgestalteter Form stehen hier,

      grob gefertigt, von keiner Künstlerhand berührt;

      gräulicher Dreck verkrustet jedes hässliche Haupt

      und füllt die Seele des Betrachters mit Entsetzen…

      Oft, wie die Legende sagt, ist es die Erde selbst,

      die aus den hohlen Tiefen schrecklich stöhnt,

      die unheilvolle Eibe, noch lang nach ihrem Tod, wurd’ oft gesehen,

      wie sie vom Grund erwächst und staubig grüne Triebe spriesen;

      Die Bäume lodern, in leuchtenden Flammen, unverbrannt,

      gewaltige Schlangen winden sich um ihre Stämme.

      Pharsalia, 3, 5 Übersetzung Rowe

      Diese düstere Atmosphäre hielt Cäsar nicht davon ab, die Bäume fällen zu lassen. Als er sah, dass viele seiner Soldaten, in Gallien rekrutiert und daher mit heiligen Hainen vertraut, Angst davor hatten, sagte er: „Fällt ihr das Holz, ich nehme alle Schuld auf mich!” und schlug mit einer Axt auf eine starke Eiche ein. Schon bald fällten seine Soldaten Eschen, Stechpalmen, Erlen und Zypressen, sehr zum Missfallen der Einheimischen.

      Bäume und Pflanzen konnten heilig sein; so dachten viele Kelten. Das gleiche galt für Tiere. Wieder einmal ist Abstraktion ein Teil des Glaubens. Tier- und Pflanzenarten, wie im Weiteren zu lesen, waren nicht per se heilig. Häufiger konnten sich in einem bestimmten Tier oder einer bestimmten Pflanze die Energien und das Wesen einer Gottheit manifestieren. Wir haben es hier mit Göttern zu tun, die in vielen Gestalten erscheinen. Wer waren die Götter der frühen Kelten? Wir wissen nicht viel über die Religion der Hallstattzeit, aber die späteren La Tène-Kelten hinterliessen uns eine Anzahl von Götterbildern. Das war definitiv eine Weiterentwicklung. Die Kelten der frühen Hallstattzeit waren bemerkenswert schüchtern, wenn es um eine naturgetreue Darstellung von Menschen oder Tieren ging, von Göttern in Menschengestalt ganz zu schweigen. Sie wussten zwar, dass so etwas möglich ist (da sie griechische Töpferwaren und Kunstwerke importierten), versuchten sich aber nur selten selber daran. Diese Tendenz ist angesichts der Tatsache, wie gut die Künstler und Handwerker dieser Zeit waren, so überraschend, dass wir es hier wahrscheinlich mit einem religiösen Tabu zu tun haben. Wenn diese Leute religiöse Riten durchführten, begnügten sie sich oft mit etwas sehr Einfachem, zum Beispiel einer simplen hölzernen Statue oder einem Monolithen mit einem grob eingemeisseltem Gesicht. So grob, dass es primitiv erscheint. Aber was motivierte diese Leute dazu, kunstlose Götterbilder zu erschaffen, wo es ihnen doch leicht möglich war, ein wunderbares Abbild aus Bronze oder kunstvoll behauenen Sandstein zu schaffen? Einige Kelten taten das. Andere, und sie befinden sich in der Mehrzahl, taten es nicht. Erst in der Mitte der La Tène-Zeit bekamen die meisten Götter eine sorgfältig definierte Gestalt. Denn viele Kelten waren gereist, und nachdem sie zunächst über die Einfalt der Griechen, die ihre Götter in Menschengestalt verehrten, gelacht hatten (das geschah, als Delphi geplündert wurde), waren sie früher oder später auf den Geschmack gekommen. Nachdem die Römer Gallien besetzt und die Druiden verboten hatten, ahmten die überlebenden Religionen den mediterranen Brauch nach und begannen, lokale Varianten römischer Prototypen zu produzieren. Das war der Beginn des sogenannten gallo-römischen Stils, und es gab mehr Statuen, Altäre und Inschriften keltischer Götter denn je. All das zeigt, dass sich die Darstellung des Göttlichen wandeln kann. Wenn man an einen Gott denkt, benötigt man ein gewisses Maß an Vorstellungskraft, um eine Verbindung herzustellen. Die Gottheit benötigt eine (oder mehrere) Formen, um zu kommunizieren. Bei einer Religion, die kaum Gebrauch von anthropomorphen Idolen macht oder sie so einfach gestaltet, dass man sie schwerlich für menschliche Wesen halten kann, es sei denn sternhagelvoll in tiefster Nacht, muss man die Götter in anderen Formen darstellen und wahrnehmen. Hier streckt die Natur einladend einen Ast aus und bietet Eintritt ins Wildwald-Bewusstsein. Wenn Du Dich draussen in der freien Natur befindest (geh am Besten allein oder mit verständnisvollen, stillen Freunden), wirst Du feststellen, dass ständig lauter interessante Dinge passieren. Hektik und Geschwätz unterdrücken sie, aber wenn Du Dir Zeit lässt und Dich ihnen öffnest, bekommst Du alles mit. Die Natur kann Dir vieles beibringen und Dich in ihre Geheimnisse einweihen. Das ist der Grund, weshalb die Druiden ihren Unterricht an verborgenen Orten tief im Wald abhielten, und deshalb gingen Barden und Poeten in der Wildnis spazieren. Wenn man die frühkeltischen Götter verstehen will, muss man sie überall suchen. Daraus ergibt sich eine Vorstellung von Göttern, die teilweise abstrakt ist und auf Nichtdefinition aufbaut. In einem anderen Sinn ist Manifestation auf vielfältige Weise möglich. Wenn die Welt eine Sprache wäre, würden sich die Götter als einige Substantive, einige Adjektive und eine Menge Verben ausdrücken. Keltische Götter werden oft von Tieren begleitet. Einige von ihnen haben tierische Wesenszüge, andere sind Tiere. Arduinna, die Göttin der Ardennen, reitet einen Eber. Artio und Andarta sind Bärengöttinnen, Matunus und Artaios Bärengötter. Cernunnos hat die Hörner eines Hirschs und trägt eine gehörnte Schlange in der Hand. Raben und Krähen werden im Allgemeinen mit Göttern des Kriegs und des Todes in Verbindung gebracht. Nantosuelta wird oft von Krähen begleitet, vielleicht ein Hinweis darauf, dass ihr Name, „schlängelnder Fluss” sich auf den Pfad der Toten bezieht, die Milchstraße. Ihr Gemahl Sucelus, „der gut zuschlägt”, trägt einen Hammer oder Knüppel und ein Gefäss. Er wird von einem Wolf oder Hund begleitet. Verbeia trägt Schlangen, Epona reitet Pferde und Esel, Tarvos Trigaranus ist der Stier mit den drei Kranichen. Cocidius wird von Hirsch und Hund begleitet; ein weiterer Hundegott ist Cunomaglus, der Herr der Hunde. Damona ist eine Rindergöttin, Sirona von den Sternen trägt eine Schlange und drei Eier. Denk an die vielen Tierstatuetten, Fibeln und Ornamente, die in keltischen Gräbern zum Vorschein kamen! Wenn man einen großen, bronzenen Eber in einem Grab findet, kann man sicher sein, dass das Tier wahrscheinlich nicht in seiner Eigenschaft als Eber verehrt wurde, sondern als Symbol göttlicher Wesenskräfte und Energien. Wenn ein Gott wie ein Tier aussehen kann, dann kann ein Tier, wenn man ihm in der Wildnis begegnet, eine Erscheinungsform eines göttlichen Wesens sein. Glaubten die Kelten an heilige Tiere? Wir haben das Glück, ein bisschen über die Ernährungsgewohnheiten der Kelten zu wissen, dank archäologischer Analysen von Knochen und Nahrungsresten. Nach allem, was wir wissen, machten sie Jagd auf alles. Keine Spezies als solche wurde verschont (wohl aber einzelne Individuen, wie spätere irische Mythen andeuten), und so müssen wir überlegen, ob irgendein Tier als heilig gelten konnte oder ob es nur bestimmte Tiere waren, die unter besonderen Umständen göttliche Qualitäten annahmen. Also solche, die man in Trancen, Visionen oder Träumen sah, denen man unter rituellen Umständen begegnete, und so weiter. Das gleiche mag auf Pflanzen und Bäume zutreffen. Die Eiche war zwar sicherlich ein heiliger Baum für manche Kelten, aber das hielt sie nicht davon ab, große Mengen davon zu fällen, um ihre Ringwälle zu befestigen.

      Was ist Dir heilig? Ist es eine bestimmte Tierart, oder sind es vom Göttlichen erfüllte Tiere, die in diese Kategorie fallen? Wenn einige Bäume heilig sind – gilt das für alle Exemplare der Spezies, oder ist es eine besondere Qualität eines besonderen Exemplars?

      Was, wenn wir die Vorstellung von heiligen DINGEN hinter uns lassen und uns mit dem Heiligen als solchem befassen, dass sich dem offenen Geist erschliesst? Nemetos. Ein Bewusstsein für das Heilige - eine erwachte Seele, die sich an den Wundern der Welt erfreut. Etwas, was Du im Geist tust, um zu erfahren, dass die Welt voller Wunder ist - in Dir und überall um Dich herum. Eine Handlung, die Deinen Geist so stark beeinflusst, dass es ihn erschüttert und er sich ausdehnt, erhebt und sich neu erschafft. Das Heilige ist oft sehr neu, genau wie jedes Ritual nicht die Wiederholung eines früheren Ereignisses, sondern das ursprüngliche Ereignis selber ist. Nemetos bedeutet, dass Du das spürst, in jedem Ritual, in jeder Erfahrung, bei jeder Gelegenheit, die sich Dir bietet, wahrzunehmen, aufzuwachen und zu Dir selbst zu kommen. Was bringt Dich über Dich selbst hinaus? Wieviel brauchst Du, um zu erkennen? Diese Qualität des Bewusstseins ist eins der verborgenen Elemente der keltischen Religion. Woran erkennst Du, dass ein bestimmter Baum heilig ist? Woher weißt Du, ob ein Ereignis ein Omen oder einfach ein Zufall ist? Wann ist der Flug der Vögel,