Название | Der blaue Strand |
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Автор произведения | Erik Eriksson |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944369112 |
Markus konnte sich nicht entscheiden, ob er heimwärts oder für eine Weile ins Wirtshaus gehen sollte. Er schaute zum Hafen hinunter; die großen Pappeln versperrten ihm die Sicht. Die Baumkronen wogten, der Wind schien sich gedreht zu haben und jetzt von Norden zu kommen.
Markus war ebenso sehr auf dem Wasser zuhause wie als Bauer auf dem Land. Er achtete oft auf die Wolken und auf Windstärke und -richtung. Jetzt fiel ihm ein, dass die Odin sich wohl gedreht hatte; der Wind war direkt aus Westen gekommen, als sie ankerte.
Er bekam Lust sich anzusehen, wie das Kriegsschiff jetzt aussah, wo es dem Land vermutlich eine andere Seite zuwandte. Zur Bucht war es ja nur ein Spaziergang von einigen Minuten.
Er ging vor dem Posthaus her und hinauf auf den Flaggenberg gleich neben der Zollstation. Die Odin lag jetzt direkt unter ihm, sie hatte sich um die Ankerbefestigung gedreht und wandte dem Land die Heckseite zu. Nur zehn Meter trennten Markus vom Heck der Odin.
Ein bewaffneter englischer Soldat stand an die hintere Reling gelehnt, zwei andere waren weiter weg postiert. Zwischen den drei Soldaten saß eine Schar von Männern auf dem Deck des Schiffs. Sie waren gefesselt und aneinandergebunden.
Jetzt winkte einer der Gefangenen Markus zu, der zurückwinkte. Der nächststehende Soldat sah, was geschah, kümmerte sich aber nicht darum.
Dann rief jemand Markus etwas zu. Er konnte es nicht richtig hören, ging so weit auf die Klippe hinaus, wie er konnte, und legte die eine Hand hinter das Ohr. Der Mann auf der Odin rief wieder, und dieses Mal konnte Markus es verstehen.
»Grüß meine Mutter in Jomala«, rief der Mann.
Markus hob die Hand zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
»Grüße sie von Anders Gren«, rief der Mann. »Sag ihr, dass ich eine Zeit lang fort sein werde, aber dass ich nach Åland zurückkomme.«
»Ich hoffe, du bist bald wieder zu Hause«, rief Markus zurück.
Jetzt riefen mehrere der Männer etwas. Die Wörter vermischten sich und waren schlecht zu verstehen. Markus konnte nur vage unterscheiden: grüße sie, geht es gut, sehne mich, warte, daheim, komme zurück.
Er hob wieder die Hand, aber er wusste nicht, wer was gesagt hatte. Dann hörte er, wie jemand hinter ihm auf den Hügel trat. Er wandte sich um und erkannte zwei der schwedischen Soldaten aus der Kaserne. Ein Stück weiter weg sah er drei Einwohner Grisslehamns, die er recht gut kannte.
Bald hatte sich eine kleine Gruppe auf dem Flaggenberg versammelt. Einige riefen etwas, bekamen Antwort und versprachen zu grüßen.
»Das ist doch zu merkwürdig«, sagte eine Frau in der Gruppe. »Meine Schwester ist mit einem Åländer verheiratet, viele hier haben Verwandte auf Åland. Und jetzt werden sie von den Engländern wie Feinde behandelt und wir sollen einfach nur zusehen.«
Einige gaben ihr Recht, dass das merkwürdig sei, andere zogen es vor, nichts zu sagen; einer von ihnen war Markus. Er blieb nicht mehr länger, hatte gesehen, was er wollte.
Aber er ging nicht nach Hause. Es war immer noch früh am Abend, er hatte keine Eile. Er ging zurück zum Wirtshaus; vielleicht würde er noch ein bisschen mit Marta reden.
Er war schon auf dem Weg zum Kücheneingang, konnte sich aber nicht recht entschließen. Er wählte den vorderen Eingang und betrat den Speisesaal des Wirtshauses.
Der Raum war gut mit Gästen gefüllt. Die meisten Plätze waren besetzt, aber an der einen Wand gab es ganz außen noch einen freien Platz auf der Bank, und dort ließ Markus sich nieder. Er grüßte die Männer, die um ihn herum saßen; die meisten erkannte er.
Ein Stück weiter an dem langen Tisch längs der Wand saßen vier englische Soldaten; einer von ihnen war der Ruderer, der als Dolmetscher gedient hatte, als die Offiziere zu ihrem Besuch an Land gingen. Er hatte helles Haar und war groß und kräftig. Er saß nach vorne über den Tisch gebeugt und diskutierte mit dem Mann auf der gegenüberliegenden Seite.
Auch an den kleineren Tischen im Saal sah man englische Matrosen, dazu einige schwedische Soldaten und Bewohner Grisslehamns, Seeleute und zufällige Besucher. An einem der Tische nahmen eine Frau und zwei Herren ihr Abendessen ein. Sie waren wie Städter gekleidet und vermutlich auf der Durchreise; vielleicht würden sie im Wirtshaus übernachten. Sie saßen etwas abseits von den übrigen Gästen der Wirtschaft. Vor ihrem Tisch stand eine Anrichte, auf die das Servierpersonal des Hauses Schüsseln und Flaschen gestellt hatte.
Markus bestellte einen Krug Bier, ein Stück gesalzenen Speck und etwas Brot. Er stieß mit seinem Tischnachbarn an, der in Tomta wohnte, dem Dorf südlich von Grisslehamn.
Jetzt hörten immer mehr an dem langen Tisch dem Gespräch zwischen dem schwedisch sprechenden Engländer und dem Mann gegenüber zu. Sie sprachen über die Seefahrt, ein Thema, mit dem alle vertraut waren, und es wurde deutlich, dass der schwedisch sprechende Mann gar kein Engländer war, sondern ein Finnlandschwede aus Österbotten, der viele Jahre auf englischen Schiffen zur See gefahren war. Jetzt hatte er sich bei der englischen Flotte anwerben lassen.
Und wie gefiel es ihm, mit gefangenen Landsmännern als Ladung zu segeln?
Nun ja, das gefiel ihm nicht gerade, aber mit der Politik und dem Krieg war es eben nun einmal so, dass der Einzelne nichts tun konnte.
Ja, so war es wohl. Die meisten gaben ihm Recht, andere murmelten Widerworte. Es war ziemlich still im Saal geworden. Alle wollten hören, was der Mann aus Österbotten zu sagen hatte. Er stellte sich vor; sein Name war Lars Petersson Adler.
»Sagt einfach Adler, das genügt«, bemerkte er.
Mehrere stießen mit dem Adler, wie er sofort genannt wurde, an.
»Die englische Flotte braucht Lotsen, die sich auf dem Åländischen Meer auskennen«, sagte er. »Wenn es also hier jemanden gibt, der Erfahrung mit den åländischen Schären hat, dann kann er bei den Engländern eine Anstellung bekommen.«
Mehrere im Saal wollten wissen, wie es mit der Bezahlung aussah.
Ja, sie bezahlten gut und das Essen an Bord war anständig.
Die Gäste hörten auf zu fragen, viele begannen mit ihren Tischnachbarn über die Neuigkeit zu sprechen. Lotse bei den Engländern, ja, das konnte vielleicht etwas sein. Aber dann landete man natürlich im Krieg, das sollte man sich schon durch den Kopf gehen lassen.
Als Markus an diesem Abend nach Hause ging, sah er, dass die Odin immer noch mit dem Heck zum Land hin lag. Auf dem Achterdeck war ein schwaches Licht angezündet, aber man hörte keine Stimmen. Es war noch nicht richtig dunkel; der Frühlingsabend war kühl und frisch, der Himmel wolkenfrei.
Er dachte an das Angebot des Adlers. Das konnte vielleicht etwas für ihn sein. Er ging langsam, hatte zwei Krüge Bier getrunken. Zu Hause gab es Branntwein. Er spürte, dass er ein oder zwei Glas haben wollte, bevor er zu Bett ging.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er viel getrunken, gleich nach dem Tod seiner Frau Sofia vor gut zwanzig Jahren. Sie waren frisch verheiratet gewesen; sie starb, als Kristina 1832 geboren wurde, und das war der Beginn der schwersten Zeit seines Lebens gewesen.
Plötzlich sah er Sofia vor sich. Das kam manchmal vor, und er fühlte wieder die Trauer, trotz all der Jahre. Und wie schon so viele Male zuvor schlug das Gefühl von Trauer schnell um in Zorn und Hass auf das Kind, Kristina, die ihm ja Sofia genommen hatte. Und auch seine Mutter Johanna konnte er hassen, wenn all das hochkam, sie, die ihm Kristina dann weggenommen, das Mädchen aufgezogen und gegen ihn eingenommen hatte.
Immer waren sie gemeinsam gegen ihn, die Frauen, das spürte er jetzt. Und die Bitterkeit war schwarz und schwer, und so kam auch das starke Verlangen nach Branntwein. Er wusste ja, dass der Alkohol Linderung und Vergessen gewährte.
Kristina und Johanna saßen am Küchentisch, als er nach Hause kam. Sie hatten den offenen Kamin angezündet; das Licht flackerte und huschte durch das Zimmer. Er grüßte und setzte sich hin. Kristina fragte, ob er etwas zu essen haben wolle.