Jungsteinzeit. Silviane Scharl

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Название Jungsteinzeit
Автор произведения Silviane Scharl
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170367425



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aus Fundorten südlich des 2. Nilkatarakts um 7000 v. Chr., während die Daten aus der westlichen Sahara eindeutig jünger sind. Die Auswertung von Tierknochen, ebenso wie szenische Darstellungen auf Felsbilder deuten zudem auf Milchnutzung zu einem relativ frühen Zeitpunkt hin. Dies wird durch Ergebnisse genetischer Analysen an ostafrikanischen Bevölkerungsgruppen unterstrichen, die genetische Marker für Laktasepersistenz bereits für die Zeit um 5000 bis 4000 v. Chr. dokumentieren, sodass hier möglicherweise koevolutionäre Prozesse fassbar werden. Als sich nach 2500 v. Chr. die klimatischen Bedingungen für den Agropastoralismus in der Sahara zunehmend verschlechterten, zogen die Menschen weiter nach Süden in den Bereich der heutigen Sahelzone, wo schließlich auch domestizierte Pflanzen angebaut wurden43.

      Zusammengefasst sehen wir, dass es global eine ganze Reihe von Erstdomestikationszentren gibt, in denen unterschiedliche indigene Wildtier- und -pflanzenarten domestiziert wurden. Dies war nicht überall verknüpft mit einer sesshaften Lebensweise wie im Vorderen Orient. In manchen Regionen wurden zudem nur Pflanzen oder aber nur Tiere domestiziert. In allen Regionen dürfte es sich jedoch um einen relativ langfristigen Prozess gehandelt haben, auch wenn dies im Detail bislang nicht überall erforscht wurde. Dennoch wird dieser Prozess insbesondere für den Vorderen Orient häufig als »Neolithische Revolution« beschrieben. Und in der Tat stellt dieser Schritt eine fundamentale Veränderung im Leben der Menschen dar, der dauerhafte Folgen hatte.

      4 Die letzten Jäger und Sammler Mitteleuropas – kulturelle Sackgasse oder Wegbereiter für eine neue Zeit?

      Vor Beginn der nahrungsmittelproduzierenden Wirtschaftsweise lebten in vielen Teilen der Welt Wildbeutergesellschaften, die ihre Nahrung durch Jagen, Sammeln und Fischen gewannen (sog. aneignende Wirtschaftsweise im Gegensatz zur produzierenden Wirtschaftsweise bäuerlicher Gruppen). Häufig wird der Begriff »Wildbeuter« im prähistorischen Kontext mit der Zeit der großen Eiszeitjäger assoziiert. Es gibt jedoch auch holozäne Wildbeutergruppen, die die immer dichter werdenden Wälder Europas besiedelten. In der Konfrontation mit einer sich vergleichsweise schnell wandelnden Umwelt entwickelten sie ausgefeilte Strategien, um die vorhandenen Ressourcen zu nutzen und teilweise sogar zu optimieren. Diese Epoche wird im europäischen Raum als sog. Mittelsteinzeit (Mesolithikum, ca. 9600–5400 v. Chr.) bezeichnet.

      Forschungsgeschichtlich betrachtet wurde dieser Abschnitt der Steinzeit in vielen – bei Weitem aber nicht allen – Regionen lange Zeit als relativ bedeutungslose Übergangsepoche zwischen dem Ende der Eiszeit und dem Beginn der Landwirtschaft gesehen. Dies trifft insbesondere auf den zentraleuropäischen Raum zu. Eine globale Perspektive verdeutlicht jedoch, dass in dieser vermeintlich bedeutungslosen Epoche zwischen dem reinen Wildbeuter-Dasein des Pleistozäns und der agrarisch geprägten Lebensweise wichtige Grundlagen für die weitere Entwicklung gelegt wurden, die die Anfänge der Nahrungsmittelproduktion erst ermöglichten.

      Wichtige Eckdaten und ein kurzer Blick in die Forschungsgeschichte

      Der Begriff »Mittelsteinzeit« bzw. »Mesolithikum« wurde 1872 von dem irischen Archäologen Hodder Westropp erstmals verwendet, setzte sich aber erst im frühen 20. Jahrhundert durch. Das Mesolithikum beginnt, nachdem das Eiszeitalter (Pleistozän) endgültig vorbei ist. Das Pleistozän ist eine Zeit ständigen Klimawandels, geprägt von Kalt- und Warmzeiten. Es endet mit der sog. Jüngeren Dryas (Dryas 3), einem massiven Kälteeinbruch, der nach 11800 v. Chr. noch einmal eiszeitliche Bedingungen nach Mitteleuropa zurückbrachte und damit einhergehend eine subarktische Fauna, darunter Rentierherden, die eine wichtige Nahrungsgrundlage für die Menschen bildeten. Um 9650 v. Chr. endet diese Phase. Auf diesen Kälteeinbruch folgte eine Wiedererwärmung, die tiefgreifende Umweltveränderungen zu Folge hatte. Aus dieser frühen Zeit sind bislang jedoch nur wenige mesolithische Fundstellen bekannt. Die meisten bekannten Fundstellen stammen im mitteleuropäischen Kontext aus dem mittleren Mesolithikum. Das Ende des Mesolithikums (Spätmesolithikum) wird markiert durch die Anfänge der Nahrungsmittelproduktion, die im zentralen Mitteleuropa um 5400 v. Chr., im nördlichen Mitteleuropa dagegen erst um 4100 v. Chr. datieren. Aus dieser Zeit ist die Zahl der bekannten Fundstellen wiederum geringer.

      Spektakuläre Funde und Befunde, wie wir sie aus altsteinzeitlichen Kontexten kennen (z. B. Figurinen aus Elfenbein oder Höhlenmalereien), fehlen aus dieser Epoche. Stattdessen überwiegen im archäologischen Quellenmaterial vergleichsweise kleine Feuersteinartefakte (< 3 cm), sog. Mikrolithen, die als Geschossspitzen dienten (image Abb. 4.1). Der Mangel an Quellen schien die angenommene Bedeutungslosigkeit dieser Epoche lange Zeit zu unterstreichen. Zudem passte dieses Bild in das im 19. und teilweise auch noch im 20. Jahrhundert vorherrschende evolutionistische Paradigma, das die wissenschaftliche Denkweise stark prägte. Damit verknüpft war die Vorstellung einer unilinearen Entwicklung menschlicher Gesellschaften vom Wildbeutertum über bäuerliche bis hin zu staatlichen Gesellschaften, die z. B. Lewis Henry Morgan in seinem Werk Ancient Society 1877 vertrat.

      Abb. 4.1: Mesolithische Mikrolithen aus Nordrhein-Westfalen. Obere Reihe: Frühmesolithikum vom Fundplatz Mönchengladbach-Geneicken (ca. 9500–9200 v. Chr.), mittlere Reihe: Rhein-Maas-Schelde-Kultur, spätes Früh- und Spätmesolithikum von den Fundstellen Wegberg 1 und 2 sowie aus der Sammlung Lau (ca. 7400–4900 v. Chr.), untere Reihe: Spätmesolithikum vom Fundplatz Netphen und aus der Sammlung Baldsiefen (um 6000 v. Chr.).

      Erst in den 1960er-Jahren veränderte sich die Konzeption von Wildbeutergesellschaften, u. a. durch die Konferenz »Man the Hunter«, die Richard Lee und Irven Devore 1966 in Chicago organisierten. Nun rückte die Bedeutung pflanzlicher Ressourcen in den Blickpunkt. Damit einhergehend wurde die ökonomische Rolle der Frau als Sammlerin für die Ernährung der Familie/Gruppe neu bewertet. Denn diese trugen oft mehr zur Ernährung bei als bis dahin wahrgenommen. Bedeutsam war auch der Beitrag Marshall Sahlins, in dem er sein Konzept der »original affluent society« vorstellte. Diesem lag u. a. die Idee zugrunde, dass es Wildbeutergesellschaften mit einem Minimum an Zeitaufwand gelingt, ein Optimum an gesunder Nahrung zu beschaffen1.

      Diese neu eingeschlagene Richtung gewann in den 1970er-Jahre noch weiter an Bedeutung, als im gesellschaftlichen Diskurs generell ökologische und ökonomische Fragestellungen wichtig wurden. U. a. wurde nun diskutiert, inwieweit eine eigenständige Entwicklung des Neolithikums auf der Basis einheimischer Tier- und Pflanzenarten in Europa denkbar wäre (was wir heute vor allem aufgrund der Ergebnisse genetischer Analysen ausschließen können). Das Mesolithikum avancierte in dieser Zeit zu einer Art Vorläufer des Neolithikums2. All dies spielte in der Erforschung konkret des mitteleuropäischen Mesolithikums jedoch nur eine untergeordnete Rolle, da es an einer größeren Zahl archäologischer Quellen aus diesem Zeitabschnitt mangelte.

      Erst in den 1990er-Jahren wurden auch hier erste Stimmen laut, dass die Rolle des Mesolithikums für die Neolithisierung Mitteleuropas mehr Beachtung finden sollte. Diese kamen vor allem aus den Reihen der wenigen Mesolithforscher, die darauf aufmerksam machten, dass es in der materiellen Kultur des frühen Neolithikums durchaus Elemente gab, die sich aus dem vorangehenden heimischen Mesolithikum ableiten ließen (z. B. geschliffene Felsgesteingeräte oder regelmäßige Feuersteinklingen). Die materielle Basis für diese Argumente blieb jedoch weiterhin dünn. Die damals gängige Rekonstruktion des Übergangs vom Mesolithikum zum Neolithikum im zentralen Mitteleuropa war und blieb daher, dass bäuerliche Gruppen aus dem südosteuropäischen Raum, wo sich Ackerbau und Viehhaltung bereits einige Jahrhunderte zuvor etabliert hatten, nach Mitteleuropa einwanderten und hier in ein fast menschenleeres Gebiet kamen (image Kap. 5). Dies erklärte für viele auch die vergleichsweise schnelle Ausbreitung der produzierenden Wirtschaftsweise innerhalb weniger Jahrhunderte. Für das nördliche Mitteleuropa und Südskandinavien wurde hingegen angenommen, dass mesolithische Wildbeutergruppen am Ende des 5. Jahrtausend v. Chr. durch Kontakte zu den südlich