Jungsteinzeit. Silviane Scharl

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Название Jungsteinzeit
Автор произведения Silviane Scharl
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170367425



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diversen Regionen in Europa liegen Hinweise darauf vor, dass während der Mittelsteinzeit ein regelrechtes Pflanzenmanagement betrieben wurde. Als ein wesentliches Instrument wird das gezielte Legen von Bränden angesehen. Diese dienten zum einen dazu, den Pflanzenbewuchs aufzulichten und damit das Wachstum von lichtliebenden Arten zu fördern, allen voran die Haselnuss, aber auch um die Diversität der Pflanzenarten generell zu erhöhen. Zum anderen waren diese künstlich geschaffenen Lichtungen auch attraktiv für diverse Wildtierarten und damit für potentielle Jagdbeute.

      Die wichtigsten Vorteile dieser Art des Pflanzenmanagement nicht nur für das Pflanzenwachstum, sondern auch für die Jagd haben Rosie R. Bishop und ihre Kolleg*innen noch einmal zusammengestellt17.

      Wichtige Datenquellen für das Legen von Bränden sind Pollenprofile, in denen zum einen ein Anstieg der Pollen spezifischer lichtliebender Pflanzenarten erkennbar wird, zum anderen der Anteil an Holzkohleflittern oder Mikroholzkohle zunimmt. Im Idealfall korrelieren beide Marker. Beispiele hierfür kennen wir aus der Wetterau. Dort datieren die Beobachtung einer Zunahme der Hasel, aber auch anderer lichtliebender Arten, wie der des Ahorns oder des Spitzwegerichs, das Auftreten von hitzeveränderten Pollenkörnern und die deutliche Zunahme von Holzkohleflittern, in

      Tab. 1: Vorteile gezielter Vegetationsbrände

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      Quelle: nach Bishop et al. 2015.

      PflanzengewinnungJagd

      das frühe/mittlere Atlantikum18. Ähnliche Beobachtungen (starke Zunahme von Holzkohleflittern und die Zunahme von Haselpollen) liegen aus verschiedenen Pollenprofilen aus Süddeutschland wie z. B. dem Haspelmoor vor. Hier datieren sie in die Mitte des 7. Jahrtausends v. Chr. und damit ebenfalls in das Atlantikum19. Im mittleren Lahntal in Hessen konnten Johanna Bos und Ralf Urz für das Boreal ebenfalls eine Korrelation der Zunahme von Holzkohle und Haselpollen sowie anderer lichtliebender und brandanzeigender Arten (Adlerfarn) nachweisen. Das Auftreten von Pflanzengesellschaften bestehend aus Brennessel, Zaunwinde, Kletten-Labkraut, Hanfnessel, Wasserdost und bittersüßem Nachtschatten zeigte zudem das Vorhandensein einer nährstoffreichen, durch menschliche (?) Eingriffe veränderten Vegetation an. Dies lässt sich dort auch anhand von Makroresten wie Holzkohle und Haselnussschalen belegen, woraus Bos und Urz schließen, dass von den Bewohnern des mittleren Lahntals während des Mesolithikums gezielt Brände gelegt wurden20.

      Neben Pollenprofilen können auch Bodenproben aus archäologischen Befunden Hinweise auf das Legen von Vegetationsbränden liefern. Gezielte Untersuchungen hierzu wurden im Rheinland durchgeführt. Diese zeigen, dass bereits in mesolithischen Bodenproben Spuren von Vegetationsbränden vorhanden sind21.

      Neben dem gezielten Legen von Bränden wird auch das gezielte Schneiden von Haselsträuchern diskutiert, um deren Wachstum zu fördern. Eindeutige Belege hierfür fehlen jedoch22. Ferner gibt es Überlegungen, ob Geweihhacken und Beile aus mesolithischen Kontexten als Pflanzgeräte interpretiert werden könnten23. Schließlich wird für schottische Fundstellen ein Waldmanagement (woodland management) diskutiert, das sich in der gezielten Nutzung spezifischer Holzarten für spezifische Zwecke widerspiegeln könnte. So scheinen z. B. gezielt Hasel und Eiche, die gute Brenneigenschaften aufweisen, als Feuerholz genutzt worden zu sein24.

      Hinweise auf Vorratshaltung – Fischfermentation in Schweden

      Mesolithisches Pflanzenmanagement z. B. durch das Legen von Bränden diente, wie bereits ausgeführt, dazu, das Wachstum erwünschter Pflanzen gezielt zu fördern und damit die Erträge zu steigern. Ein weiterer Schritt ist die Haltbarmachung dieser Erträge, wie am Beispiel der Haselnuss gezeigt. Das Haltbarmachen von Haselnüssen ist jedoch nicht der einzige Beleg für diese Verhaltensweise im Kontext holozäner Wildbeutergesellschaften in Europa.

      So liegen seit kurzem auch erste Hinweise auf die Haltbarmachung von Fisch vor. Diese stammen von einer mesolithischen Fundstelle – Norje Sunnansund – aus dem östlichen Schweden und datieren um 7200 v. Chr. Hier wurden zahlreiche Fischknochen (geschätzt 60 t Süßwasserfisch) gefunden, die sich in einer 2,8 m langen und 0,8 m breiten, rinnenartige Grube konzentrieren, die von Pfosten- und Stakenlöchern umgeben war. Es handelt sich überwiegend um Reste von Rotauge (ca. 80 %), und vereinzelte Reste von Hecht und Barsch (ca. 20 %). Interessant war nun die Beobachtung, dass die Wirbelknochen der Hechte aus der Grube deformiert waren. Dies interpretierte der Ausgräber Adam Boethius dahingehend, dass die gefangenen Hechte dort mit einer Art Säure in Kontakt gekommen waren, was wiederum als Hinweis auf gezielte Fermentation der Fische gedeutet wurde. Dies könnte auch die großen Mengen an Rotauge erklären, da es sich um einen kleinen, sehr knochigen Fisch handelt, der kaum genießbar ist. Durch Fermentation ist es aber möglich, die Knochen »aufzuweichen« und den Fisch dadurch entweder essbarer oder die Knochen leichter entfernbar zu machen. Heutzutage wird vor allem mit Salz fermentiert, wobei die Zugabe von »Lactobacillus« das Entstehen pathogener Mikroorganismen und damit das Verderben des Fisches verhindert. Sicher belegt ist fermentierter Fisch aus der Römerzeit, das berühmte Garum. Weitere Belege aus historischen Zeiten sind aus dem circumpolaren Bereich bekannt, wo ohne Salz fermentiert wurde, was in diesen kalten Umwelten durchaus möglich ist (wobei anzunehmen ist, dass es natürlich vorkommende Bakterien gab, die man für den reibungslosen Verlauf des Fermentationsprozesses hinzufügte bzw. die auf natürliche Art und Weise dort hineingelangten). Für diese Vorgänge wurden Gruben unter den Oberboden in die Tonschichten hineingegraben. Ähnlich stellt sich die Situation in Norje Sunnansund dar. Darüber hinaus sind aus ethnographischen Studien Fermentationsprozesse mithilfe von Tierhäuten belegt. Aus Grönland und Kanada sind Beispiele bekannt, wo Vögel und Fische in Robbenhäute eingenäht wurden und unter Sauerstoffabschluss im Lauf einiger Monate fermentierten. Da auch in Norje Sunnansund Reste von Robben (Finger/Zehenknochen und Schädelreste) und Wildschwein (Finger/Zehenknochen und Mittelfussknochen) gefunden wurden, könnte hier ein ähnliches Vorgehen angenommen werden25.

      Die Errichtung technischer Anlagen – eine Investition in die Zukunft

      Beide Befunde, der als Fermentationsanlage angesprochene Befund aus Schweden und die Haselröststellen vom Duvensee, repräsentieren darüber hinaus technische Anlagen, die mit einem gewissen Aufwand errichtet und wiederholt genutzt wurden. Indirekt reflektieren diese Investitionen die Erwartung, dass sich der Arbeitsaufwand teilweise erst in der Zukunft auszahlen werde und damit wiederum eine Verhaltensweise, die eher mit bäuerlichen als mit wildbeuterischen Gesellschaften assoziiert wird. So fand sich am Boreal-zeitlichen Wohnplatz 6 am Duvensee eine Röststelle im Zentrum der Grabungsfläche, die aus einer 3,2 m2 großen Sandfläche mit einer zentral gelegenen braunen Sandlinse bestand, welche von mehreren brettartigen Hölzern, die nachweislich Bearbeitungsspuren aufwiesen, zusammengehalten wurden. Der Sand (ca. 230 kg) wurde auch hier wie beim vorangehend beschriebenen Wohnplatz 8 aus größerer Entfernung herantransportiert. Die Gewinnung und Haltbarmachung von Nahrung wurden folglich mit einem gewissen logistischen Aufwand und vorausschauend betrieben. Dies zeigt beispielsweise auch die Rindenmatte, die am Wohnplatz 8 am Duvensee dokumentiert werden konnte. In Kontexten der spätmesolithischen Ertebölle-Kultur in Südskandinavien konnten zudem wiederholt technisch aufwendige Lösungen zum Fischfang dokumentiert werden wie Stellnetze, Reusen oder Fischzäune26.

      Vorneolithischer Getreideanbau?

      Schließlich wird für das Spätmesolithikum auch der Anbau von Getreide diskutiert. Bereits in den 1950er-Jahren wurden in Pollenprofilen in Süddeutschland, Italien und der Schweiz Getreidepollen entdeckt sowie als sog. Kulturbegleiter bezeichnete Pflanzen wie Spitzwegerich, aber auch spezifische Veränderungen der Waldzusammensetzung, die in das Mesolithikum datierten und als Hinweis auf Getreideanbau interpretiert wurden. Diese blieben jedoch lange Zeit umstritten27. Als in den 1990er-Jahren im Zürichseegebiet in zwei Pollenprofilen (Wallisellen-Langachermoos und Zürich-Mozartstraße) mehrere Phasen mit human impact, d. h. menschlichen Eingriffen bzw. Aktivitäten, in Form von Getreidepollen, Leinpollen, Schwankungen in der Baumpollenkurve, Belege für Holzkohle,