Название | Ein Porträt meines Vaters |
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Автор произведения | George W Bush |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854454861 |
IM SOMMER 1948 stand George H.W. Bush vor zwei Aufgaben: seinen Job anzutreten beziehungsweise für mich und Mutter ein geeignetes Heim zu finden. Während er sich nach einer passenden Behausung in Odessa, Texas, umsah, wohnten Mutter und ich vorübergehend bei meinem Urgroßvater G.H. Walker in seinem Sommerhaus in Kennebunkport, Maine.
Das Leben war auf Walker’s Point um einiges komfortabler als im Westen von Texas. Damals war Odessa eine Stadt mit knapp unter 30.000 Einwohnern. Sie lag ungefähr 30 Kilometer von der Partnerstadt Midland entfernt, und zum nächsten größeren Flughafen in Dallas waren es fast 500 Kilometer. Die meisten Straßen waren nicht asphaltiert. Wenige Häuser hatten mehr als ein Geschoss. Die Skyline bestand aus ein paar Erdölbohrtürmen, die den Horizont säumten. Im Sommer stieg das Thermometer regelmäßig in Richtung der 40 Grad Celsius – manchmal sogar schon am Vormittag. Auch lange Dürreperioden waren nichts Besonderes. Das flache Terrain bot wenig Abwechslung, und darüber hinaus gab es nichts, das einen natürlichen Schatten geworfen hätte, da es in der westlichen Ecke von Texas keine einheimischen Bäume gibt. Und der Wind blies einem um die Ohren und trug dabei mitunter jede Menge Staub mit sich.
Odessa entlieh sich seinen Namen von der am Schwarzen Meer gelegenen Stadt in der Ukraine, und für meinen Dad muss es sich anfangs auch tatsächlich so angefühlt haben, als wäre er in ein fremdes Land gezogen. Bei seiner Ankunft kannte er keine Seele. Die Menschen, auf die er traf, ähnelten eher den Leuten, die er in der Navy kennengelernt hatte, als jenen, die er von zu Hause kannte. Odessa war eine Arbeiterstadt, ihre Bewohner waren auf den Ölfeldern beschäftigt: Es handelte sich um Mechaniker, die die Ausrüstung in Schuss hielten, und Bohrarbeiter, die auf den Anlagen tätig waren. Einer der Mitarbeiter meines Vaters fragte ihn einmal, ob er ein College besucht habe. Wahrheitsgetreu teilte Dad ihm mit, dass Yale-Absolvent sei. Der Typ dachte kurz nach und sagte dann: »Hab ich noch nie von gehört.« Auch die Mode war anders dort. Dad verließ einst das Haus in Bermudashorts. Nachdem etliche Lastwagenfahrer ihn angehupt hatten, machte er sich allerdings auf den Heimweg und mottete, nachdem er zu Hause angekommen war, die Bermudas für alle Zeiten ein … Sogar das Essen war ungewohnt. Mein Vater erinnerte sich Zeit seines Lebens daran, wie er zum ersten Mal sah, wie jemand eine texanische Delikatesse orderte: paniertes Beefsteak.
Dad fand ein Haus in der East Seventh Street. Die gute Nachricht war, dass es über ein Badezimmer verfügte – die meisten Residenzen in dieser Straße hatten lediglich ein Plumpsklo. Die schlechte Nachricht bestand darin, dass wir unser Bad mit zwei Frauen teilten, die auf der anderen Seite des Zweifamilienhauses wohnten. Es handelte sich bei ihnen um ein Mutter-Tochter-Gespann, das seinen Unterhalt damit verdiente, zu nächtlicher Stunde männliche Kunden zu beglücken. Dagegen schien das 13-Familien-Haus neben dem Yale-Präsidenten alles andere als mies.
Das Leben im Westen von Texas erforderte noch weitere Anpassungen. Kurz nachdem Mutter und ich uns zu Dad in Odessa gesellt hatten, wurde sie von Gasgeruch aus dem Schlaf gerissen. Da sie fürchtete, dass höchste Explosionsgefahr für das Haus bestünde, schnappte sie sich mich und eilte hinaus auf den Bürgersteig. Ein Nachbar, der das Ganze beobachtete, erklärte ihr höflich, dass der Wind gedreht und nur den Geruch der Ölfelder herübergeblasen habe. Alles war in Ordnung. Wir konnten wieder zu Bett gehen. Mutters Erlebnis bestätigte eine der Wahrheiten über diesen Flecken Erde: Im westlichen Texas drehte sich alles um Öl. Es befand sich in der Erde, der Luft sowie in den Köpfen aller, die hier lebten.
Der Schlüssel zur erfolgreichen Anpassung meiner Eltern an ihre neue Umwelt lag in ihrer Einstellung. Sie sahen das Leben dort nicht als Widrigkeit an, die man eben ertragen musste. Vielmehr war es für sie ein Abenteuer – ihr erstes als verheiratetes Paar. Sie brachten ihren Mitmenschen Interesse entgegen und gewannen neue Freunde. Dabei wurde ihnen bewusst, dass sie weder auf Chauffeure noch auf französische Dienstmädchen angewiesen waren, um das Leben zu genießen. Sie hatten ja einander und waren in der Lage, das Beste aus jeder Situation zu machen.
Wir drei verbrachten Weihnachten 1948 in Odessa. Am Weihnachtsabend veranstaltete Dads Firma eine Feier für ihre Mitarbeiter. Er meldete sich freiwillig dafür, die Drinks zu mixen. Am Ende des Abends hatte der fröhliche Barkeeper, um seine Festtagslaune unter Beweis zu stellen, für fast jeden Cocktail, den er ausgeschenkt hatte, selbst einen gekippt. Im Anschluss an das Fest half ihm dann jemand auf einen der Pritschenwagen der Firma. Einer seiner Mitarbeiter war so freundlich, ihn nach Hause zu fahren. Dort angekommen, öffnete er die Ladeklappe und rollte meinen Dad auf den Rasen vor unserem Haus. Die Bushs passten gar nicht schlecht in den texanischen Westen.
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DIESE ANEKDOTE VON der Weihnachtsfeier, die Mutter Dad nie vergessen ließ, war typisch für die Herangehensweise meines Vaters in Bezug auf Arbeit im Allgemeinen: Wenn er sich erst einmal einer Aufgabe verschrieben hatte, war er bereit, sich ihr hundertprozentig zu widmen. Wenn George Bush aufgetragen wurde, den Boden der Lagerhalle zu fegen, dann lieferte er dem Manager den allersaubersten Fußboden, den der je gesehen hatte. Wenn er Ölfördertürme anmalen sollte, legte er am Samstagmorgen eine Sonderschicht ein, um noch eine weitere Farbschicht aufzutragen, damit die Sache auch anständig erledigt wäre. Mein Vater liebte es, hart zu arbeiten – und er genoss es, die Früchte seiner Arbeit zu sehen. Er hatte die Lehren, die ihm seine Mutter mit auf den Weg gegeben hatte, absolut verinnerlicht. Gib dein Bestes. Sei nicht hochmütig. Beklage dich nicht.
Nach einer Weile begriffen seine Vorgesetzten, dass der Neue zu Höherem berufen war. Und so wurde Dad 1949, als ich drei Jahre alt war, nach Kalifornien versetzt. Dort arbeitete er sieben Tage in der Woche in einer Ölpumpenfabrik und schließlich als Handelsreisender im Auftrag von Tochterfirmen von Dresser und verkaufte Bohrmeißel und andere Ausrüstungsgegenstände. Während dieses Jahres lebten wir in vier verschiedenen Städten: Whittier, Ventura, Bakersfield und Compton. Sowohl in Whittier als auch in Ventura wohnten wir bei unseren längeren Aufenthalten in örtlichen Hotels. In Bakersfield hingegen hatten wir ein angemietetes, 90 Quadratmeter großes weißes Holzrahmenhaus. In Compton waren wir in einem Apartment in einem Wohnkomplex namens Santa Fe Gardens untergebracht. (Leider büßte die Wohnanlage Jahre später viel an Lebensqualität ein, als Drogen und Gewalt in die Gegend Einzug hielten.)
Unser nomadischer Lebensstil in Kalifornien stellte eine große Belastung für Mutter dar, da sie ständig packen und wieder auspacken beziehungsweise sich ständig um mich kümmern musste. Zusätzlich war sie nun auch wieder schwanger mit meiner jüngeren Schwester Robin, deren Geburt rund um Weihnachten 1949 ins Haus stand, als wir gerade in Compton stationiert waren. Mutter wollte sicherstellen, dass jemand da wäre, um ein Auge auf mich zu haben, wenn sie ins Krankenhaus müsste, weshalb sie unsere Nachbarin, mit der sie sich angefreundet hatte, darum bat. Diese willigte ein. Kurz bevor schließlich bei meiner Mutter die Wehen einsetzten, fand sie dann allerdings heraus, dass die Nachbarin mitsamt ihrer Kinder vor ihrem ausfälligen Ehemann, der einmal zu oft betrunken nach Hause gekommen war, die Flucht ergriffen hatte. Somit stand ich nun wieder ohne Babysitter da. Irgendwie gelang es meiner Mutter dennoch, jemanden für mich aufzutreiben – wer genau, weiß keiner mehr –, und so kam meine Schwester Robin am 20. Dezember 1949 zur Welt.
Robin wurde nach meiner Großmutter Pauline Robinson Pierce benannt, die drei Monate zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Mein Großvater verbat meiner Mutter, zur Beisetzung anzureisen, da er fürchtete, dass dies das Baby gefährden könnte. Für meine Mutter, die ihren Vater verehrte, war es schwer, in Zeiten der Trauer so weit von ihm entfernt zu sein.
Das Jahr in Kalifornien war auch für meinen Dad nicht ganz einfach. Er war praktisch permanent unterwegs. Seiner Schätzung zufolge legte er mit seinem Auto in der Woche über 1.500 Kilometer zurück. Er war kein marktschreierischer Schnellredner, doch fand er für sich einen Ansatz, der sich als sehr effektiv erweisen sollte. Es gelang ihm, wie schon in der Schule und beim Militär, persönliche Beziehungen aufzubauen, und mit der Zeit konnte er so das Vertrauen seiner Klienten gewinnen, was wertvoller ist als jeder Bohrmeißel.
Im Frühjahr 1950 wurde meinem Vater mitgeteilt, dass Dresser ihn zurück ins westliche Texas holen wolle und er entweder in Odessa oder Midland wohnen könne. Als 25-jähriger zweifacher Familienvater strebte er danach,